Post-Tarifverhandlungen

Streik gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Tausende streikende Postmitarbeiter stehen mit Transparenten und Schildern auf einem Platz. Auf zwei der Banner steht "Verdi - Unbefristed - Entfristungen jetzt!" und "Gewinne rauf, Löhne runter - Ihr spinnt wohl!".
Im Ausstand: die Beschäftigten der Post © Markus Scholz/dpa
Von Anke Petermann · 04.07.2015
Vertreter der Deutschen Post und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verhandeln wieder. Im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr geht es um die 49 Delivery-Tochtergesellschaften, die nicht den Haustarif zahlen – und damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Konzern schaffen.
Seit 25 Jahren arbeitet Thilo Erhard bei der Deutschen Post / DHL Group, vormals schlicht Bundespost. Seit fast vier Wochen streikt der Paketzusteller. Stellvertretend für seine bislang befristet beschäftigten Kollegen im Paketzentrum Mainz-Saulheim, bekennt er. Denen unterbreitet die Post zum Auslaufen der alten neue, unbefristete Verträge – für einen schlechter bezahlten Job in der Delivery GmbH.
Sich die Mainzer Post-Tochterfirma anzuschauen – derzeit unmöglich, bedauert ein Pressesprecher. Die Delivery-Kräfte bräuchten jede Sekunde, um die Arbeit der streikenden Konzern-Beschäftigten mit zu erledigen. Wie es seit April in Saulheim aussieht, beschreibt Thilo Erhard so:
"Die Halle ist praktisch in zwei Seiten geteilt. Auf der einen Seite arbeitet Delivery, auf der anderen Seite an den Toren arbeiten wir. Und es ist eine Nebenher-Arbeiterei, aber zu verschiedenen Konditionen. Wir machen ja genau die gleiche Arbeit. Es ist genau die gleiche Arbeit und die kriegen 20 Prozent weniger Geld dafür. Das ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die wir hier bei der Post haben."
Der Konzern expandiert, will weiter Arbeitsplätze im boomenden Paketsektor schaffen – aber gleichzeitig Personalkosten sparen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Millionen in mechanisierte Zustellzentren zu investieren. Die Personalkosten lägen in der Paketzustellung doppelt so hoch wie bei Wettbewerbern, teilt die Post mit.
Kritik an Rendite-Erwartungen
Tatsächlich zahlen kleinere Konkurrenten teilweise schlechter als die neue Delivery-Tochter. Dort liegen die Einstiegslöhne bei zehn, elf Euro, je nach Region. Dennoch schimpfen Bundespolitiker fraktionsübergreifend auf die Post. Dass ein Unternehmen mit Bundesbeteiligung "Vorreiter der Tarifflucht" sei, bezeichnet SPD-Chef Sigmar Gabriel als "skandalös". Sein Genosse Alexander Schweitzer, Fraktionschef im Mainzer Landtag, hält die Kritik für angebracht,
"weil ich fürchte, dass das Vorgehen der Deutschen Post-AG falsches Vorbild werden kann für viele große Unternehmen, denen es gut geht, und die für die Zukunft Rendite-Erwartungen haben, die vielleicht zu hoch angesetzt sind, und die sie nur erreichen können, wenn sie Beschäftigte aus Tarifverträgen rausdrängen."
Mit 21 Prozent ist der Bund Großaktionär bei der Deutschen Post / DHL. Deren Rendite trage mit dazu bei, den Staatshaushalt zu sanieren, konstatiert Schweitzer. Deshalb müssten die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat klar machen,
"dass man womöglich Rendite-Erwartungen von acht Prozent aufsteigend in den nächsten Jahren korrigieren muss."
Sorgen bei älteren Beschäftigten
Vom komfortablen Post-Haustarif runter aufs sparsame Logistik-Niveau - bisher traf das rund 4.000 bislang befristet Angestellte bundesweit. 2.000 Neueinsteiger akzeptierten zudem die Delivery-Konditionen. Sorgen machen sich nun die Festangestellten im Post-Konzern. Wie Toni Katzenberger, der seit 35 Jahren in Ludwigshafen arbeitet, derzeit für rund 15 Euro Stundenlohn.
"Es kann jeden von uns erwischen. Es kann den erwischen, der am meisten kostet, das sind wir ganz Alten: Wir haben die höchste Gruppierung bei der Deutschen Post. Und wer heute kommt und sagt, ihm kann nix passieren, der schläft entweder noch immer oder er hat vom ganze System nichts kapiert. Ich geh mit auf die Straße, um auch meine Zukunft zu sichern."
Vom kommenden Jahr an könnten betriebsbedingte Änderungskündigungen wieder möglich werden. Droht dann noch mehr Beschäftigten oder ganzen Zustellbezirken, aus dem Haustarif verdrängt zu werden? "Die 130.000 unbefristeten Tarifbeschäftigten bleiben AG-Mitarbeiter" – verspricht die Post, und: "Am Lohn ändert sich nichts".Die Ausgründungen aber seien unverhandelbar. Delivery müsse zurück in den Konzern, samt Haus-Tarif, kontern Verdi und die Zusteller. Und haben angekündigt, bis dahin weiter zu streiken.
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