Politikwissenschaftler kritisiert Empfehlungen der Kommission zur Aufarbeitung der SED-Herrschaft

Die Berliner Mauer in Kreuzberg, 1962
Die Berliner Mauer in Kreuzberg, 1962 © Deutschlandradio
10.05.2006
Der Politikwissenschaftler Jochen Staadt hat die Empfehlungen der Expertenkommission zur Aufarbeitung der SED-Herrschaft teilweise kritisch bewertet.
Staadt, der Mitglied im "Forschungsverbund SED-Staat" an der Freien Universität Berlin ist, bemängelte am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur, dass die 50er Jahre zu wenig berücksichtigt würden. Diese "Zeit der Diktatur-Durchsetzung" sei "vollkommen unterbelichtet". Insofern treffe der bereits öffentlich geäußerte Vorwurf zu, dass "hier der schönere Teil der DDR-Geschichte ins Auge gefasst wird".

Außerdem habe die Kommission nicht die Vorgabe der früheren Kulturstaatsministerin Christina Weiss befolgt, wonach nicht mehr Mittel ausgegeben und keine neuen Institutionen geschaffen werden sollten. Stattdessen werde "fern der Realität" ein "Füllhorn ausgeschüttet". Positiv bewertete der Politikwissenschaftler einige organisatorische Empfehlungen. So sei es gut, wenn dafür gesorgt werde, dass "unterfinanzierte, aber wichtige Einrichtungen" wie das Robert-Havemann-Archiv eine Zukunft haben. Dagegen sollten laut Staadt die Akten der Birthler-Behörde, deren Hauptaufgaben in absehbarer Zeit endeten, in das Bundesarchiv überführt werden. Die Empfehlungen der Kommission sollen an diesem Donnerstag Kulturstaatsminister Bernd Neumann übergeben werden.

Staadt plädierte dafür, bei der Entwicklung der Gedenkstätten und Museen auch die privat initiierten Einrichtungen stärker zu berücksichtigen. Zwar sollte in Schulen und Universitäten mehr getan werden, um die DDR-Geschichte zu vermitteln, aber man müsse nicht zahlreiche "neue Institutionen aufbauen, die sehr viel Geld kosten werden". Vielmehr sollten die Verantwortlichen, "das, was von unten gewachsen ist, stärken und sehen, wo muss man behutsam an einzelnen Punkten nachsteuern", erklärte der Politikwissenschaftler.