Pritzker-Architekturpreis

Drei Katalanen gegen die Globalisierung

Blick aus dem Eingang des Restaurants "Les Cols" in Olot. Photo by Hisao Suzuki
Blick aus dem Eingang des Restaurants "Les Cols" in Olot. © Pritzker Architecture Prize / Rafael Aranda, Carme Pigem and Ramon Vilalta / Foto: Hisao Suzuki
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 01.03.2017
Der bedeutende Pritzker-Preis geht an das spanische Architekten-Trio Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta. Weil ihre Gebäude vor allem in Katalonien stehen, sei die Auszeichnung ein politisches Statement für Regionalisierung, sagt der Architekturkritiker Nikolaus Bernau.
Eckhard Roelcke: Der wichtigste Architekturpreis weltweit, der Pritzker-Preis für Architektur, geht dieses Jahr an die drei spanischen Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta. Der Preis ist mit 100.000 Dollar dotiert und das aus dem Ort Olot in Katalonien stammende Trio arbeitet seit fast 30 Jahren zusammen. Der Stiftungspräsident, Tom Pritzker, sagte, die Jury würdige die, "emotionalen und auf Erfahrung beruhenden Bauten der Architekten". Was das konkret bedeutet, möchte ich nun mit unserem Architekturkritiker Nikolaus Bernau besprechen. Vor der Bewertung erst mal die Beschreibung: Was für Gebäude bauen diese Architekten Aranda, Pigem und Vilalta mit Emotionen?
Bernau: Sie bauen vor allem für die Öffentlichkeit. Es sind relativ wenig Privatbauten, es gibt auch ein Bürohaus mal in jüngster Zeit. Das ist ja noch – das klingt immer wieder so komisch, wenn man das sagt, das ist dann doch ein relativ junges Büro, obwohl sie 30 Jahre schon zusammen arbeiten. Es sind auch noch immer relativ junge Architekten, alle so um 1960 rum geboren, also jetzt so um die 55 Jahre herum. 55, 57, das heißt, die befinden sich immer noch im Aufstieg als Architekten.
Sie sind aber schon wirklich durch sämtliche Magazine durchgereicht worden, weil es – man kann den Begriff anders nicht nehmen, man kann nur sagen, poetische Architektur ist. Es ist ganz toll mit Materialien gearbeitet, so mit Eisen, mit – wie gehen wir mit dem direkten Kontakt zur Natur um. Es gibt zum Beispiel ein Restaurant, das ist eine große Hängebrücke, die führt einfach über den Garten rüber. Und da geht man unten durch und oben durch. Da ist gleichzeitig ein knallgoldener Raum drin. Oder dieses Bürohaus beispielsweise ist einfach aus rohem Stahl – ganz toll.

"Diese Bibliothek bricht alle Normen auf"

Roelcke: Sie kennen das aus der Beschreibung, aus der Literatur, aber Sie haben auch ein Gebäude direkt erlebt.
Bernau: Ich habe die Bibliothek in Barcelona erlebt. Das ist eine ganz kleine Bibliothek, die ist einfach in die Straßenfront reingemetert, könnte man fast sagen, ist einfach reingebaut, mit einem ganz großen Platz dahinter. Und da merkt man eben, die können nicht nur Außenfassaden, was ja immer wieder das Problem zeitgenössischer Architektur, dass die Innenräume so festgelegt wurden durch die Baunormen, dass man sich völlig auf die Außenfassaden konzentrieren muss, sondern die wissen auch, wie man mit den Baunormen spielt.
Eine Bibliothek ist ein sehr festgeschriebener Raum. Da weiß man ganz genau, wie die Regalabstände müssen, wie viel Raum die Kinder kriegen, wie viel Raum die Erwachsenen kriegen, wie groß die Toiletten sein müssen. Und diese Bibliothek bricht alle diese Normen auf. Sie halten sie natürlich ein, aber man geht da durch, es ist ein ganz lockeres, offenes Gefühl, und hat eine ganz neue Perspektive auf Barcelona. Barcelona ist ja so eine Quadratstadt. Überall gibt es Kanten, alles ist sehr fest. Und plötzlich hat man offene Blicke. Eigentlich nur durch das Haus durch. Es ist ganz klein, aber man hat trotzdem lange, offene Blicke auf ganz tolle Materialkombinationen. Immer sehr grob, sehr brutale Materialien auf den ersten Blick, die aber doch eben poetisch wirken.
Sant Antoni – Joan Oliver Library, Senior Citizens Center and Cándida Pérez Gardens, 2007, Barcelona, Spanien
Sant Antoni – Joan Oliver Library, Senior Citizens Center and Cándida Pérez Gardens, 2007, Barcelona, Spain © Pritzker Architecture Prize / Rafael Aranda, Carme Pigem and Ramon Vilalta / Foto: Hisao Suzuki
Roelcke: Die Beschreibung war schon voller Attribute, die das Ganze auch ein bisschen gewertet haben. Also Sie sind mit der Entscheidung dieser Jury dann auch zufrieden?

"In vielerlei Hinsicht eine politische Entscheidung"

Bernau: Auf jeden Fall ist ein Architekturbüro ausgesucht worden, das ganz große Klasse ist, das so große Klasse ist, dass man sich verzweifelt fragt, warum sie bloß in Katalonien gebaut haben. Sie haben ein oder zwei Projekte außerhalb gemacht. Es gibt zum Beispiel das Soulange-Museum in Frankreich. Das ist auch ein sehr dunkler Bau, ein sehr schwerer Bau, für diesen Maler der großen schwarzen Flächen ja durchaus angemessen. Auch ein Bau wieder mit Metall, sehr intim in die Landschaft eingefügt.
Aber sie haben sich doch im Wesentlichen in der Region betätigt, und das ist gleichzeitig das Problem: Denn warum soll ich eigentlich einen solchen internationalen Preis geben an ein Büro, das letztlich doch sehr regionalistisch ist.
Roelcke: Ein regional wirkendes Büro bedeutet also, diesem Büro dann diesen Preis zu geben, das bedeutet, das ist auch eine politische Entscheidung?
Bernau: Das ist in vielerlei Hinsicht eine politische Entscheidung. Das eine ist, Sie haben wieder, wie im letzten Jahr schon an Aravena, einen Chilenen, einen Preis an ein Büro gegeben, das sehr dezidiert darauf achtet, sie wollen mit der Gesellschaft zusammenarbeiten, die von ihren Bauten betroffen ist. Das ist nicht unbedingt der Normalfall.

"Ein Statement für Regionalismus"

Zaha Hadid beispielsweise war berühmt dafür, dass ihr die Gesellschaft, für die sie ihre Bauten baute, völlig egal war. Sie hat Kunst geschaffen. Gleichzeitig ist das aber jetzt ein Büro, im Unterschied zu Aravena, das wirklich Kunst machen will. Es sind Kunstwerke, die dort entstanden sind, die sehr kompliziert sind und sehr fein austariert sind. Und sehr charakteristisch ist, dass das Pritzker-Büro ein Foto freigegeben hat vom Büro dieses Büros. Da sitzen die drei zusammen an drei Tischen, gucken sich gegenseitig ständig in die Augen. Sie arbeiten offensichtlich sehr eng zusammen, und das seit 30 Jahren.
Ausgezeichnetes Architekten-Trio von links nach rechts: Rafael Aranda, Ramon Vilalta und Carme Pigem.
Ausgezeichnetes Architekten-Trio von links nach rechts: Rafael Aranda, Ramon Vilalta und Carme Pigem.© imago/Agencia EFE
Man muss sich schon gut verstehen. Und in dem ganzen Büro ist nicht ein einziger Computer zu sehen. Das ist ein Phänomen. Ich weiß gar nicht, wann ich so etwas das letzte Mal gesehen habe. Architekten arbeiten selbstverständlich wie alle Leute inzwischen mit Computern. Dort wird mit Hand gezeichnet. Das ist wunderschön. Und es ist natürlich ein Statement für Regionalismus. Ganz klar: Das ist ein katalanisches Büro, das in Katalonien arbeitet, von Katalanen geleitet wird, das katalonische sogar spricht durchweg offensichtlich. Das heißt, da geht es auch darum, zu sagen, hallo, diese große Welle des Internationalismus, der Globalisierung in Architektur, die hat zumindest auch eine Gegenbewegung.
Roelcke: Also eine Auszeichnung, eine Entscheidung mit Ausrufezeichen gewissermaßen.
Bernau: Auf jeden Fall mit Ausrufezeichen, bei der man aber eben auch die Nachfrage stellen muss, ist es richtig, ein junges Büro mit einem Ehrenpreis auszustatten, der eigentlich nur ganz alten Architekten gebührt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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