Pornografie

Kriminalisierter Alltag

Eine Fotografin vom Landeskriminalamt im brandenburgischen Eberswalde bearbeitet Einzelbilder von einer Videokamera von einem Fall, in dem es um Kinderpornographie geht.
In der Debatte um Kinderpornografie verlangen viele Politiker härtere Gesetze. © dpa / picture alliance
Von Gudula Geuther · 17.09.2014
Justizminister Heiko Maas hat eine Verschärfung des Strafrechts in Sachen Kinderpornografie vorgeschlagen. In wesentlichen Punkten schießt der Gesetzentwurf weit über das Ziel hinaus, meint Gudula Geuther.
Verbrechen an Kindern sind regelmäßig nur möglich, weil die Umgebung wegsieht, weil ihr Gefahren vielleicht gar nicht klar sind. Deshalb ist es gut, dass durch die Causa Edathy das schmutzige Geschäft mit der Kinderpornografie wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein gelangt ist. Vieles andere am Umgang mit dem Problem war alles andere als gut, und auch der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist es nicht.
Verunsicherung statt Problembewusstsein
Mindestens zum Teil nicht, geregelt wird vieles, darunter auch sinnvolle Klarstellungen und Anpassungen. In wesentlichen Punkten aber schießt der Entwurf weit über das Ziel hinaus. Tatsächlich dürfte er statt Problembewusstsein oft Verunsicherung schaffen. Das gilt für das Verbot für Fotos, die geeignet sind, dem Ansehen einer Person zu schaden. Gemeint sein dürfte Mobbing im Internet mit schlimm kompromittierenden Bildern, gemeint sein könnte aber noch viel mehr. Wo das Mobbing, wo aus mancher Sicht berechtigte bebilderte Kritik tatsächlich zur Straftat wird, ist offen. Das klingt, als hoffe der Justizminister, der Richter werde schon wissen, was er tut. Und dazu ist Strafrecht nicht da.
Mindestens ebenso schwierig ist das Verbot unbefugter Nacktaufnahmen. Auch hier ist klar, was (auch) gemeint ist: Nacktfotos - übrigens nicht nur von Kindern - sollen nicht zur entwürdigenden Handelsware werden. Tatsächlich will Justizminister Heiko Maas aber ganz anderes verbieten. Mit bis zu zwei Jahren Haft soll bestraft werden, wer auf dem Kindergeburtstag fotografiert, auf dem sich die Kinder im Garten beim Spielen mit dem Rasensprenger ausgezogen haben, wenn die Eltern vorher nicht eingewilligt haben. Genauso strafbar macht sich die Mutter bei den Strandbildern des nackten Sohnes – wenn auch ein Spielgefährte nackt ist.
Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um massenhaften Alltag
Man kann solche Bilder unnötig oder nicht gut finden. Klar ist auch, dass in Zeiten des Internets vorsichtiger mit solchen Aufnahmen umzugehen ist, als es vielleicht in den 70er-Jahren üblich war. Das ist ein Grund für Aufklärung, das ist ein Grund für Wachsamkeit von Eltern und Umgebung. Es ist kein Grund, zu kriminalisieren, was nach wie vor weite Teile der Bevölkerung völlig normal finden. Dabei geht es nicht um spitzfindig gesuchte Einzelfälle. Es geht um massenhaftes Alltagsgeschehen. Wer den Alltag aus der Sicht seines Missbrauches sieht, der muss noch ganz anderes unter Strafe stellen.
Ob der Sache selbst gedient ist mit einem solchen Verbot, ist ohnehin offen. Wer sich bisher an – wenn man so will: nur – normalen Nacktbildern erregt hat, tut das vielleicht nicht mehr, wenn auch sie unter Strafe stehen.
Ohnehin sind die Strafverfolgungsbehörden völlig überfordert. In Landeskriminalämtern liegen Festplatten zwei Jahre lang, bevor sie ausgelesen werden. Das wird durch diesen Entwurf nicht besser, im Gegenteil. Kaum ein Strafrechtsbereich wird so oft umgeschrieben wie das Sexualstrafrecht. Schließlich macht das was her, wenn auf einen Skandal zu reagieren ist. Und viel billiger als neue Stellen bei der Polizei ist es allemal.
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