Porträt

Künstlerin zwischen Orient und Okzident

Adnan Maral (l.) und Idil Üner in einer Szene des Films "Einmal Hans mit scharfer Soße".
Adnan Maral (l.) und Idil Üner in einer Szene des Films "Einmal Hans mit scharfer Soße". © picture alliance / dpa
Von Bernd Sobolla  · 08.06.2014
In der Multi-Kulti-Komödie "Einmal Hans mit scharfer Soße" spielt Idil Üner die Tochter einer türkischen Familie, deren Vater sie unbedingt verheiraten will. Doch Hatice hat weder Lust auf einen deutschen noch auf einen türkischen Mann. Ein Porträt der Frau hinter der Rolle.
"Was machen wir hier eigentlich? Was ist das?"
"Vaterrock. Ich ziehe meinen Vaterrock an, wenn ich zu meinen Eltern fahre. Dann habe ich meine Ruhe. Ich weiß, es sieht furchtbar aus."
"Das sieht total gut aus. Könntest Du öfter mal tragen. Steht dir."
"Soll ich mir noch ein Kopftuch aufsetzen und einen Meter hinter dir laufen?"
Idil Üner, alias Hatice, steigt aus ihrem Minirock aus und streift die Maxiversion über. Das gefällt ihrem deutschen Freund, einem Türkeifan, derartig gut, dass daraus ein Streit entbrennt, der zur Trennung führt. Und schon haben wir das Problem! Denn Hatices Vater will, dass sie endlich heiratet. Und auch Hatices Schwester Fatma drängt darauf. Denn nach der Familientradition muss erst die ältere Tochter heiraten.
"Ich bin schwanger. Baba darf das nicht erfahren. Cem und ich, wir wollen heiraten. Wir müssen heiraten, sofort. Hättest Du Baba Stefan vorgestellt, dann hätte ich Baba überreden können. Dann hätten wir eine Doppelhochzeit feiern können."
"Wir haben uns getrennt, das war es."
"Dann müssen wir ein Mann für dich finden."
Im Film ist sie zwischen Türken und Deutschen hin- und hergerissen
Ein schwieriges Unterfangen. Denn Hatice mag keine türkischen Männer – zu unzuverlässig, besitzergreifend und eifersüchtig. Aber den deutschen fehlt das Feuer. Dass die 42-jährige Idil Üner eine solche Rolle erst jetzt bekommt, verwundert fast. Denn eigentlich begann ihre Karriere schon ganz früh.
"Als ich sechs oder sieben war, da war ich zum ersten Mal in meinem Leben im Theater. Es war, glaube ich, das Hansa-Theater, Oliver Twist wurde da aufgeführt. Danach kamen die Schauspieler von der Bühne runter und wurden mit Blumen beschenkt. Und das war für mich so unfassbar. Diese Welt, die da entstanden ist, das war wie ein Traum. Ich war eigentlich ein schüchternes Kind, aber ich bin durch diesen Riesentheatersaal bis zur Bühne gelaufen und habe gefragt: Darf ich mitspielen? Und ich durfte tatsächlich beim nächsten Stück mit proben. Es war Peterchens Mondfahrt. Da habe ich ein paar Proben mitgemacht. Einen Stern habe ich da gespielt, der sich putzt, damit er schön glänzt am Himmel."
Wichtige Begegnung mit Fatih Akin
Das Feuer ist entbrannt, und gegen Ende ihrer Schulzeit steht sie bereits regelmäßig im türkischen Berliner Theater Tiyatrom auf der Bühne. Nach dem Abitur studiert Idil Üner zwischen 1992 und 96 Schauspiel an der Berliner Hochschule der Künste. Parallel dazu dreht sie eine vierteilige Fernsehserie, bei der sie Fatih Akin kennenlernt. Sie stellen ein Teenagerpaar dar, das sich in einer Theater-AG engagiert.
"Und dann hat es auch sofort gefunkt. Also wir sind seitdem ziemlich gut befreundet. Da hat er mir schon die damalige Version von "Kurz und schmerzlos" in die Hand gedrückt. Und dann kam es 97 zum Dreh."
"Kurz und schmerzlos" wird Fatih Akins Debütfilm, in dem Idil Üner die Freundin eines Kiezganoven spielt, die dessen Abdriften in die Unterwelt nicht ertragen kann. Fortan spielt sie auch in den nächsten Filmen von Akin mit. In "Gegen die Wand" zum Beispiel singt sie in der Band vor dem Hintergrund Istanbuls.
Doch Idil Üner ist keineswegs "nur" Schauspielerin.
"Absolut nicht, nein. Ich saß eines Tages in einem Cafe in Istanbul, 98, und plötzlich hatte ich eine Idee, habe Papier und Stift rausgeholt und habe eine Story runter geschrieben. Also ein Drehbuch runter geschrieben. Ohne Plan, ohne Absicht, ohne Ziel, ohne vorherige Vorbereitung. Es ist mir einfach eingefallen."
Gewinnerin des Deutschen Kurzfilmpreises in Gold
Aus der Idee wird 2001 der Kurzfilm "Die Liebenden vom Hotel von Osman" ihr Filmregie-Debüt, in dem sie selbst mit Fatih Akin die Hauptrolle spielt und mit dem sie den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold gewinnt. Zugleich ist es für Idil Üner der Übergang ins Regiefach, den sie im Theater weiter verfolgt. Im Tiyatrom Theater inszeniert sie "Hysteria" von Terry Johnson, das fiktive Zusammentreffen von Sigmund Freud und Salvator Dali und "Norway Today", ein Stück über zwei lebensmüde Menschen, die sich im Internet kennenlernen. Daraufhin lädt Sermin Langhoff, die Leiterin des Berliner Ballhauses in der Naunynstraße, Idil Üner zum Theaterfestival ein.
"In dem Rahmen haben wir "Berlin Arabesque" gespielt. Das war so eine Ensemblearbeit. Wo wir deutsches romantisches Liedgut mit türkischem Arabesque Liedgut fusioniert haben und da so eine ziemlich trashige Geschichte erzählt haben. Das war so ein halbes Musical."
Es folgen die Komödien "Funk is not dead" und "Welcome back Mr. McDonald" und in diesem Jahr ein Recherchestück, wie es Idil Üner nennt.
"Also ich hatte ein Thema, nämlich bestehend aus zwei Wörtern: "Türkische Männer". Ich wollte wissen, wer diese Typen sind, von denen wir meinen, alles zu wissen und auch beurteilen zu können. Und vor allem verurteilen zu können. Also das Bild in den Medien von türkischen Männern ist katastrophal, ist nur negativ. Und ich dachte, irgendwie kann das nicht sein. Ein ganz ruhiger, ernster, aber sehr berührender Abend, der fünf Laien auf der Bühne hat. Also echte türkische Männer, die authentisch aus ihrem Leben erzählen. Wir haben einen Musiker, der immer wieder versucht, mit denen den Erlkönig zu üben."
Der neue Film rüttelt an den Klischees
Weniger ernsthaft wirkt dagegen natürlich "Einmal Hans mit scharfer Soße". Dennoch unterhält der Film nicht nur, sondern er rüttelt auch an den Bildern, die wir von Familientraditionen, Kennenlernritualen und Männern haben – ob deutsch oder türkisch. Und Idil Üner wandelt mit traumwandlerischer Sicherheit auch hier zwischen Orient und Okzident.
"Hallo?"
"Hallo! Ah, du bist da. Das ist schön. Warum rufst du denn an?"
"Na ja, ich warte im Auto auf dich."
"Und warum steigst du nicht aus dem Auto und läutest? Klemmt deine Tür?"
"Ne."
"Dann fahr doch gleich wieder nach Hause, ja!? Dummer Mann!"