Pressefreiheit in der Türkei

Erdogan gegen die Journalisten

Demonstration der Hizmet-Bewegung am 15. Dezember 2014 in Istanbul
Protest der Hizmet-Bewegung am 15. Dezember 2014 in Istanbul, einen Tag nach dem die Polizei den Chefredakteur der Zeitung "Zaman" festgenommen hatte. © picture alliance / dpa / Foto: Sedat Suna
Von Ulrich Ziegler · 26.05.2015
Pressezensur, Festnahmen, Hausdurchsuchungen. Die türkische Regierung geht seit Monaten gegen regierungskritische Medien vor. Vor der richtungsweisenden Parlamentswahl am 7. Juni ist vor allem die auflagenstärkste Tageszeitung "Zaman" den Machthabern ein Dorn im Auge.
Fahrt zur Zentrale der Zaman-Redaktion in Istanbul. Der Taxifahrer redet ununterbrochen. Er schimpft über Staatspräsident Erdogan, über die ganzen Korruptionsaffären. Die regierende AKP kümmere sich nicht um die Armen, Erdogan denke nur an sich und seine Söhne. Mehmet Özcan, der als Journalist für die deutschsprachige Ausgabe der Tageszeitung Zaman in der Düsseldorfer Landesredaktion arbeitet, übersetzt freundlicherweise.
Heute will er der Zentrale in Istanbul einen Besuch abstatten. In der Einfangshalle, einem eleganten Stahl-Glas-Bau im Istanbuler Stadtteil Yenibosna, hängt über mehrere Stockwerke eine riesige Türkeifahne.
"Das muss auf jeden Fall dabei sein, weil die Regierung behauptet ja, das sind Türkeigegner, türkische Feinde, und deswegen präsentiert man das so stolz."

Als Türkeigegner will sich der Verlag keineswegs abstempeln lassen, kritisch berichten will er schon. Und vielleicht schützt große Türkeifahne ja vor ungebetenen Gästen.
Ausweis- und Taschenkontrollen sind obligatorisch. Erst wenn alles geprüft ist, öffnet sich das Drehkreuz am Eingang. Und erst dann erkennt der Besucher, links neben der Türkeifahne eine große Fotowand, auf der dutzende Mitarbeiter mit Protest-Plakaten zu sehen sind.

"Da steht: Wenn alle nicht reden, Zaman wird weiter reden. Und daneben: Das ist die Zeit, um der Zeitung Zaman Rückendeckung zu geben."
Aufgenommen wurde das Foto im vergangenen Dezember. Einige Tage nachdem ein großes Polizeiaufgebot in die Redaktionsräume eindrang und den Chefredakteur Ekrem Dumanli festnahm: "Er war in seinem Büro ganz oben, es war hier voll mit Menschen gewesen, die hier protestiert haben, Polizisten neben ihm, der Staatsanwalt neben ihm, so sind sie hier runtergekommen, und seitdem steht das hier."

Der Vorwurf: Chefredakteur Dumanli würde ein terroristisches Netzwerk betreiben. Als Beweis wurden ihm vor Gericht zwei Kommentare und ein Artikel aus dem Jahr 2009 vorgelegt: "Nach vier Tagen ist er wieder freigelassen worden, aber es wird noch gegen ihn ermittelt."
Kritikern öffentlich den Kampf angesagt
Für viele ist die Zeitung "Zaman", übersetzt "Zeit", die wichtigste liberalkonservative Stimme in der Türkei. Für Staatspräsident Erdogan ist sie ein Dorn im Auge. Dem Verlag werden enge Verbindungen zu dem moslemischen Prediger Fethullah Gülen nachgesagt. Im vergangenen Jahr hat Erdogan seinem ehemaligen politischen Weggefährten Gülen und seiner ganzen Bewegung öffentlich den Kampf angesagt, und diesen Kampf zu einer der Prioritäten des Staates erklärt.
Mehmet ist froh, dass er einen deutschen Pass hat. "Der schützt ihn und seine Familie", sagt er. Denn in letzter Zeit wurden Journalistenkollegen immer häufiger wegen angeblicher "Beleidigung des Staates" oder wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung angeklagt und verurteilt.
"Man wird wegen irgendwelcher absurden Sachen beschuldigt. Aber man sagt nicht offen: Du hast die Regierung kritisiert, deswegen wird gegen Dich ermittelt. Das sagen sie nicht. Also Erdogan möchte auf alle Fälle, dass man ihn nicht kritisiert."
Und das bekommt auch die in Deutschland erscheinende Ausgabe zu spüren, erzählt Mehmet.
"Weil in Deutschland ganz viele türkische Firmen Angst haben uns Werbeanzeigen zu geben, weil die haben ja auch Investitionen in der Türkei. Die bekommen ja direkt Telefonate von Regierungsbehörden."

"Wenn erstmals ein Inserent wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt wird, wird es niemand mehr wagen dort zu inserieren“
, erklärte der britische Türkei-Experte Gareth Jenkins kürzlich gegenüber der Frankfurter Rundschau.
Ungeliebte Zeitung langsam erdrosseln
Jenkins glaubt, dass Erdogan auch Zaman, die von ihm so ungeliebte Zeitung, langsam aber sicher ökonomisch erdrosseln will. Und so gleicht es fast einem Wunder, dass Zaman noch täglich erscheinen kann.
"Aber auf der anderen Seite werden unsere Journalisten zu Regierungspressekonferenzen nicht eingeladen, in öffentliche Gebäude dürfen wir nicht mehr rein, unsere Journalisten dürfen da nicht rein."

Sollte Erdogan und seine regierende AKP bei den Parlamentswahlen am 7. Juni die Zweidrittelmehrheit erlangen, kommen noch schwerere Zeiten auf den Verlag zu.

"Also Erdogan möchte auf alle Fälle, dass man ihn nicht kritisiert. Er möchte ein Ein-Mann-Verhältnis haben in der Türkei. Ganz viele Minister sind ja verwickelt in eine der größten Korruptionsaffären in der Türkei. Und er möchte das nicht im Vordergrund haben. Er möchte das am liebsten total wegschaffen. Das schafft er aber nicht, weil kritische Medien immer mit dabei sind. Und das stört ihn so sehr. Er möchte eine Regierung haben, die seinen Posten für immer sichert, das ist seine Art und Weise."
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