Protest gegen Netflix-Kampagne

Warum man mit zerhackten Fingern nicht werben darf

Ein zerstückelter Finger in Form einer Curry-Wurst ist am 21.02.2017 in Berlin auf dem Werbeplakat des US-amerikanischen Unternehmens Netflix am Potsdamer Platz zu sehen. Damit macht der Streamingdienst Werbung für seine neue Zombie-Serie "Santa Clarita Diet". Die unterschiedlichen Plakate stoßen allerdings nicht überall auf Begeisterung. Aufgrund einiger Beschwerden beim Werberat hat Netflix einige Banner wieder abgehängt.
Ein zerstückelter Finger in Form einer Curry-Wurst ist in Berlin auf einem Werbeplakat des US-amerikanischen Unternehmens Netflix zu sehen. © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Mirko Derpmann im Gespräch mit Gesa Ufer · 21.02.2017
Netflix hat Motive einer umstrittenen Kampagne abgehängt: Der Streamingdienst plakatierte zerhackte Finger in Currywurst-Optik für eine Zombie-Serie. Der Werber Mirko Derpmann kann die Beschwerden schockierter Menschen und den Rückzug nachvollziehen.
Es waren teils riesige Plakate mit abgetrennten Fingern in Currywurst- oder Pommes-Optik. Mehrere Wochen lang zierten diese drastischen Motive die Werbeflächen in vielen deutschen Städten. Sie waren Teil einer Kampagne für eine neue schwarzhumorige Netflix-Serie, um eine Mutter, die plötzlich zur Kannibalin wird.
Nachdem ungefähr 50 Beschwerden beim deutschen Werberat eingegangen waren, hat Netflix die Werbung für "Santa Clarita Diet" jetzt wieder zurückgezogen. Ob Werbung mit geschnittenen Currywurst-Fingern verboten sein soll, hat Gesa Ufer für die Frage des Tages den Werber Mirko Derpmann gefragt.

Das Kannibalismus-Tabu berührt

Er sei ein- oder zweimal an einem solchen Plakat der Netflix-Kampagne vorbeigefahren, sagte Derpmann, der Kreativdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Berliner Werbeagentur Scholz & Friends ist:
"Ich habe aber überhaupt nicht gesehen, worum es eigentlich ging, weil man ja nur, wenn man den Fingernagel sieht, erkennt, dass es keine Currywurst ist."
Er selbst kenne den Zusammenhang zur Zombie-Serie, und könne deshalb auch den Witz in dem Werbemotiv erkennen, erläuterte Derpmann:
"Ich nehme einmal an, wenn man den Kontext nicht kennt, dann sieht man nur einen abgeschnittenen Finger, der verspeist werden soll."
Er könne durchaus nachvollziehen, dass viele Menschen das wiederum schockierend finden. Kannibalismus sei immerhin eines der stärksten gesellschaftlichen Tabus, so der Kreativdirektor:
"Wenn man dann nicht die ironische Brechung, die dann sicherlich in der Serie stattfindet, und den ganzen Kontext dazu kennt, speziell wenn man jetzt auch noch ein Kind ist, dann ist das natürlich eine sehr merkwürdige und verstörende Sache."

Aufmerksamkeit mit einem kalkulierten Schockeffekt

Dass man bei Netflix Dinge sehen kann, die anderswo so nicht zu sehen sind, habe man mit einem kalkulierten Schockeffekt vermittelt, beurteilte Derpmann den Erfolg der Kampagne. Der Streamingdienst könne ohne Weiteres damit leben, dass die Motive nicht bei jedermann gut angekommen sind:
"In diesem Fall hat die Berichterstattung über die angedrohte Rüge selbst und über das Zurückziehen der Werbung wesentlich mehr Öffentlichkeit erzeugt, als die Werbung vorher selbst."
(hum)
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