Prostitution

Ein blühendes Geschäft

Prostituierte in den Straßen von Mexico City.
Prostituierte in den Straßen von Mexico City. © picture alliance / dpa / Jorge Rios Ponce
Von Anne-Katrin Mellmann  · 20.11.2013
In Mexiko schlagen Hilfsorganisationen Alarm: Der Handel mit Frauen und Kindern nimmt immer größere Ausmaße an, seit das organisierte Verbrechen im Land immer stärker verstrickt ist. Zwangsprostitution bringt viel Geld ein. Die Drogenkartelle haben das erkannt.
Der Arzt Hector Castillo erkundigt sich nach dem Befinden junger Prostituierter im heruntergekommenen Rotlichtbezirk von Ciudad Juárez. Sex gibt es überall, in allen Varianten, auch mit Kindern. Die Zuhälter erlauben Castillo hier zu arbeiten, weil er den Wert ihrer Ware erhält - die Gesundheit der Frauen und Mädchen. Der Arzt arbeitet tagsüber in einer Klinik. Den Prostituierten hilft er in seiner Freizeit, zahlt die Medikamente aus eigener Tasche. Kaum eine arbeite freiwillig hier, erklärt er:
"Sie bekommen schlechtes Essen, werden gezwungen so Sex zu haben, wie die Kunden ihn wünschen - auch in großen Gruppen, auch ohne Kondome. Sie werden als Sklavinnen gehalten. Sie dürfen nicht mal Wasser trinken, wenn ihre "Besitzer" das nicht wollen. Wie sollen sie sich an die Behörden wenden, eine Anzeige machen, wenn sie nicht einmal telefonieren dürfen?"
Sie dürften nicht raus aus diesem Viertel, würden bedroht und mit Drogen ruhiggestellt. Tausende Sexsklaven gebe es in Ciudad Juárez, schätzt der Arzt Castillo. Viele, die zur Prostitution gezwungen werden, sind minderjährig, wie die 17-jährige Esther. Ihr gelang die Flucht - leider ein Einzelfall:
"Ein Mann holte mich aus meinem Elternhaus, als ich zehn Jahre alt war. Er sagte mir, mein Vater hätte mich für 20.000 Pesos verkauft. Er nahm mich mit zu sich nach Hause und vergewaltigte mich. Dann musste ich in einer Bar mit Männern Sex haben und Drogen nehmen. Einige Männer schlugen mich. Dort arbeiteten viele Mädchen in meinem Alter, Mädchen zwischen acht und 15 Jahren."
Organisiertes Verbrechen
Von den Eltern verkauft für etwas mehr als 1000 Euro. Ähnliche Schicksale erleiden in Mexiko tausende Kinder. Manche werden verkauft, andere entführt und verschwinden für immer. Frauen und Mädchen aus einfachen Verhältnissen sind bevorzugte Opfer, auch schutzlose Migrantinnen aus Mittelamerika auf dem Weg in die USA. Das Geschäft ist in der Hand des organisierten Verbrechens, das wir in Europa meist nur als Drogenmafia kennen.
In ganz Mexiko, nicht nur in der Grenzstadt Ciudad Juárez, blüht der Frauen- und Kinderhandel. Die Behörden schauen zu. Und korrupte Polizisten sind an dem Geschäft beteiligt und kassieren kräftig ab. Die ehemalige Parlamentsabgeordnete Rosi Orozco kämpft gegen Menschenhandel. Der habe in den vergangenen Jahren zugenommen:
"Ein Kilo Drogen kann man nur ein Mal verkaufen, einen Menschen aber mehrmals. In wenigen Bundesstaaten gibt es bislang Verurteilungen wegen Frauenhandel. So ist es logisch, dass die Straffreiheit ausgenutzt wird, um in dem Geschäft hohe Gewinne zu machen."
Jahrelang hat sich Rosi Orozco für ein Gesetz gegen Menschenhandel engagiert. Jahrelang lag es auf Eis. Jetzt wurde es verabschiedet. Dadurch kann es für die Opfer bald staatliche Hilfe geben: Sicherheitshäuser sollen den Frauen und Mädchen die Flucht in die Freiheit ermöglichen. Die Täter jedoch - die Sklavenhalter des 21. Jahrhunderts - bleiben weiter im Dunkeln.
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