Präsidentschaftswahl in Österreich

Wie sich Intellektuelle für Van der Bellen engagieren

Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer (r.) und der künftige Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l) sitzen das erste Mal zusammen.
Alexander Van der Bellen © picture-alliance / dpa/epa/Christian Bruna
Von Günter Kaindlstorfer · 22.11.2016
André Heller, Christine Nöstlinger oder Christoph Waltz - sie alle unterstützen im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf den grünen Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen. Dieser tritt gegen den Rechtspopulisten Norbert Hofer an - zum dritten Mal. Ob der Promi-Faktor Van der Bellen helfen wird, wird sich nach dem 4. Dezember zeigen.
Geht es nach den politischen Präferenzen von Österreichs Künstlern, Schriftstellerinnen, Philosophinnen und Musikern, ist der Ausgang der Wahl am 4. Dezember klar: Alexander van der Bellen, der soignierte grüne Wirtschaftsprofessor, wird mit gewaltigem Vorsprung gewinnen. In Van der Bellens Personenkomitee engagiert sich das Who is Who der österreichischen Kulturszene – von André Heller bis Christine Nöstlinger, von Christoph Waltz und Josef Hader bis hin zur Bestseller-Autorin Vea Kaiser. Auch der Kabarettist Werner Schneyder – jahrzehntelanger Bühnenpartner des großen Dieter Hildebrandt – rührt schon seit Wochen die Werbetrommel für die Wahl des grünen Liberalen Van der Bellen. Sein Motiv? Er wolle nicht, sagt Schneyer, dass die rechtsradikale FPÖ an die Schalthebel der Republik kommt.
Werner Schneyder: "Mich motiviert die große Angst, die ich um mein Heimatland Österreich habe. Das klingt jetzt geschwollen, aber ohne eine gewisse Pathetik kann man es nicht sagen. Wenn diese Gesinnung, diese politische Grundhaltung ans Ruder kommt, dann sind Weichen gestellt, die mir Angst machen."

Angst vor sozialpolitischer Apartheid

Als Wahlkampf-Akteurin sieht sich auch die Wiener Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Auf ihrer Homepage veröffentlicht die kämpferische Feministin seit einigen Monaten einen satirischen "Wahlkampfroman" in Fortsetzungen. Kommen die Rechtsradikalen ans Ruder, befürchtet Streeruwitz die Einführung einer sozialpolitischen Apartheid. Soziale Grundrechte, so sieht es ein Konzept der Freiheitlichen Partei vor, sollen dann nämlich nur noch für Österreicher und EU-Bürger gelten.
Marlene Streeruwitz: "Ich sehe, dass wir hier an einem ganz bestimmten Punkt stehen, fast an einem Kreuzweg: Es geht um die Frage, ob wir weiter eine Demokratie der Gleichen haben werden, oder ob wir eine Staatsform bekommen, der es nicht um Gleichheit geht. Das wäre dann eine Staatsform, die in hierarchischen Kaskaden etwas Anderes wieder herstellen wird. Und das ist genau der Punkt, der politisch so etwas wie eine neue Gründungsstunde sein wird."

Meinungsforscher halten sich zurück

Ähnliche Befürchtungen hegt der Essayist und Autor Armin Thurnher, Herausgeber der angesehenen Wiener Wochenzeitung "Falter". "Ach, Österreich", so heißt ein Buch, das Thurnher pünktlich zur anstehenden Präsidentenwahl herausgegeben hat. Im Moment kann niemand vorhersagen, wie der Urnengang am 4. Dezember ausgehen wird. Die Meinungsforscher – zuletzt oft die Blamierten – halten sich mit Prognosen offensiv zurück. Klar ist nur: Ein Wahlsieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer ist absolut im Bereich des Möglichen. Eine Perspektive, die Armin Thurnher Entsetzensschauer über den Rücken jagt:
"Meine These ist: Österreich könnte die Farce sein, die der Tragödie vorangeht. In diesem Land – das halte ich für möglich – könnte ein Paradigmenwechsel vonstattengehen, der die Aufmerksamkeit Europas verdient. In Österreich könnte eine Rechte an die Macht kommen, die man mit gewissem Recht als faschistisch bezeichnen kann, zumindest in Teilen, und das nicht in einem neuen EU-Beitrittsland, sondern in einem Staat, den man doch zum altgedienten demokratischen Westen rechnet."

"Faschist mit deutschnationalen Wurzeln"

Nach außen hin, meint Armin Thurnher, gibt Norbert Hofer sich als Softie mit angenehmen Umgangsformen. Dahiner verberge sich allerdings ein beinharter rechter Machtpolitiker. Wie viele FPÖ-Granden ist auch Hofer Mitglied einer völkisch-deutschnationalen Burschenschaft, in seinem Fall der "Marko-Germania Pinkafeld", einer rechtsradikalen Formation, die Österreich auch ein dreiviertel Jahrhundert nach dem "Anschluss" an Hitler-Deutschland als Teil des "deutschen Vaterlandes" sieht:
Armin Thurnher: "In Wahrheit ist er meiner Meinung nach ein Faschist mit deutschnationalen Wurzeln, der sich umgibt mit rechtsextremen Mitarbeitern und eine starke Renationalisierung Österreichs anstrebt, ein Bündnis möglicherweise auch mit den reaktionären Nachbarstaaten."

Wirkt sich Trumps Wahlsieg aus?

Und der überraschende Wahlsieg Donald Trumps in den USA? Wird er sich auf die Wahl in Österreich auswirken? Der Kabarettist Werner Schneyder hofft darauf, jedenfalls in seinem Sinn.
Werner Schneyder: "Ich hoffe, dass sich die Leute zu fürchten beginnen. Und dass die Erkenntnis Platz greift, bei den Sozialdemokraten und ähnlichen Gruppierungen, dass man den Rechten nicht den freien Raum überlassen darf, den die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Abgehängten und Eliten ihnen lässt. Diese Kluft darf nicht so groß werden, dass Rechtspopulisten sagen können: Wir werden das ändern. Die haben damit nichts zu tun."
Denn das, so Werner Schneyder, können sie nicht. Österreich jedenfalls stehen noch eineinhalb Wochen schmutziger Wahlkampf bevor. Ob das Engagement der Künstler und Intellektuellen diesen Wahlkampf maßgeblich beeinflussen wird? In den USA hatte Hillary Clinton praktisch die gesamte Kulturprominenz hinter sich. Was es geholfen hat, ist bekannt.
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