Porträt

Der stille Widerständler

Bleilettern stehen im Museum für Druckkunst Leipzig (Sachsen) in einem Setzkasten
Von Berlin-Wilmersdorf aus fälschte Huth mit seiner Druckerpresse Dokumente und Buttermarken. © dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt
Von Peter Kaiser · 15.08.2014
Oskar Huth war nicht nur Grafiker, Trinker und Bohemien, sondern auch ein Kämpfer gegen das NS-Regime. Untergetauchten half er mit gefälschten Papieren aus.
Martin Düspohl: "Es heißt ja immer, die Berliner teilen sich in drei verschiedene Gruppen: Das sind die, die Oskar kennen oder gekannt haben. Das sind die, die ihn nicht kennen. Und das sind die, die behaupten ihn zu kennen oder gekannt zu haben."
Die, die sich an diesem heißen Juliabend zur "Geisterstunde" im Berliner Friedrichshain-Kreuzberg-Museum am Kottbusser Tor zusammengefunden haben, suchen nicht nach Séancen oder übersinnlichen Begegnung. Es sind meist ältere menschen, manche weit über die 80 Jahre, und sie gedenken eines Mannes, wie es ihn kaum ein zweites Mal gibt: dem Lebenskünstler- und NS-Widerständler Oskar Huth. Was war er für ein Mensch?
Sigurd Kuschnerus: "Ein sehr Nachdenklicher, Humorvoller und Hochbegabter, den leider der Krieg ein bisschen aus der Bahn geworfen hat."
Duchan Rosen: "- Aus der Zeit gefallen, eigentlich. Äußerlich ein etwas desolater Aristokrat."
Alf Trenk: "Er war ein Lebenskünstler, also im Krieg. Die Notwendigkeit, jetzt ständig darauf zu achten, dass er nicht erwischt wurde, sondern für andere ständig zu sorgen, das war ja eine Richtung, die dann wegfiel nach dem Krieg. Und da kam dann der freischaffende Trinker."
Kunst selbst wollte Oskar Huth nicht machen
1918 als Sohn eines thüringischen Orgelbauers in Berlin geboren, studierte Oskar Huth Freie Malerei und Drucktechniken. Kunst selbst wollte er nicht machen, ihm war die Berufsbezeichnung "Kunsttrinker" lieber. Als die Nazis an die Macht kamen, war deren brutales Auftreten Oskar Huth zutiefst zuwider, sagt Hartmut Topf, einer seiner Freunde während der "Geisterstunde". Doch mehr noch:
"Dass dann in der Schule Schulkameraden verschwinden mussten, und dass die Nazis einen fürchterlichen Reklameklamauk machten, der ihm überhaupt nicht gefallen konnte, ob das folkloristisch war, oder Uniform, oder militärisch. Er wollte mit dieser Firma nichts zu tun haben, und hat jede Gelegenheit gesucht, sich zu absentieren - mit Fälschungen, mit Tricks, mit Ausreden."
Dem Befehl zur Musterung entgeht er mit einer List. Er verschafft sich eine Art offizielles Arbeitsverhältnis als wissenschaftlicher Zeichner im Botanischen Institut des Botanischen Gartens und taucht in den Untergrund ab.
Doch Oskar Huth wartet nicht auf bessere Zeiten, sondern er handelt, hilft. Sechs Stunden lang schleppt er unter den Augen der Polizei im Frühjahr 1942 eine zentnerschwere Handpresse von Kreuzberg nach Wilmersdorf. Und fälscht im Keller der Dillenburger Straße 58f mit einer fast genialen Leichtigkeit Ausweispapiere, meist Entlassungsurkunden aus der Wehrmacht, oder Buttermarken.
Er fälschte Ausweispapiere - in einem Keller in Berlin-Wilmersdorf
Zu Fuß, oft im Bombenhagel, liefert er die Butter und die Papiere den Verfolgten und deren Unterstützern. Drei Monate vor Kriegsende wird er bei einer Razzia geschnappt. An das Verhör im Keller des ausgebombten Polizeipräsidiums am Alexanderplatz erinnert er sich später:
"Und dann fängt er mich an zu fragen, sagen Sie mal, Sie arbeiten als wissenschaftlicher Zeichner in der Veterinärmedizin? Und Sie halten sich für kriegswichtig? Sage ich: Sie, ich arbeite da. Und mir schoss durch den Kopf, dass die möglicherweise nicht ausreichende Telefonverbindung haben, denn ins Botanische Institut ist auch eine Bombe reingegangen. Da unterbricht der mich und sagt, das brauchen Sie mir nicht zu erzählen was kriegswichtig ist und was nicht, das wissen wir selber. Und die Papiere waren so, dass sie sich von irgendwoher mit ihren Informationen deckten, dass es immer noch da Spezialarbeiten gab."
Rosen: "Aber er hat nie Aufhebens von dieser Tatsache gemacht. Er selber hat das nie erwähnt."
Doch bekannt wird er als stiller Held dennoch. Günther Grass baut den genialen Fälscher Huth in seinen "Hundejahren" ein. In den Gedichten von Günther Bruno Fuchs wird er erwähnt, Hans-Magnus Enzensberger verewigt ihn.
Am 21. August 1991 stirbt Oskar Huth, inzwischen eine zentrale Figur über Jahrzehnte in der Kreuzberger Bohème. Doch noch immer reden sie in Kreuzberg von ihm, noch immer ist er irgendwie, irgendwo da, wie auch in der Kreuzberger "Geisterstunde". Auch wenn nur wenig Schriftliches von ihm hinterlassen wurde.
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