Protestkultur

Tanz den Aktivisten

Blockupy-Demonstration gegen die Politik der Europäischen Zentralbank am 22.11.2014 in Frankfurt am Main.
Blockupy-Demonstration gegen die Politik der Europäischen Zentralbank am 22.11.2014 in Frankfurt am Main. © picture alliance / dpa / Foto: Boris Roessler
Von Klaus Walter · 24.11.2014
Ob Bolschewistische Kapelle oder Zeckenrap - auch die Blockupy-Bewegung, die regelmäßig in Frankfurt gegen die Finanzindustrie demonstriert, hat ihr eigenes Kulturprogramm: das Blockupy-Festival.
"Keine Macht für Niemand", der Politrock-Evergreen von Ton Steine Scherben, Jahrgang 1972, hier in einer Blasmusik-Variante zum Mitschunkeln. Im Kommunikationszentrum auf dem alten Campus der Frankfurter Uni lieferten sich in den Siebzigern schon Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer Redeschlachten im Namen des "Revolutionären Kampfes".
Am Samstagabend steigt hier ein Teil des Blockupy-Kulturprogramms, Bini Adamczak liest aus ihrem Buch "Kommunismus für Kinder", der Saal ist gut gefüllt, Leute von 15 bis 75, auch Katja Kipping ist gekommen, die Chefin der Linkspartei demonstriert Basisnähe. "Keine Macht für Niemand"…
Autor: "Von wem ist diese Version?"
DJane: "Von der Bolschewistischen Kurkapelle."
Bolschewistische Kurkapelle, aha. Die Lap-Top-Auflegerin setzt auf traditionelles Liedgut in etwas anderem Gewand. Der Sound von Blockupy kommt an diesem Samstagabend ziemlich abgehangen daher. Wo ist eigentlich die Pop-Linke?
"Es gibt Pop, der Momente von Empowerment hat, es gibt natürlich auch Pop, der reaktionär ist, man muss das differenziert betrachten. Eine generell feindliche Haltung gegenüber Pop als Mainstream finde ich zu kurz gegriffen und ich finde es wichtig, dass man sich genau anguckt, welche Bedeutungen im Pop verhandelt werden und welche ausgeschlossen werden."
Vom Solidaritätslied zu Lady Gaga
Sagt Mello, Nachname unwichtig. Mello ist Aktivistin bei der Gruppe Nitribitt, Frankfurter Ökonomien, die an diesem Abend das Blockupy-Kulturprogramm im Frankfurter KOZ ausrichtet. Und welcher Pop hat solche Momente von Empowerment?
"Lady Gaga, teilweise auch Beyoncé."
Vom Solidaritätslied zu Lady Gaga, ein weites Feld. Thomas Seibert ist seit Jahrzehnten als linker Aktivist unterwegs, der Philosoph vertritt Medico International im Rat von Attac.
"Die Blockupy-Linke ist schon eine Fusion von klassischer Linker und Pop-Linker. Die kommen heute beide aus einer Krise, die Krise der Pop-Kultur und die Krise des Aktivismus, beide sind noch nicht abgeschlossen, aber bei beiden ist es nicht mehr so schlimm, wie es mal war, es sind Erfindungen gemacht worden."
Gesinnung vor Sound: die Instrumentalisierung von Kultur, von Musik das war lange sehr viel mehr als bloß eine Kinderkrankheit der Linken. Ist es damit wirklich vorbei? Szenenwechsel:
"Ich glaube, dass man bei Blockupy und bei der Linken im Allgemein nicht von einer Instrumentalisierung der Musik sprechen kann. Ich finde den Begriff Instrumentalisierung von Musik durch die Linke insgesamt schwierig, weil ich glaube, dass Musik erst durch die Aneignung etwas Widerständiges bekommen kann."
Sagt Aaron Bruckmiller, Mitte 20, Sprecher von Blockupy.
Aus dem Keller dröhnt HipHop
Wir unterhalten uns im Backstage-Raum der Blockupy Party im Klapperfeld. Das ehemalige Polizeigefängnis in der Innenstadt ist seit 2009 ein selbstverwaltetes linkes Zentrum. Durch die engen Flure des verwinkelten Gebäudes drängen sich ein paar Hundert Leute, deutlich jünger als an der alten Uni, aus dem Keller dröhnt HipHop.
Der Rapper Spezial K bringt die Leute in Stimmung, nach ihm spielen TickTickBoom.
"TickTickBoom ist ja im Umfeld der linken Szene unterwegs und zählt sich selbst dazu, wir haben linke Bands angefragt und so ist wie immer bei uns aus dem produktiven Chaos ein Programm entstanden."
"Wissen wer die Zecken sind“, der Hit von TickTickBoom.
Kobito (TickTickBoom): "Zeckenrap war ursprünglich eine Beleidigung, die Leute sagten, das ist politisch indoktirinierte Musik, das ist bloß ein gerappter Demo-Flyer und nicht mehr. Das war das Vorurteil und wir wurden das Vorurteil nicht los, also haben wir uns gedacht, wir greifen dieses Wort, drehen es um und nutzen es zu unserem eigenen Empowerment, ein in HipHop-Kreisen bekannter Vorgang."
Penismackertum bekämpfen, Homohass in die Tonne schmeißen, gegen Stammtisch, Nazis und Antisemiten, es gibt viel zu tun für die Zecken-Rapper von TickTickBoom.
"Mein Name ist Refpolk, ich bin von TickTickBoom, einem politischen HipHop-Kollektiv. Ich denke, dass Rap die zeitgemäße politische Musik ist, wenn wir uns die Revolutionen in Nordfrika anschauen, da hat Rap eine große Rolle gespielt."
Dieser Blick auf Afrika unterscheidet TickTickBoom fundamental von den Campinos und Lindenbergs, die Afrika mit Weihnachtsschnulzen vor Ebola retten wollen. Fundamental ist allerdings auch der Unterschied in Sachen Reichweite. TickTickBoom – das ist eine von vielen Stimmen einer äußerst heterogenen Blockupy-Linken, die außerhalb der eigenen Milieus kaum gehört werden.
Mehr zum Thema