Portugal-Reise: Merkel muss sich auf unfreundlichen Empfang gefasst machen

12.11.2012
Der normale Bürger in Portugal verstehe nicht, warum Sparauflagen und Milliardenhilfen zusammenhingen, sagt der portugiesische Abgeordnete Michael Seufert von der konservativen Volkspartei "Centro Democrático e Social”. Unfairerweise würde daher die deutsche Kanzlerin Merkel mit der Lage im Land in Verbindung gebracht.
Jan-Christoph Kitzler: Mal ganz abgesehen von den Popularitätswerten bei uns in Deutschland – man kann gerade nicht behaupten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade zu den beliebten Politikern in Europa zählt. Das konnte man Anfang Oktober in Griechenland sehen: Als die Kanzlerin zu Gast war in Athen, gab es heftige Proteste, und das könnte sich heute in Lissabon wiederholen.

Der Besuch Merkels in Portugals Hauptstadt soll einer der besten bewachten Besuche eines ausländischen Politikers seit Jahren sein. Die Portugiesen leiden unter den harten Sparauflagen, die die Bedingung waren für die Milliardensummen aus dem Euro-Rettungsfonds.

Darüber habe ich mit Michael Seufert gesprochen. Er ist Abgeordneter im portugiesischen Parlament für die rechtskonservative Volkspartei Centro Democratico e Social, die in der Regierungskoalition ist, und er hat, wie unschwer zu hören ist, deutsche Wurzeln. Michael Seufert, auf was für einen Empfang muss sich denn die Bundeskanzlerin einstellen?

Michael Seufert: Ja, Sie werden es wissen: Wir haben im Moment ein sehr starkes Sparpaket, das heißt, der Staat geht zurück in seinen Ausgaben. Da sind auch die Sozialausgaben davon betroffen. Und auf der anderen Seite gehen auch, leider, muss ich sagen, die Steuern auf allen Ebenen hoch. Und die Leute verbinden das natürlich mit dem Sparprogramm von der Troika.

Und da, muss man sagen, ist unfairerweise, darf ich so sagen, ist die Bundeskanzlerin jemand, den die Leute damit ganz logisch in Verbindung bringen. Und so wird die Bundeskanzlerin das auch zu spüren bekommen. Sie wird Demonstrationen haben, die sie empfangen werden. Sie wird wahrscheinlich Plakate auf den Straßen sehen, die ihr nicht so gefallen. Ich glaube nicht, dass es gewalttätig werden wird, aber die Leute werden zeigen, dass diese Politik ihnen im Moment nicht gefällt.

Kitzler: Die Bundeskanzlerin ist also, kann man vielleicht sagen, so eine Art Projektionsfläche für einen Sparkurs ohne wenn und aber, oder?

Seufert: Ja, die Leute projizieren das ganz genau auf die Bundeskanzlerin. Und es ist eigenartig – natürlich, sie wissen es – das Programm wird vom Internationalen Währungsfonds, von der Europäischen Zentralbank und von der Kommission getragen, aber in den letzten Monaten wird oft die Bundeskanzlerin und die deutsche Regierung damit in Verbindung gebracht.

Kitzler: 78 Milliarden hat Portugal im letzten Jahr aus dem Euro-Rettungsfonds bekommen. Gibt es eigentlich nur wenig Verständnis dafür, dass es so viel Geld nur gegen Auflagen gibt?

Seufert: Ja, also, wenn Sie zwei, drei Leute fragen, kriegen sie zwei, drei verschiedene Antworten. Ich sage mal so: Der normale Bürger versteht diese Verbindung zwischen Sparauflagen und Milliardenpaket nicht wirklich. Das ist der Fall. Natürlich, im Parlament und in der Koalition ist es für uns selbstverständlich, dass man für 78 Milliarden Euro, das ist die Hälfte unseres Bruttoinlandsprodukts, dass man dafür natürlich sparen muss, wenn man auch wieder einen Aufschwung haben möchte, das heißt, wenn man wieder normal an die Märkte möchte. Weil vor eineinhalb Jahren war es dann wirklich so, dass die damalige Regierung wirklich keine Finanzierung mehr an den Märkten gefunden hat. Aber für den Otto Normalbürger ist es wirklich so, dass die gleichen Leute, die diese Finanzierung aufrechterhalten, auf der anderen Seite die Buhmänner sind, weil sie diese Auflagen stellen.

Kitzler: Portugal hat ja auch viel Lob bekommen für das Reformprogramm, für den Sparkurs und dafür, dass die Verschuldung sehr stark gedrückt wurde. Jetzt gibt es aber natürlich Proteste dagegen. Kann denn das Land, Ihr Land, den Reformkurs angesichts dieser starken Proteste überhaupt so umsetzen, wie er geplant ist?

Seufert: Ja, also, das ist eine Frage, die man sich hier oft stellt, und von der Opposition kommen natürlich immer wieder Rufe nach mehr Zeit oder niedrigeren Zinsen oder beides zusammen. In der Regierungsmehrheit ist die Frage hier oft, ob wir nicht stärker Einschnitte in den Ausgaben finden könnten.

Aber ob das Programm jetzt durchgezogen wird oder nicht, die Frage ist natürlich eine Frage, die in den Sternen steht, aber ich sage mal so: Von dem, was ich heute im Moment sehe, muss ich natürlich davon ausgehen, dass das Programm auch weiter durchgezogen wird.

Vor allem, weil die Frage ist auch nicht, ob das Programm durchgezogen wird, sondern vielmehr, was wäre die Alternative? Und die Alternative, ohne Finanzierung, ohne Neuverschuldung und so weiter, die wäre viel, viel stärker und viel, viel intensiver und viel, viel schlimmer für alle Beteiligten. Deswegen, also, ob mit mehr Zeit, mit weniger Zinsen und so weiter, ob es dann da Alternativen gibt, das ist keine Frage, aber dass das Programm letzten Endes durchgezogen wird, das finde ich, steht auch nicht zur Debatte.

Kitzler: Das, was die Menschen am meisten spüren, sind ja wahrscheinlich die steigenden Arbeitslosenzahlen, inzwischen über 15 Prozent. Das heißt ja auch, mit dem Sparkurs wird die Wirtschaft abgewürgt, Arbeitsplätze gehen verloren. Auf welcher Seite stehen Sie denn jetzt: Braucht Portugal mehr Zeit für die Reformen?

Seufert: Na ja, wie gesagt, die Alternative, und zwar kein Sparpaket, aber auch keine internationale Finanzierung, das heißt, man würde den Haushalt sofort auf null Prozent Defizit herunterschrauben müssen, die wäre ja noch viel schlimmer. Natürlich ist es wahr, dass, wenn der Staat weniger ausgibt, dass die Wirtschaft zunächst auch darunter leidet. Aber wenn wir auf die nächsten Jahre und auf die nächsten zehn oder 20 Jahre schauen, dann zeichnet sich unserer Meinung nach dann auch eine bessere Entwicklung ab.

Sie wissen, in den letzten Jahre ist es auch nicht – auch in Deutschland mal so gewesen, dass die Defizite einfach in die Höhe schnellten, und wir hatten wir hatten halt 2009, 2010 zehn Prozent, acht Prozent Haushaltsdefizit, und das war auf Dauer nicht finanzierbar. Und das heißt, wir stehen weiter hinter diesem Finanzierungspaket. Wir finden schon, wenn der Internationale Währungsfonds zum Beispiel sagt, ja gut, aber vielleicht geht es dann doch zu schwer auf die Wirtschaft, dann sollte auch der Internationale Währungsfonds in seinen Kalkulationen das mit einbeziehen, und vielleicht sollte die Regierung politisch dazu hingehen und sagen, okay, vielleicht müssten wir das hier besser aushandeln.

Aber Sie wissen, wir bekommen so alle drei, vier Monate hier eine Delegation der Troika, und die Sachen werden ausbalanciert. Und die nächste steht in ein paar Wochen an, und dann kann man das vielleicht auch mit einbeziehen.

Kitzler: Wenn alles normal läuft, dann wird erst 2015 wieder neu gewählt in Portugal. Wie groß ist denn eigentlich die Sorge in der Regierungskoalition, zu der auch Ihre Partei gehört, dass die Regierung doch nicht vielleicht so fest im Sattel sitzt, dass die Proteste so groß werden, dass die Koalition möglicherweise zerfällt?

Seufert: Also die inneren Spannungen, die jede Koalition mitmacht, sind natürlich in so einer Situation stärker als normal. Aber ich glaube, im Sinne des Landes, und wenn wir so ein bisschen einen patriotischen Kurs einschlagen müssen, dann müssen wir sagen, wir müssen das durchziehen bis zu den nächsten Wahlen. Weil eine Neuwahl und ein Problem der Kredibilität würde für Portugal natürlich viel schlimmer ausschauen. Das heißt, dass wir manchmal nicht ganz einer Meinung sind, ist auch, glaube ich, normal in einer Koalition, aber die Schwierigkeiten, die sollte man überbrücken, wenn die Alternative ein mittleres Chaos ist.

Kitzler: Wie groß ist eigentlich der Druck auf Sie persönlich? Sind Sie mit Ihrem deutschen Namen, mit Ihrem perfekten Deutsch, eigentlich dazu verdammt, auch immer die deutsche Position des harten Sparens zu vertreten?

Seufert: Nein. Gott sei Dank muss ich nicht erleben, dass die Leute spezifisch dadurch, dass ich aus einer deutschen Familie komme, dass das ein Problem ist, aber natürlich, man wird ein bisschen aufgezogen, aber das ist ganz normal.

Kitzler: Das war Michael Seufert, Abgeordneter im portugiesischen Parlament für die rechtskonservative Volkspartei Centro Democratico e Social. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, einen schönen Tag!

Seufert: Einen schönen Tag auch an Sie!


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