Projekt in Saarbrücken

Der Duft von Brebach für eine bessere Lebensqualität

Stadtteilmanager Manfred Hahn stellt am 31.05.2010 in Saarbrücken einen Minizerstäuber mit Parfüm vor, in dem der typische Gießereigeruch des Saarbrücker Stadtteils Brebach konserviert ist. "Brebacher Brise" heißt der Duft des Düsseldorfer Parfümeurs Frank Rittler, der auch an eine heiß gelaufene Zugbremse erinnert. Die ersten Exemplare konnten für zwei Euro aus einem ehemaligen Süßigkeitenautomaten gezogen werden.
Manfred Hahn stellt in Saarbrücken einen Minizerstäuber mit dem Parfüm aus Brebach vor. © picture alliance / dpa / Oliver Dietze
Von Tonia Koch · 19.08.2015
Seit 2001 wurde der Saarbrücker Stadtteil Brebach in das Förderprogramm des Bundes "Soziale Stadt" aufgenommen - vor zwei Jahren ist das Programm ausgelaufen. Neben vielen sozialen Projekten hat ein Parfumeur sogar den Duft des Viertels kreiert.
Im BürgerInnentreff des Saarbrücker Stadtteils Brebach ist immer was los. Während der Sommerferien stehen die älteren Herrschaften im Mittelpunkt. Blumengestecke werden gefertigt, es wird gehäkelt, gebastelt, genäht.
Hier liegt der Anteil der Bevölkerung mit ausländischen Wurzeln bei 41 Prozent. Viele der Zugewanderten sei es aus Italien, Portugal oder der Türkei wohnen weit mehr als 30 Jahre im Stadtteil. Sie sind mit ihm gealtert. Die Kinder sind aus dem Haus, der Treffpunkt füllt die Lücke.
Frauen: "Heute Mittag geht's weiter, morgen geht's weiter, die ganze Woche, ich find' das ideal. Vor allen Dingen, man sieht andere Leute und ist abgelenkt von den Wehwehchen. Zusammenleben ist gut. Dieses Jahr gehen wir nicht in Urlaub, mein Mann ist krank. Das klappt so schön. Montagnachmittag ist Frauentag, wenn ich Zeit habe, komm ich hier her."
Das Bürgerzentrum wird vom Diakonischen Werk geleitet und es hätte es vielleicht auch gegeben, ohne dass die Stadt Saarbrücken sich im Rahmen des Programms soziale Stadt finanziell engagiert hätte. Nur die Vielfalt des Angebotes, die wäre wohl ohne das städtische Engagement nicht darstellbar gewesen, ist Sozialarbeiterin Dagmar Schackmann überzeugt.
Schackmann: "Hier ist das Wohnzimmer praktisch von Brebach. Hier – sie sehen es ja- sind ganz viele Menschen die fühlen sich wohl, die fühlen sich geborgen. Und auch das was angestoßen worden ist und die Menschen, die über diese Arbeit zu uns gefunden haben und die wir jetzt weiter begleiten dürfen, das ist durch dieses Projekt entstanden."
Bisher hat sich einiges gebessert
2001 wurde der Saarbrücker Stadtteil in das Förderprogramm des Bundes erstmals aufgenommen. Allerdings nur ein Teil, denn Brebach gliedert sich in ein gut bürgerliches Areal und einen industriellen Kern, der von zwei Montanbetrieben umschlossen wird, erläutert Stefan Ortleb, Sozialarbeiter im Viertel anhand einer Luftbildaufnahme.
Ortleb: "Gut sehen kann man, dass Brebach wie ein Brötchen von 2 Seiten von großen Industriebetrieben eingeklemmt wird. Einmal hier: Halberg Rohr und einmal hier: Halberg Guss. Die einen machen Motorblöcke und die anderen Rohre für Wasserversorgung. Und Bautätigkeiten gibt es kaum, weil es so eingegrenzt ist von den Industriebetrieben und keine Möglichkeiten der Erweiterung hat. Und natürlich, die Belastung zwischen Wohnen und Arbeiten, die Industriebetriebe machen Dreck und Krach und der Lieferverkehr, das belastet natürlich auch den Stadtteil."
Die Wohnqualität sollte verbessert, das multikulturelle Zusammenleben gefördert und Räume geschaffen werden, damit die Menschen sich begegnen können. Für all diese Aufgaben bestimmte Saarbrücken einen Statteilmanager, Manfred Hahn. Neun Jahre, bis zum Auslaufen des Programmes vor knapp zwei Jahren hat er hier gewirkt. Es sei viel geschehen, sagt Hahn, der inzwischen nur noch einmal die Woche hier vorbeischaut. Wir machen uns auf Tour. Zunächst geht es in die Riesenstraße. Der Name ist irreführend, denn die Häuser kommen über zwei Stockwerke nicht hinaus. Viele sind herausgeputzt. Das schönste ist das Kinderhaus.
Hahn: "Das Haus erstrahlt ja richtig, sie sehen es, in ganz tollem Glanz. Dieses Haus ist im Rahmen des Fassadenprogramms restauriert und renoviert worden unter fachlicher Anleitung einer Architektin. Das Fassadenprogramm hat dazu geführt, dass im sozialen Stadtgebiet an die 20 Häuser fachgerecht saniert wurden."
Die privaten Eigner konnten mit städtischen Zuschüssen in Höhe von 20 bis 40 Prozent der Renovierungskosten rechnen. Am unteren Ende der Riesenstraße biegt ein neu angelegter Fußweg ab, er führt zu einem Spielplatz bei dem die Kinder von Anfang an das Sagen hatten, erinnert sich Hahn.
Hahn: "Man hat alle Kinder der Umgebung eingeladen und die interessierten Kinder haben zusammen mit städtischen Mitarbeitern sich dann verschiedene Kinderspielplätze im Stadtbereich angeschaut, also die haben eine richtige Bereisung gemacht und haben dann mit einer Profiwerkstatt aus Baden-Württemberg, die Kinderspielplätze baut, selbst mit Hand angelegt und diesen Platz hier gebaut."
Der Quartierplatz ist gelungen
Von den Kindern, die 2006 dabei waren, besucht keines mehr einen Spielplatz aber daran hängt es nicht, dass er heute verwaist ist. Drückende Hitze lastet auf dem Stadtteil. Nicht einmal die Kinder der nahe gelegenen Kindertagesstätte haben Lust, sich zu bewegen, sie suchen Schutz unter aufgespannten Sonnensegeln.
Szene Kindergarten: "Hallo, Tach, wollen wir mal reingehen und Hallo sagen?"
Die Erzieherin begrüßt den ehemaligen Stadtteilmanager freundlich.
Erzieherin: "Den Herrn Hahn trifft man immer noch in Brebach. Guten Tag... ."
Keine Frage, er kennt in Brebach alles und jeden.
Erzieherin: "Er war ja doch sehr präsent."
Manfred Hahn genießt es, er wäre gerne länger geblieben, draußen vor Ort könne man eben viel bewegen. Zwei Bänke laden zum Verweilen ein. Der Platz, ein ehedem verwilderter Garten der Pfarrkirche, gehört mit zu den Errungenschaften die das Gesicht des Stadtteils verändert haben.
Hahn: "Hier hinter der Kirche Maria Hilf, geschützt vor dem Verkehr da vorne, ist das ein wunderschöner Platz geworden, der sogar einen Preis der saarländischen Architektenkammer gewonnen hat."
Ja, der Quartiersplatz ist gelungen. Hier finden auch Feste und Veranstaltungen statt, aber die Bevölkerung nimmt ihn nicht an.
Hahn: "Wir hatten die Hoffnung, dass sich vielleicht eine Boule-Gruppe hier findet. Man kann Sachen initiieren, aber um dauerhaft erfolgreich zu sein, muss das aus der Bevölkerung selbst heraus kommen und das ist bislang nicht gelungen."
Andere Ideen, die der Stadtteilmanager entwickelt hat, haben gezündet. Die Brebacher Brise zum Beispiel.
Die beiden Hüttenbetriebe, ihre nicht immer wohlriechenden Prozessgase, die eine Bürgerinitiative ins Leben riefen, ein Zug, genauer gesagt, die Bremsscheibe eines ICE und die feine Nase eines Parfümeurs, das sind die Zutaten, die es brauchte, um die Brebacher Brise zu kreieren. Der Stadtteilmanager wollte auf ungewöhnliche Art und Weise Stellung beziehen zu einem schwelenden Konflikt um die Geruchsbelastung, die durch die Industriebetriebe verursacht wird.
Hahn: "Man muss bedenken, für viele ältere Brebacher ist das ein ganz, ganz heikles Thema, die sagen, ah, ich rieche überhaupt nichts und wenn sie es dann doch zugeben, dann sagen sie ja, aber, das ist der erste Arbeitgeber vor Ort."
Hahn verhandelt mit der Bahn über eine gebrauchte Bremsscheibe.
Hahn: "Mir war daran gelegen, dass ich diesen Geruch sozusagen in der Hand halte und ich habe dann über viele, viele Umwege die heiß gelaufene Bremsscheibe eines ICE-Zuges erwerben können. Die ist mir dann luftdicht verpackt zugeschickt worden und als ich das aufgemacht hatte, dachte ich, ja, das ist der Duft, das ist die Brebacher Brise."
Mit der Bremsschiebe unterm Arm macht er sich auf die Suche nach einem Parfümeur. In Düsseldorf wird er fündig
Hahn: "Der hat mir dann aus 36 verschiedenen Inhaltsstoffen in einer zweimonatigen Arbeit, umsonst, weil er das Projekt so interessant fand, einen kleinen Flacon geschickt, den habe ich in 125 Flacons abgefüllt und in einem ehemaligen Zigarettenautomat deponiert hatte, im Ortszentrum am Feuerwehrhaus. Das Ganze wurde publizistisch begleitet und hat dazu geführt, dass die Brebacher Brise innerhalb von 48 Stunden ausverkauft war."
Selbst zahlreiche ausländische Medien werden auf die skurrile Idee aufmerksam.
Hahn: "Das hat dazu geführt, dass ich Anfragen aus halb Europa bekam, von Saarländern, die in Dublin und Helsinki den Duft ihrer Kindheit noch einmal erschnuppern wollten".
Am Ende des Fördergebietes Soziale Stadt Brebach verläuft der Saarbach. Er wurde gesäubert. Entlang des Flusslaufes wurden Fahrrad - und Fußwege neu angelegt und die angrenzende Kleingartenanlage, die über Jahrzehnte im Besitz der Hütte war, wurde neu geordnet. Am Zaun hängt ein Schild.
Hahn: "Ah, Mitgliederversammlung 21. 8...."
An den Pflanzen erkennt man die Nationalität
Die Vereinsstrukturen müssen erst wachsen, nachdem sich jahrelang niemand so richtig um die Anlage gekümmert hat. Die Parzellen sehen ganz unterschiedlich aus, mal Rasen und viele Blumen, mal Obstbäume und Gemüse. Daran lasse sich die Nationalität erkennen.
Hahn: "Das ist ein deutscher Garten und hier nebenan, wo es die vielen, vielen Gemüsesorten gibt, das ist zu 90 Prozent ein türkischer Garten..."
Kemal Karakor, schließt das Gewächshaus auf.
Karakor: "Das ist Weißkohl, Auberginen, Paprika, schwarze Paprika, richtig scharf..."
Von alleine mache sich der Garten nicht.
Karakor: "Viel, viel Arbeit, jeden Tag eine Stunde..."
Ob Gärten, Spielplatz oder Stadtteilreff, das Programm soziale Stadt habe die Brebacher überzeugt, sagt Lothar Bach.
Bach: "Das war eine sehr nützliche Einrichtung und hat Brebach wirklich nach vorne gebracht."
Der Elektromeister gehörte zu einem fünfköpfigen-Gremium, das alljährlich für Klassenfahrten, Verschönerungen im Öffentlichen Raum, Sportveranstaltungen und Feste 10.000 Euro über einen sogenannten Verfügungsfonds frei vergeben durfte.
Bach: "Immer da wo es geklemmt hat, wir waren daran interessiert, den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen für diejenigen, die bedürftig waren, denn es war ja nicht viel Geld."
Im neu aufgelegten Förderprogramm des Bundes hat sich Saarbrücken mit einem anderen Stadtteil beworben. Eine zweite Bewerbung, etwa eine Weiterführung des Brebacher Projektes die sicherlich gute Aussichten hätte, kann die Stadt nicht mehr mitfinanzieren, ihr fehlt das Geld. Die hohe Verschuldung lässt die Ko-Finanzierung von Förderprogrammen des Bundes, des Landes oder der europäischen Union nicht mehr zu.
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