Polit-Tratsch

Das gefärbte Kanzlerhaar und andere Halbwahrheiten

Gerhard Schröders Telefon soll seit 2002 überwacht worden sein.
Die Haare des Altkanzlers Gerhard Schröder wurden zum Wahlkampfthema 2002. © dpa / picture-alliance / Gerard Cerles
Von Sören Brinkmann · 25.08.2014
Gerüchte können eine Person in Nullkommanichts diskreditieren. Ob über Altkanzler Schröder oder Ex-First-Lady Bettina Wulff, auch im Politikbetrieb brodelt die Gerüchteküche - manchmal entpuppen sich solche Gerüchte aber auch als Wahrheiten.
Wenn ein Gerücht in Umlauf ist, kann es meist kaum noch gestoppt werden. Gerade durch das Internet verbreiten sich vermeintliche Wahrheiten schneller denn je. In einem der berühmtesten Fälle ging es um das angebliche Vorleben von Ex-First Lady Bettina Wulff – auch zum Ärger ihres damaligen Mannes.
"Auch im Internet – wenn Sie da sehen, was da über meine Frau alles verbreitet wird an Fantasien."
... pikante Fantasien, nach denen die Zeitung "Die Welt" gesucht hat.
"Jeder kann sich das anschauen. Seit Wochen, seit Monaten. Wenn man in den Schlitz der Suchmaschine Google den Namen Bettina Wulff eingibt, dann werden einem dazu ganz freundlich die Worte 'escort' oder 'Artemis', gerne auch 'Prostituierte' vorgeschlagen."
Im "Spiegel"-Interview spricht Wulff über die Hintergründe dieses Gerüchts, sagt allerdings:
"Bisher haben Journalisten unter Hinweis auf Quellenschutz ja immer geleugnet, dass es Durchstechereien sowohl aus der Staatskanzlei in Hannover als auch aus den Reihen der niedersächsischen Justiz gab."
Kaum etwas kann einen Menschen so schnell diskreditieren und diffamieren wie ein Gerücht – egal ob eine Wahrheit dahinter steckt oder nicht: siehe Bettina Wulff, aber auch Jean Claude Juncker. Großbritanniens Premier David Cameron wollte ihn nicht an der Spitze der EU-Kommission.
"Der gefährlichste Mann Europas"
...titelt sogleich das Boulevardblatt "Sun" und beschreibt ihn als störrischen Raucher und Trinker.
Das Doppelleben des Horst S.
In ein Postengerangel war auch Horst Seehofer verstrickt. Wohl kein Zufall, dass da plötzlich in der BILD zu lesen steht:
"Jetzt kommt heraus: Der prominente Politiker führt seit Langem ein Doppelleben! Zu Hause in Ingolstadt, seinem Wahlkreis, präsentiert sich der Christsoziale als braver Familienvater. In Berlin lebt der Mann aus Bayern sein zweites Leben: Dort hat er eine Freundin, 32 Jahre alt, zierlich, brünett, Juristin. Bayerischer Akzent. Nachbarn erzählen, dass die beiden in einem Mini-Apartment im Berliner Zentrum zusammen wohnen."
Ein Gerücht, das sich bestätigte. Denn wenig später stand fest, dass Seehofer ein Kind von seiner Geliebten erwartete. Und nach der Geburt schrieb "Die Zeit":
"Selbst in der konservativsten aller Parteien, der CSU, empörte sich fast niemand darüber, dass Horst Seehofer eine Affäre hatte. Nicht einmal, dass daraus ein Kind hervorging, galt als wirklich skandalös. Was ihm vorgeworfen wurde, war die Art und Weise, wie der Landwirtschaftsminister damit umging: Dass er sich noch in den Zeitungen mit der Familie zeigte, als in Berlin schon alle über seine Affäre sprachen, dass er sich so lange nicht entscheiden konnte, obwohl er selbst das versprochen hatte."
Die Haare des Kanzlers
Am Ende blieb er bei seiner Ehefrau. Wie viele graue Haare diese Entscheidung bei Horst Seehofer hervorgerufen hat, ist nicht überliefert. Doch grau sind sie, anders als die von Altkanzler Schröder.
Zwar hatte die Nachrichtenagentur ddp eine Image-Beraterin zitiert mit der Behauptung, des Kanzlers Schläfen seien gefärbt. Schröder aber widersprach und zog vor Gericht. Für das "Hamburger Abendblatt" ein Schauspiel:
"Vorhang auf zur Deutschland- Premiere, eine Burleske mit offenem Ausgang: Haar mutiert zur Res Publica, zur öffentlichen Sache. Somit ist vollbracht, was Beau Gerhard eigentlich verhindern wollte: Seine Haare sind in Volkes Munde. Wohl dem Staatswesen, das sich solche Streitfälle gönnen kann. Wohl dem Kanzler, der es sich leisten kann, ungeschminkter Eitelkeit zu frönen."
Schon damals sprang ihm Starfrisör Udo Walz zur Seite, der erklärte ...
"Dass ich nie ihm die Haare gefärbt habe. Dass er auch keine gefärbten Haare hat. Und dass ich das einfach feststellen kann, laut meiner Berufserfahrung."
Der Haar-Streit – offenbar eine gute Inszenierung: Die "Süddeutsche Zeitung" erinnert daran auch noch zum 70. Geburtstag von Gerhard Schröder.
"Die Haare sind immer noch nicht grau. Er hat gerichtlich verbieten lassen, zu behaupten, sie seien gefärbt. Der Mann ist eben ein biologisches Wunder."
Ein Klassiker unter den Gerüchten im politischen Berlin. Eingesetzt im Bundestagswahljahr 2002 – wiedergewählt wurde Schröder trotzdem. Die Bilder mit den Gummistiefeln an den Deichen der Flutregionen waren wohl stärker.
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