Provenienzforschung

"Forschungsstelle Entartete Kunst" steht vor dem Aus

Die Experten für Provenzienzforschung im Museum Wiesbaden, Miriam Merz und Peter Forster, untersuchen am 10.12.2013 im Landesmuseum Wiesbaden (Hessen) die Rückseite eines Bildes. Das Museum Wiesbaden hat 1999 begonnen, alle zwischen 1933 und 1945 erworbenen Kunstwerke auf ihre Herkunft zu überprüfen.
Experten für Provenzienzforschung untersuchen im Landesmuseum Wiesbaden die Rückseite eines Bildes. © picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Von Christiane Habermalz · 30.11.2015
Seit 2003 leistet die "Forschungsstelle Entartete Kunst" an der FU Berlin einen wichtigen Beitrag zur Provenienzforschung: In einer Datenbank mit über 16.000 Kunstwerken untersucht sie die Wege geraubter Werke. Doch nun droht der Forschung das Aus.
Die "Forschungsstelle Entartete Kunst", ein international renommiertes Projekt zur Erforschung der nationalsozialistischen Kunstpolitik an der Freien Universität Berlin, steht vor dem Aus. Sie wurde 2003 von der Ferdinand-Möller Stiftung aufgebaut, die Finanzierung durch die Stiftung lief jedoch, wie lange angekündigt, im Sommer 2015 aus.
Die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, hat zwar eine dreijährige Folgefinanzierung angeboten – aber unter der Bedingung, dass die Finanzierung danach dauerhaft von der FU Berlin bzw. dem Land Berlin übernommen wird. Eine entsprechende Vereinbarung konnte jedoch bislang nicht erzielt werden.
Damit droht der Forschungsstelle Ende des Jahres das Aus, wie der Kunsthistoriker Christoph Zuschlag von der Uni Koblenz Landau jetzt öffentlich machte.
"In meinen Augen wäre es fatal, ohne dass ich irgendjemandem die Schuld dazu geben möchte, wenn das jetzt endete. Die Causa Gurlitt hat gezeigt, wie eng doch teilweise Raubkunst und Entartete Kunst zusammen spielen. Denn in diesem Sammlungsbestand gibt’s eben beides."
Die Forschungsstelle hat in den zwölf Jahren ihres Bestehens eine der wichtigsten Datenbanken zur Provenienzforschung aufgebaut, die von Wissenschaftlern, Anwälten und Museumsleuten international genutzt wird. Diese Datenbank ist seit Wochen nicht mehr erreichbar, beklagte Zuschlag. Die Wartung und der technische Support könnten mangels Finanzierung nicht mehr durchgeführt werden.
In der Datenbank finden sich vor allem Informationen über das Schicksal der Kunst der Moderne – rund 16.000 Werke von Otto Dix bis Oskar Kokoschka, die 1937 von den Nationalsozialisten deutschen Museen zwangsentzogen wurden. Sie wurden zum Teil in der Ausstellung "Entartete Kunst" als abschreckende Beispiele gezeigt und danach zum Teil vernichtet oder ins Ausland verscherbelt. Darunter auch Bilder jüdischer Privatsammlungen, die ihren Besitzern abgepresst und über den Kunsthandel an Museen gegangen waren.
Die Lehrveranstaltungen der Forschungsstelle drohen nun mitten im Semester abzubrechen, klagt Projektkoordinatorin Maike Hoffmann.
"Die Lehre, die ich seit dem Sommersemester 2011 mit vielen Kollegen aus dem Arbeitskreis Provenienzforschung bestreite, ehrenamtlich! Diese Lehraufträge habe ich unterschrieben, ohne Honorar dafür zu beziehen, wie meine Kollegen auch, natürlich nur vor dem Hintergrund, dass ich ein regelmäßiges Einkommen habe. Das heißt, wenn alles aufhört, kann ich auch die Lehre nicht einfach so mit leeren Taschen weiterführen."
Die am Wochenende in Berlin tagende Konferenz "Kulturgutverluste", an der die führenden Experten zum Thema Provenienzforschung und Restitution von Raubkunst teilnahmen, richtete einen dringenden Appell an die Politik, die Forschungsstelle zu erhalten.
Das Thema Provenienzforschung, das durch den Fall Gurlitt verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt war, werde in den kommenden Jahren eine Mammutaufgabe für Museen und Archive bleiben, sagte Uwe Schneede, Leiter des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste in Magdeburg. Die Forschungsstelle Entartete Kunst leiste dafür einen wichtigen Beitrag.
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