Politikerbücher

"Im besten Fall lästig"

Moderation: Marietta Schwarz · 09.04.2014
Wenn Politiker Bücher schreiben, kann nichts Spannendes dabei herauskommen, findet Dieter Wonka, Kenner der Berliner Republik. Auch Rainer Brüderle rät er "lieber die Klappe zu halten", wenn er der FDP etwas Gutes tun wolle.
Marietta Schwarz: ''Jetzt rede ich'' heißt das Buch von Rainer Brüderle, beziehungsweise jetzt rede ich. Der frühere FDP-Spitzenkandidat redet mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg, bekannt unter anderem als Kolumnist der "Bild"-Zeitung. Ein ganzes Buch lang wird da geredet, und zwar über Brüderles sogenannte Dirndl-Affäre, die dann die sogenannte Aufschrei-Debatte auslöste, woraufhin Rainer Brüderle in tiefes Schweigen versank. Das Buch wird heute Abend im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt. An Brüderles Seite wird dann Gregor Gysi stehen und mit dabei im Publikum ist der Hauptstadt-Journalist Dieter Wonka. Guten Morgen!
Dieter Wonka: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Wonka, glauben Sie, dieses Buch wird noch mal die Aufschrei-Debatte neu entflammen?
Wonka: Ich hoffe nicht, weil sie war damals lächerlich – nicht wegen des Anlasses, sondern weil sie von einer Illustrierten wie dem "Stern" maßgeblich geprägt wurde, die selber damit Geschäft gemacht haben und machen, und ich hoffe deswegen nicht, weil Herr Brüderle ein Mann nicht mal von gestern, sondern von vorgestern ist in der Wahrnehmung.
Schwarz: Das heißt, Deutschland braucht dieses Buch von Herrn Brüderle eigentlich nicht, wenn ich Sie richtig interpretiere?
Wonka: Ich glaube mal, Deutschland braucht grundsätzlich so gut wie kein Politikerbuch. Von aktiven sowieso nicht und von ehemaligen Politikern fällt mir eigentlich nur Helmut Schmidt ein, bei dem es sich lohnt zu lesen, auch weil er sich treu geblieben ist. Andere spielen in Büchern, andere Ex-Politiker spielen in Büchern immer gern den starken Max oder spielen eine Rolle und gaukeln eine Rolle vor, von der sie sich nie getraut haben, sie als aktiver Politiker auszuführen. Deswegen sind diese Bücher mit Blick zurück im besten Fall lästig.
Gysi wird als "sexy Politiker" betrachtet
Schwarz: Heute Nachmittag wird dieses Buch jetzt in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Neben Herrn Brüderle wird dann Gregor Gysi stehen und auch etwas sagen zum Thema Sexismus. Hat er da was zu erzählen, der Herr Gysi?
Wonka: Unbedingt! Wenn ich den Reaktionen auch von Kolleginnen aus dem Medienbereich, aber auch von ganz normalen Wählerinnen folge, dann ist Gysi ein sexy Politiker. Ich weiß zwar nicht wieso, aber es ist so, und er kokettiert ja auch damit.
Schwarz: Also eher zum Thema Sexyness, meinen Sie, würde er was sagen können?
Wonka: Ja. Und ansonsten stellt sich vielleicht Gysi bald darauf ein, in den nächsten ein, zwei, drei Jahren ist er ja auch so weit, dass er ein Ex ist, und dann wird er ganz sicher auch ein Buch schreiben.
Schwarz: Und mit wem auftreten in der Bundespressekonferenz?
Wonka: Na ja, es wäre doch lustig, wenn der Gazprom-Manager Gerhard Schröder dann dieses Buch promoten würde, so wie jetzt Gysi Brüderle. Ich meine, wir reden jetzt hier lustig darüber. Ich gehe jetzt dann gleich in den Bundestag und wollte nur mit einem Einschub sagen: Es fehlt mir schon was, wenn ich ganz links von mir aus gesehen im Bundestag die gähnende Leere beziehungsweise jetzt nur noch die Unionsabgeordneten sehe und nicht mehr die FDP. Früher war es lustiger mit der FDP.
Schwarz: Jetzt fragt man sich ja schon, ob Brüderle als Zugpferd schwach geworden ist und deshalb jemanden an seiner Seite braucht bei so einer Buchvorstellung. Aber wäre da nicht ein Christian Lindner die bessere Wahl gewesen?
Brüderle hat es nicht geschafft, der FDP ein neues Format zu geben
Wonka: Ach, der will sich doch mit Herrn Brüderle nicht mehr sehen lassen, genauso wie die anderen, die jetzt die Trümmerarbeit bei der FDP versuchen zu erledigen. Die sind ja froh, wenn sie die graugesichtigen Männer von früher, zu denen im übrigen auch der abgetauchte Jüngling Philipp Rösler gehört, wenn sie die nicht mehr sehen. Die haben genug damit zu tun, der FDP wieder ein neues Format zu geben, und das – das muss man schon ernsthaft sagen – hat Herr Brüderle halt nicht verstanden. Er gilt bis heute als derjenige, der jede Weinflasche geküsst hat, aber den halt die Wähler nicht gemocht haben.
Schwarz: Und er sollte jetzt auch aus FDP-Sicht eher schweigen?
Wonka: Wenn er der FDP was Gutes tun will, soll er die Klappe halten und seine Rente genießen. Er hat ein hohes Alterseinkommen.
Schwarz: Die Form des Mega-Interviews in Buchform erinnert mich an Guttenberg und Giovanni di Lorenzo. Der war ja danach auch ein bisschen unglücklich über das Projekt. Gibt es jetzt bei Brüderle einen Grund für diese Form des Interviews?
Wonka: Ja! Es ist die einfachste und am wenigsten schweißtreibendste Form, Umsatz zu machen, mit einem Autorenhonorar. Und wenn man dann auch noch der Stichwortgeber für Fragen sein darf wie "was haben Sie am Wahlabend gedacht", "wann haben Sie gedacht, geht es mit der FDP tatsächlich bergab", ich meine, das ist leicht verdientes Geld, kann man sagen.
Schwarz: Dieter Wonka, Berlin-Korrespondent der Madsack-Gruppe. Dieter Wonka, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Wonka: Bitte sehr!
Schwarz: Und das Buch von Rainer Brüderle heißt ''Jetzt rede ich'' und wird heute Mittag um 15 Uhr in Berlin vorgestellt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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