Provenienzforschung

Berliner Museen ringen um Transparenz

Ein Kameramann filmt das Kunstwerk "Deshalb" (Merzbild 356, 1921) von Kurt Schwitters am 07.07.2014 auf einer Pressekonferenz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin.
Insgesamt waren bei einem Forschungsprojekt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 450 Bilder systematisch auf ihre Geschichte während der Nazizeit hin untersucht worden. © dpa picture alliance/ Daniel Naupold
Von Carsten Probst · 07.07.2014
Mehr als drei Jahre haben zwei Forscherinnen 450 Dauerleihgaben der staatlichen Berliner Museen auf ihre Herkunft überprüft. Bei drei Werken müssen sie weiter forschen. Ausgerechnet dazu hatten die Verantwortlichen auf der Pressekonferenz kaum Informationen.
Die Staatlichen Museen Berlin verstehen sich als Spitze bei der Provenienz. Nach Jahrzehnten der Untätigkeit soll heute nun niemand mehr zweifeln am ernsten Willen der Museen, mit dem man sich der epochalen Aufgabe widmet, die eigenen Sammlungen auf mögliche Funde von NS-Raubkunst hin zu untersuchen. Größtmögliche Transparenz - diese Forderung wiederholt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wieder und wieder und meint damit nicht allein die Staatlichen Museen Berlin, sondern als Appell auch alle anderen Museen in Deutschland:
"Die Grundhaltung der SPK ist seit vielen Jahren hier völlig eindeutig: Wir wollen in unseren Häusern und in unseren Sammlungen keine Kunstwerke, die belastet sind, die nicht rechtmäßig in die Sammlungen gelangt sind."
Keine Frage soll offen, kein Schatten auf den eigenen Sammlungen bleiben. In diesem Fall geht es um Werke von besonderem öffentlichen Interesse, insgesamt 450 Gemälde und Skulpturen der klassischen Moderne aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie, die nach dem Krieg, in den fünfziger und sechziger Jahren, vom Land Berlin angekauft und unter anderem den Staatlichen Museen zu Berlin als Dauerleihgaben überlassen wurden.
Stiftung Preußischer Kulturbesitz bemüht sich sichtbar um Transparenz
Über drei Jahre haben zwei Provenienzforscherinnen eben diese 450 Dauerleihgaben überprüft, was aus verschiedenen Gründen überaus schwierig war. Der Kunsthandel der 50er und 60er Jahre in Westberlin und dem Rheinland, aus dem diese Werke bezogen wurden, ist bis heute kaum wissenschaftlich erforscht. Oft sich auch nur noch sehr wenige Unterlagen erhalten, so dass sich mitunter nicht mehr sagen lässt, woher diese Kunsthändler die Werke damals bezogen haben, ob diese Werke, die im Dritten Reich zweifellos als "entartet" geführt worden wären, beispielsweise über dunkle Quellen von autorisierten Nazi-Kunsthändlern in die Bundesrepublik hinübergerettet und dann verkauft wurden. Nun aber kann Hermann Parzinger verkünden:
"Das Ergebnis ist für uns erfreulich. Denn der überwiegende Großteil der Werke, also 85 Prozent, 366 von 450, sind eindeutig nicht verfolgungsbedingt belastet. Drei Werke, dort gibt es Anhaltspunkte für eine verfolgungsbedingte Belastung, da wird man sehen, wie man damit umgehen muss, weil die Spuren sich derzeit nicht weiter verfolgen lassen und man hier Zuarbeit von außen braucht. Und dann gibt es 61 Werke, bei denen nicht ganz klar ist, ob ein verfolgungsbedingter Zusammenhang besteht oder auch nicht."
Man kann der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht vorwerfen, sich keine Mühe zu geben mit der Kommunikation ihrer Anliegen. Drei der untersuchten Werke sind sogar eigens aufgebaut, um der versammelten Presse noch anschaulicher zu machen, wie Provenienzrecherche denn nun eigentlich funktioniert. Doch als in der anschließenden Fragerunde nach den drei anderen Werken gefragt wird, die Stiftungspräsident Parzinger ja selbst als belastet bezeichnet hatte, trifft das die Vertreter der Staatlichen Museen offenkundig unvorbereitet:
Liane Rybczyk: "Das kann ich jetzt im Moment nicht, nee, das tut mir leid. Sind Gemälde. Das kann man dann in der Publikation im Detail nachlesen."
Antwortet schließlich eine Verwaltungsjuristin des Landes Berlin und fügt sicherheitshalber hinzu:
"Die Publikation wird Ende 2015 erscheinen, in Buchform und Online."
Trotz bester Absichten: Öffentlichkeitsarbeit fällt schwer
Vernehmliches Aufraunen im Auditorium. Da wird eigens eine Pressekonferenz einberufen, und es werden nicht einmal die drei brisanten Fälle benannt, die die Provenienzrecherche herausgefunden hat?
Reporter: "Es gibt bestimmt gute Gründe dafür, aber vielleicht können sie uns die Gründe nennen, weshalb Sie die Identität der Bilder hier jetzt nicht nennen möchten."
Liane Rybczyk: "Sehen Sie es mir nach, ich bin Juristin, keine Kunsthistorikerin, ich hab das jetzt im Moment einfach nicht präsent."
Dann hektisches Treiben bei den Vertretern der Staatlichen Museen, minutenlanges Wühlen in Akten, bis Verwaltungsjuristin Frau Kathmann und nicht etwa die beauftragten Provenienzforscherinnen, mit deutlich erkennbarem Unwillen die drei als belastet bezeichneten Werke verliest:
"Ich les' Ihnen jetzt aus dem Bericht vor. Das ist einmal Max Slevogt, Don Juans Begegnung mit dem Steinernen Gast, 1906 entstanden, ein Werk Öl auf Pappe. Der zweite Max Slevogt trägt den Titel: Simson zerbricht die Säulen des Tempels, auch 1906/1907 entstanden, auch Öl auf Pappe. Und Franz Marc, Zwei badende Frauen, 1909, Tempera auf Karton."
So hat man nun also die Titel. Keine weiteren Informationen zur Recherche, zu Maßnahmen der Restitution, das wäre nun wirklich zuviel verlangt von der Öffentlichkeit.
An solchen Veranstaltungen wird deutlich, welche Probleme die Museen immer noch und immer wieder mit der Kommunikation ihrer eigenen Bestandsforschungen haben. Beste Absichten hin oder her. Man spürt geradezu physisch, wie schwer ihnen die selbst auferlegte Transparenz fällt.