Präsident in spe vor Gericht

Von Gesine Dornblüth · 18.07.2013
Er will Präsident Russlands werden, aber vorerst kandidiert er für den Bürgermeisterposten in Moskau: Aleksej Nawalny. Doch seine politische Zukunft könnte enden, bevor sie richtig begonnen hat. Nawalny steht seit drei Monaten vor Gericht. In wenigen Stunden fällt das Urteil.
Nawalnyj ist Kremlkritiker, Blogger, Kämpfer gegen Korruption und einer der Anführer der Protestbewegung. In Kirow, etwa tausend Kilometer nordöstlich von Moskau steht er vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Veruntreuung vor. Nach Ansicht vieler Beobachter handelt es sich um einen politischen Prozess. In wenigen Stunden fällt das Urteil.

Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift: "Verändere Russland, fang mit Moskau an". Sie sind jung und erfolgreich. Und sie rufen "Nawalny ist unser Bürgermeister". Aleksej Nawalny, Kämpfer gegen Korruption und prominenter Kremlkritiker, hat seinen Wahlkampf um den Posten des Bürgermeisters von Moskau bereits begonnen:

"Ich möchte der erste Kandidat werden, der sich ausschließlich auf Freiwillige stützt. Jeder einzelne Helfer ist nur deshalb dabei, weil er Veränderungen im Land will. Wir werden diese Veränderungen erreichen. Ich bin überzeugt, wir machen einen tollen Wahlkampf. Unabhängig davon, was am 18. Juli passiert."

Heute, am 18. Juli, fällt das Urteil im Strafprozess gegen Aleksej Nawalny. Eventuell muss der Wahlkampf danach ohne ihn weiter gehen. Denn wer in Russland rechtskräftig verurteilt ist, dem sind politische Ämter verwehrt. Der Staatsanwalt wirft Nawalny Veruntreuung vor. Er soll vor vier Jahren einen staatlichen Forstbetrieb in der Provinzstadt Kirow dazu gebracht haben, Holz weit unter dem Marktpreis zu verkaufen - vorsätzlich. Damit soll er dem Staat einen Schaden in Höhe von umgerechnet etwa 400.000 Euro zugefügt haben. Der Staatsanwalt hat sechs Jahre Lagerhaft für Nawalny gefordert.

Das Verfahren gilt als politisch motiviert. Vor allem, weil ein anderes Gericht den Fall 2010 schon mal eingestellt hatte, weil kein Schaden vorlag. Im vergangenen Jahr dann, Nawalny war mittlerweile zu einer Führungsfigur der Protestbewegung geworden, kramten Ermittler die Sache wieder hervor, obwohl es keine neuen Erkenntnisse gab. Wiktor, Geschichtsstudent, einer von Nawalny freiwilligen Wahlhelfern:

"Nawalny hat sich von einer kleinen zu einer großen Figur verwandelt. Putin handelt nach den Prinzipien des Geheimdienstes, wie in der Sowjetunion, und er schreckt vor nichts mehr zurück. Deshalb ist jedes Urteil möglich. Eben weil Aleksej eine so wichtige politische Figur im heutigen Russland geworden ist."

Bekannt geworden war Nawalynj zunächst mit Aktionen gegen Korruption. Seit Jahren spüren er und seine Mitstreiter korrupte Beamte und Behörden auf. Sie verbreiten die Informationen auf Internetseiten wie zum Beispiel dem beliebten Blog "Rospil" und reichen Klagen gegen die Steuersünder ein. Das kommt an. Die IT-Beraterin Galina:

"Er tut was. Er kennt die Gesetze. Er arbeitet viel, um Korruption ans Licht zu bringen. Und das ganze führt zu Ergebnissen. Er wendet dafür viel Zeit und Kraft auf."

Politisch allerdings ist Nawalny umstritten. Er hat mit rechtsextremen Nationalisten zusammengearbeitet. Gerade Liberalen ist er deshalb verdächtig. Dass der 37-Jährige überhaupt zur Bürgermeisterwahl zugelassen wurde, verdankt er seinen politischen Gegnern. Denn jeder Kandidat muss eine bestimmte Zahl von Unterschriften aktueller Abgeordneter des Stadtparlaments vorweisen.

Für Nawalny unterschrieben auch die Abgeordneten von "Einiges Russland", der Regierungspartei, für die er den Namen "Partei der Gauner und Diebe" erfand. Für Kreml-Astrologen gibt es dafür nur eine Erklärung: Die Wahlen sollten frei und fair aussehen, dabei stehe längst fest, dass Nawalny verurteilt wird und sowieso nicht Bürgermeister werden kann. Auch Nawalny selbst geht davon aus. Und macht trotzdem Wahlkampf bis zum Schluss:

"Ich werde Bürgermeister. Die Stadt braucht einen Kandidaten der Bürger, keinen, der von der Präsidentenadministration benannt wurde."