Porträt

Vom Sport inspiriert

Eckhard Nagel ist ärztlicher Direktor des Uniklinikums Essen, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, Transplantationschirurg und Mitglied des Deutschen Ethikrates. Aufnahme vom 18.03.2012 in Köln.
Eckhard Nagel ist ärztlicher Direktor des Uniklinikums Essen, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, Transplantationschirurg und Mitglied des Deutschen Ethikrates. © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Von Hanns Ostermann · 12.10.2014
Eckard Nagel kickte als Jugendlicher in der Dritte Liga und finanzierte sich mit Fußball sein Studium in den USA. Heute schwört der Chirurg auf tägliche Gymnastik und kritisiert die hohe Belastung der Athleten im Spitzensport.
Professor Eckhard Nagel macht einen zwar ernsten, aber aufgeräumten Eindruck, als wir uns in der Mittagspause des Nationalen Ethikrates treffen. Mit täglicher Meditation und gezielter Gymnastik beginnt er den Tag, erzählt er. Für ihn seien die 30, 40 Minuten am frühen Morgen das Rezept, den vielfältigen Anforderungen des Alltags zu genügen.
"Wenn man sich mal an eine solche Bewegungsübung gewöhnt hat, dann hat man sofort ein Defizitgefühl, wenn man das aus welchen Gründen auch immer nicht machen kann, dann vermisst man es."
Nagel schaffte es als Jugendlicher mit seinem Verein, Preußen Hameln 07, immerhin in die damalige Dritte Liga. Später nutzte er sein Talent in den USA, als er dort sein Studium begann. Spieler wie Gerd Müller oder Franz Beckenbauer sollten damals den kommerziellen Fußball in den Staaten voran bringen. In ihrem Schatten war er als Libero und Mittelfeldspieler durchaus erfolgreich.
"Da konnte ich an meinem College, meiner Universität damit meine Studienkosten finanzieren. Das war hilfreich und hat mir auch Spaß gemacht."
Mannschaftssport schult Gemeinschaftssinn
Um die 10 000 Dollar waren das damals pro Jahr. Nicht eben wenig. Der Mannschaftssport ist für jeden Jugendlichen hilfreich, sagt er:
"Einmal, weil man sich einfügen und eine Position finden muss. Das ist nicht immer ganz einfach. Wenn man besonders gut ist, scheint das ja leicht zu sein. Aber dann sind die Erwartungshaltungen auch sehr hoch. Wenn man irgendwo im Mittelfeld ist, hat man das Gefühl, schaffe ich das überhaupt. Also eine Herausforderung, die einem im späteren Leben immer wieder begegnet. Und dann ist es wichtig zu erfahren, dass man nur als Gemeinschaft wirklich etwas erreichen kann."
Eckhard Nagel erkannte aber auch schon früh die Schattenseiten des bezahlten Fußballs und stellte fest.
"Dass die meisten von ihnen als Sportinvaliden mit Mitte 30 geendet sind."
Mit Anfang 20 schon zog er für sich selbst die Reißleine – er wollte lieber Chirurg werden.
Faszination des Sports leidet unter Kommerz
Am heutigen Fußballgeschäft kritisiert der Transplantationsmediziner die Vielzahl der Spiele und Wettbewerbe. Die Dauerbelastung für die Athleten, die wirtschaftlichen Interessen seien viel zu groß. Lange gut gehen könne das nicht, glaubt er:
"Das hängt davon ab, wie lange die Zuschauer, wie lange sie das konsumieren. In dem Moment, wo die Leistungsfähigkeit abbricht, wo der Spaß an der Show vorbei ist, bricht auch das Geschäft ein. Ich persönlich glaube, das kann man beim Radfahren gut nachvollziehen, dass die Faszination eines Sportes unter dem Erfolgsdruck, unter dem Kommerz enorm leidet. Das gilt ja für alle gesellschaftlichen Bereiche: Wenn das Vertrauen in die eigene persönliche Leistungsfähigkeit des Athleten weg ist, verliert der Sport an Bedeutung ... und insofern ist das an eine Welle, die bis zu einem bestimmten Punkt geht und dann bricht."
Die Frage ist nur, wann die Welle bricht. Sind nicht viele bei uns an dem Erfolg um jeden Preis, an Medaillenspiegel und Rekorden interessiert? Eckhard Nagel, der auch in Philosophie promoviert hat, ist da skeptisch:
"Und diese Welle bricht sich jetzt und das wird auch nicht dadurch aufgehalten, dass man wieder ein Jahr ganz viele Medaillen gewinnt, diese Ernüchterung ist schon in der Bevölkerung angekommen. Das trifft nicht den lokalen Sportverein oder den Lieblings-Fußball-Verein, aber solche Großereignisse wie Olympische Spiele schon."