Protest gegen CCS

Das Scheitern einer Technologie

Umweltaktivisten von Greenpeace demonstrieren vor dem Bundesrat in Berlin gegen CO2-Endlager und die Kohlendioxid-Verpressung.
Umweltaktivisten von Greenpeace demonstrieren vor dem Bundesrat in Berlin gegen CO2-Endlager und die Kohlendioxid-Verpressung. © picture alliance / dpa
Von Philip Banse · 04.12.2014
Die CCS-Technologie, bei der CO2 abgeschieden und im Erdreich gespeichert wird, versprach klimaschonende Energiegewinnung. Allerdings verhinderten Bürgerinitiativen große CCS-Projekte. Eine Psychologin erforscht, wie es zur Ablehnung kam.
"Wir sind jetzt hier auf dem Speichergelände. Alles, was hier auf der Oberfläche ist, ist nur dafür da, dass die Forscher das Geschehen im Untergrund beobachten können."

In Ketzin, einem kleinen Ort in Brandenburg, südwestlich von Berlin, befindet sich Deutschlands einziger CO2-Testspeicher. Unter Leitung des Geoforschungszentrums Potsdam wird hier die CCS-Technologie erforscht. CCS steht für Carbon Dioxide Capture and Storage, also die Abscheidung von Co2 und dessen Speicherung im Erdreich. Diese Technik versprach, Kohle sauber zu machen, weil das CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern klimaschonend in den Boden gepresst wird. In Ketzin wurden gut 60.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid in den Boden gepresst.

"Über dem Speichergestein liegt ein dichtes Gestein und dieses Gestein dichtet den Speicher nach oben hin ab und verhindert, dass das CO2 nach oben aufsteigen kann."
Viele CCS-Projekte wurden nicht realisiert
Erklärt der Forschungsleiter der Ketziner Test-Anlage, Axel Liebscher. Mittlerweile wird das CO2 wieder aus dem Speicher gelassen, der Versuch geht zu Ende.
"Nach unseren Daten, die wir bisher haben, haben wir keine Hinweise, dass CO2 aus dem Speicher seitlich oder nach oben entwichen ist."

Doch diese Erkenntnis wird CCS nicht mehr retten. In Deutschland waren vier große CCS-Projekte geplant: zwei Industrielle der Energieriesen RWE und Vattenfall und zwei wissenschaftliche, u.a. das in Ketzin. Übrig geblieben ist nur Ketzin. Die anderen CCS-Projekte wurden nie realisiert – vor allem aufgrund von Bürgerprotesten.

"Wir finden erstmal diese Technologie unsinnig. Wir halten es für günstiger, dass wir in Erneuerbare Energien investieren und forschen. Das halte ich für eine sehr zukunftsträchtige Herausforderung. Viel besser, als wenn man Kohle, die größte CO2-Schleuder, sauber zu machen, in dem man versucht, CO2 in der Erde zu verpressen."

Vor allem gegen die industriellen CCS-Projekte haben Bürgerinitiativen Zehntausende Unterschriften gesammelt.

"Ich würde schon sagen, dass es in allen Fällen eine Rolle gespielt hat, insbesondere bei zwei von den Vorhaben auch eine große Rolle."
Echte Alternativen wurden missachtet
Die Psychologin Elisabeth Dütschke vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung hat am Beispiel der deutschen CCS-Projekte erforscht, welche gesellschaftlichen Faktoren dazu beitragen, dass technische Großprojekte hierzulande akzeptiert beziehungsweise abgelehnt werden. Mit dabei auch Prof. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Die Lehre aus dem Scheitern von CCS sei:
"Die Menschen dann einzubinden, wenn man wirklich noch eine Diskussion über Alternativen führen kann und nicht dann einzubinden, wenn es heißt hopp oder topp."
Bei einigen neueren Vorhaben wie dem Bau neuer Stromtrassen werde das versucht. Doch Einbinden bedeute nicht bloß: informieren, sagt die Psychologin Elisabeth Dütschke

"Es gibt Leute, die denken, man müsste das nur oft genug erklären, bis es die Leute dann endlich einsehen, aber das sind ja durchaus auch reale Bedenken, die da dahinter stehen oder auch Fragen, die man von Seiten der Geowissenschaften nicht alle beantworten kann. Es bleibt ja immer eine Unsicherheit. Und was da unsere Forderung wäre, ist dass die Leute auch gern mitentscheiden möchten."

Früh einbinden, über echte Alternativen bestimmen lassen – das sei auch bei der Energiewende missachtet worden, sagt Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut:

"Wir haben 2011 von der Bundesregierung die Entwicklung eines Energie- und Klimaschutzkonzeptes gesehen, was sehr ambitioniert ist. Dieses Konzept ist aber nie in der Breite diskutiert worden. Nicht mir der Gesellschaft und nicht mit den wichtigen Akteuren aus der Gesellschaft. Und ich glaube, dieser Prozess fehlt heute noch, weil wir nie so richtig darüber gesprochen haben, wie wollen wir denn diese Energiewende überhaupt umsetzen. Und weil wir nie auf dieser übergeordneten Ebene eine wirklich faire und offene Diskussion hatten, dass so eine Energiewende nicht gänzlich ohne Auswirkungen umzusetzen ist."
"Man hat das versucht, man ist gescheitert"
Dieses Versagen befeuere Bürgerprotest gegen neue Stromtrassen und CO2-Lagerstätten. Politiker fürchten oft: Wenn die Bürger zu viel mitreden dürfen, dauert es ewig Projekte umzusetzen. Dem hält Elisabeth Dütschke das Scheitern von CCS entgegen:

"Wir hatten da ja vier Vorhaben, von denen ja drei auch nicht zum Ende gekommen sind unter den gegeben Bedingungen. Also, auch wenn das erstmal so wirkt, als würde es das Ganze komplizierter machen, aber tatsächlich ist es jetzt ja auch nicht kompliziert."
Doch frühzeitige, ernsthafte Einbindung aller Beteiligten, echte Projekt-Alternativen – neue Partizipationsverfahren seien nicht nur angesagt, um einzelne Projekte durchzubringen, hat die Psychologin bei ihren Forschungen zu den missglückten CCS-Projekten festgestellt.

"Man hat das versucht, man ist gescheitert und man könnte denken, jetzt ist gut sozusagen wieder, aber ist es eben nicht. Da bleiben Konflikte zurück und wir haben in unseren Gesprächen immer wieder sehr, sehr große Zweifel am Funktionieren unserer Demokratie auftauchen, ein großes Misstrauen dem Staat gegenüber. Wir denken, dass man das nicht leichtfertig machen sollte, dass man dergleichen machen sollte, dass man solche Projekte auf Regionen einfach mal loslaufen lässt, weil ich denke, das wird in den Gegenden noch lange nachwirken."
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