Polit-Thriller

Auf Maulwurfsuche

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Das CIA-Quartier in Langley, USA. © picture alliance / dpa
Von Thomas Wörtche · 04.07.2014
Es klingt nach einem klassischen Kalter-Krieg-Thriller, aber Olen Steinhauers Buch ist viel mehr als das: Steinhauer erzählt ausgefuchst, mit Zeit- und Ortsprüngen, mit allen Perspektivwechseln, die einer starken auktorialen Position zur Verfügung stehen.
Eine wesentliche Qualität von Olen Steinhauers Polit-Thrillern lag schon immer darin, den zunehmenden Bedeutungsverlust der USA im "großen Spiel" um die globale Macht als Thema im Hintergrund mitlaufen zu lassen. Das war in der Trilogie um den ausgebrannten Agenten Milo Weaver so – dort wurden die Chinesen als Weltmacht immer sichtbarer, bis zu dem Punkt, dass innerchinesische Querelen und Machtkämpfe direkte Konsequenzen für die Funktionstüchtigkeit der amerikanischen Geheimdienste hatten.
In seinem neuen Roman "Die Kairo Affäre" fährt Steinhauer mit seiner subtilen Demontage amerikanischer Omnipotenzvorstellungen fort. Ein Langley-Analyst bemerkt, dass während der libyschen Revolution 2011 ein alter CIA-Plan zur Unterstützung der Anti-Gaddafi-Fraktion umgesetzt wird. Als der Analyst merkt, dass statt dessen überall auf der Welt libysche Oppositionelle anscheinend von Schergen Gaddafis umgebracht werden, fällt der Verdacht auf einen Maulwurf innerhalb der CIA.
Spiel mit dem Maulwurf-Klischee
Und somit wäre die Dramaturgie eines klassischen John-Le-Carré-Thrillers aus dem Kalten Krieg erwartbar. Aber nicht von Steinhauer. Natürlich spielt er virtuos mit dem Maulwurf-Klischee und seziert ganz nebenbei die Karriere eines amerikanischen Ehepaares: Beide möchten voller Idealismus in der Weltpolitik mitmischen, beide lassen sich bald manipulieren und korrumpieren (am Anfang zusammen, später ein jeglicher auf verschiedenen Wegen) und am Ende geht es darum, wer überlebt. Raffiniert baut Steinhauer neben diesen zwar brillant erzählten, aber durchaus konventionellen Szenen einer Ehe eine zweite Ebene auf: Während die CIA auf der Maulwurfsuche sozusagen geheimdienstliche Nabelschau betreibt, sind die ägyptischen Kollegen schon längst weiter. Sie wittern den arabischen Frühling auch für ihr Land, falls sich Gaddafi nicht halten kann, und bauen Sicherheitsreißleinen ein.
Steinhauer erzählt wie immer ausgefuchst, mit Zeit- und Ortsprüngen, mit allen Perspektivwechseln die einer starken auktorialen Position zur Verfügung stehen. Die "Kairo-Affäre" ist deswegen in erster Linie ein literarisch sehr gelungener "psychologischer Spionage-Roman" und weniger ein Thesenroman über die Region, in der er spielt. Die Brisanz und die Sprengkraft des Buches liegen dennoch in seinen Implikationen: Dass die Welt ein undurchsichtiger, gefährlicher, von Zufällen und von gleichgültigem, wechselhaftem Kalkül dominierter Ort ist, spielt Steinhauer auf allen Ebenen menschlichen Zusammenlebens durch. Das Private ist sowieso politisch und deswegen extrem prekär und kann jederzeit tödlich werden. In Kairo und anderswo.

Olen Steinhauer: Die Kairo-Affäre
Roman. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein
Blessing, München 2014. 494 Seiten, 19,99 Euro