Produktionen mit kleinem Budget

Von Susanne Burg · 14.02.2012
Bei der Berlinale gibt es in der Sektion Forum auch amerikanische Independent-Filme, Produktionen, die nicht viel kosten, und mit weniger bekannten Namen. Aber auch hier sind Ausnahmefilme entstanden - wie "Francine", "Kid Thing" und "For Ellen".
Es wird wenig gesprochen in "Francine". Francine ist verstört, orientierungslos, entwurzelt. Sie hat im Gefängnis gesessen und versucht nun, in der nordamerikanischen Provinz wieder Fuß zu fassen. Aber ihre Versuche, Kontakt aufzubauen, scheitern. Alleine bei Tieren fühlt sie sich zu Hause. Der Zuschauer wird Zeuge einer langsamen psychologischen Abwärtsspirale. Francine wird immer einsamer, ihre Wohnung mit Dutzenden Tieren zunehmend vermüllter.

"Franince" ist ein Spielfilmdebüt mit kleinem Budget. Umso erstaunlicher, dass Melissa Leo die Hauptrolle spielt, sie ist schließlich alles andere als eine Unbekannte: Leo hat im vergangenen Jahr einen Oscar und einen Golden Globe für ihre Rolle in "The Fighter" bekommen. Gute Drehbücher können eben auch Stars überzeugen. Und Stars sind nicht ganz unwichtig bei dem Versuch, Geld zu bekommen. Obwohl es auch da keine Regel gibt.

So Yong Kim ist Regisseurin eines weiteren Independent-Films im Forum: "For Ellen". Die Geschichte eines unzuverlässigen Musikers, der viele Jahre getrennt von seiner Frau lebt, seine sechsjährige Tochter nie gesehen hat, bei der Scheidung dann aber doch ins Grübeln kommt, ob er auch weiterhin ein Leben ohne seine Tochter führen will.

Son Yong Kim: "”Es ist wirklich schwer geworden, Filme zu finanzieren. Wir hatten 18 Drehtage. Aber der Hauptdarsteller Paul wurde krank, sodass wir zwei Tage überhaupt nichts machen konnten. Ein großer Teil des Budgets ging in das Filmmaterial, weil ich auf 35 Millimeter drehen wollte. Das hat die Produzenten sehr nervös gemacht. Aber ich wollte das.""

Während in den letzten Jahren immer mehr amerikanische Independent-Filme versuchen, so auszusehen wie große Studioproduktionen, gehen diese drei Filme an den Rand der Gesellschaft und zwei davon in dysfunktionale Familien in der amerikanischen Provinz. "For Ellen" spielt in Massena im Bundesstaat New York, einem trostlosen und tristen ehemaligen Industriestädtchen.

Die prekäre Arbeitssituation hat auch die sozialen Gefüge aus den Angeln gehoben: Es ist eine Gesellschaft, in der die Väter entweder völlig abwesend oder unfähig sind. In "For Ellen" ist das aus der Perspektive des Vaters erzählt, in dem dritten Film "Kid-Thing" aus der eines zehnjährigen Mädchens.

In "Kid-Thing" ist überhaupt nichts mehr von einer familiären Struktur übrig geblieben. Annie zieht den ganzen Tag alleine durch die Gegend, schießt mit einer Paintball-Pistole auf tote Kühe, zerquetscht Würmer und ist alles in allem ein ziemlicher Satansbraten. Die Mutter ist ganz weg, der Vater ist arbeitslos und den ganzen Tag zugedröhnt. Den ersten Dialog zwischen Vater und Tochter gibt es nach einer halben Stunde im Film, als der Vater Annie zeigt, wie man Hühner hypnotisiert.

Das sei ein Beispiel für die unbedingte Liebe von Tieren, erklärt der Vater. Die Antwort der Tochter: Ich liebe dich nur dafür, dass du mein Ernährer bist.

Auch in "Kid-Thing" ist die Umgebung trostlos, die Häuser sind alle heruntergekommen, wenn auch in wunderschöner Natur gelegen. "Kid-Thing" spielt in Texas, der Heimat der Filmemacher David und Nathan Zellner.

David Zellner: "”Die Gegend bietet sich an, um Leute zu zeigen, die am Rande der Gesellschaft leben, sehr verloren und verlassen. Was auch immer der Vater für eine Geschichte hatte, mit ihm ging’s lange bergab und wahrscheinlich hat’s um ihn herum niemand mitbekommen.""

Die drei Filme sind beklemmende Bestandsaufnahmen eines Amerikas, für das weder die Gegenwart noch die Zukunft viel Gutes im Gepäck hat.


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