Popmusiker als Straßen-Namensgeber

Leben in der George-Harrison-Straße

Georg-Harrison-Straße in Steinheim an der Murr
Die Georg-Harrison-Straße in Steinheim an der Murr © Simon Schomäcker
Von Simon Schomäcker · 08.02.2016
Wenn in Deutschland Straßen nach Musikern benannt werden, kommen zumeist klassische Komponisten in Frage. Das ist in Steinheim an der Murr anders – dort tragen mehrere Straßen die Namen von bekannten Popmusikern.
Marc Hönes betreibt eine kleine IT-Firma in Steinheim an der Murr, unweit von Stuttgart. Seit ein paar Jahren hat sein Unternehmen die sehr klangvolle Adresse Louis-Armstrong-Straße.
"Und erst als wir dann eingezogen waren, ist uns bewusst geworden, ach ja, Louis Armstrong war ja ein Musiker. Man kennt ja viele Stücke. 'What A Wonderful World' verbinde ich auf jeden Fall mit Louis Armstrong."
"Satchmo" ist in der Neubausiedlung als Straßen-Namensgeber nicht alleine. Zu ihm gesellen sich weitere berühmte Rock- und Jazzgrößen. Die Frank-Sinatra-Straße führt leider nicht nach New York, dafür aber zum Steinheimer Rathaus, dem Amtssitz von Bürgermeister Thomas Rosner. Er erklärt, wie das Musikerviertel zustande kam.
"Es ging darum, dass in einem neuen Wohngebiet Straßennamen gesucht wurden. Das war im Jahr 2003. Es sollten berühmte Persönlichkeiten die Namensgeber sein, und zwar aus dem Bereich Musiker, Komponisten und Schriftsteller."
Fünf Straßen sind in Steinheim nach Popmusikern benannt – deutschlandweit einmalig
Im Stadtrat entschied man sich schließlich für die Namen fünf bekannter Pop- und Jazzmusiker. Was viele Einwohner nicht wissen: Steinheim an der Murr ist bis heute die einzige deutsche Kommune mit mehreren solcher Straßennamen.
"Unsere Städte sind tatsächlich noch sehr geprägt von Personen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert ..."
... weiß der Kölner Sprach- und Kulturwissenschaftler Arndt Kremer. Er hat Forschungen zum Thema Straßennamen betrieben und fand dabei heraus ...
"... dass Straßennamen auch immer Abbild eines Denk- oder Wunschbildes einer Gesellschaft sind. Das heißt, sie bilden die Frage ab, an wen wir uns erinnern wollen."
Beethoven, Mozart, Brahms oder Händel – diese Namen wurden in Deutschland schon sehr häufig für Straßen vergeben. Schließlich sind Komponisten klassischer Musik seit Jahrhunderten in unserer Kultur präsent – anders als etwa die Beatles. Den beiden verstorbenen Beatles John Lennon und George Harrison wurden in Steinheim ebenfalls Straßen gewidmet. Zu den Hochzeiten der Band wäre das sicher unmöglich gewesen. Und zwar nicht nur, weil lebende Personen normalerweise für Straßennamen unzulässig sind, erläutert Arndt Kremer.
Straßen nach Beatles-Mitgliedern zu benennen ist heute weniger umstritten
"Die Beatles waren ja früher auch sehr umstritten. Es gibt Menschen, die haben zum Boykott ihrer Konzerte aufgerufen, auf denen die jungen Menschen verdorben würden und in Ohnmacht fielen. Mittlerweile sind sie geadelt. Deswegen gibt es darüber jetzt weniger Diskussionen, aber das war ja nicht immer so."
In der Steinheimer Siedlung haben George Harrison und John Lennon mit Janis Joplin eine weitere berühmte Nachbarin. Von der nach ihr benannten Straße aus werden sogar Konzerte und Bandproben geplant. Denn Aleko Vangelis, Vorsitzender des christlichen Vereins "Soul Devotion" hat hier sein Büro.
"Es kann schon sein, dass sie vereinzelt mal was von Janis Joplin spielen. Und von Janis Joplin kennt man ja 'Oh Lord Won't You Buy Me ...' Also der spirituelle Charakter ist bei unserer Band schon sehr stark vertreten. Das sind gesungene Gebete sozusagen."
Auf seine Adresse bekam Aleko Vangelis schon überraschte Reaktionen:
"Ich buchstabiere dann immer Janis Joplin. Und dann checken das die Leute und sagen: 'Janis Joplin, ja cool!'"
Ähnlich reagieren auch die Kunden von IT-Fachmann Marc Hönes.
"Ah ja, Sie wohnen ja oben bei den Musiker-Straßen. Louis Armstrong ist einem ja ein Begriff. Und dann höre ich auch immer wieder: Ich spiele selber Posaune oder Trompete!"
Popstars als Namensgeber für Straßen – In Zukunft eher in Neubauvierteln
Straßennamen wie im Musikerviertel von Steinheim könnten in Zukunft eher in Neubaugebieten auftauchen als beispielsweise in den Innenstädten, meint Arndt Kremer:
"Erstens müssen in der Altstadt Straßen umbenannt werden, zweitens gibt es dort eine gewachsene Straßenbenennungspraxis. Das heißt, die Menschen verbinden damit Erinnerungswerte. Deswegen ist der Widerstand auch größer."
Neubaugebiete sollen bald auch im Norden von Steinheim an der Murr entstehen. Und wer weiß, vielleicht werden dort weitere Musikernamen zu finden sein. Bürgermeister Thomas Rosner hätte jedenfalls schon eine Idee:
"Es würde mich als Queen-Fan sehr freuen, wenn Freddie Mercury bei uns verewigt würde!"
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