Polen und Deutsche

Mit Neugier gegen Fremdenangst

Die Grenze zwischen dem deutschen Frankfurt (Oder) und dem polnischen Slubice.
Die Grenze zwischen dem deutschen Frankfurt (Oder) und dem polnischen Slubice. © picture alliance / dpa
Von Beata Bielecka · 12.03.2015
Frankfurt an der Oder und die polnische Stadt Slubice haben dieses Jahr erneut einen karitativen Kalender herausgegeben. Er stellt Bürger vor, die sich in der Region ehrenamtlich engagieren - und dadurch das Leben im Grenzgebiet verändern.
"Miastoczuli 2015", so nennt sich der Kalender, und von ihnen, den "Sensiblen der Stadt" will er erzählen, von denen, die spüren, wo Not ist, wo Hilfe gebraucht wird, wo Initiative gefragt ist – von einem wie Michael Kurzwelly, einem deutschen Künstler.
Er stellte in einem Frankfurter Flüchtlingsheim einen Chor zusammen, singt gemeinsam mit Omar und dessen Frau Ismahan aus Somalia, mit Belinda aus Kamerun und vielen anderen Asylanten. Sie sind vor Krieg und Gewalt geflohen. Nun helfen sie uns, Ignoranz und Fremdenfeindlichkeit zu überwinden.
Sie haben einen langen Weg hinter sich und noch einen langen vor sich, aber die Chormitglieder wollen mit guten Liedern die Reise verkürzen. Denn Leute, die zusammen singen, können auch zusammen leben.
In Michael Kurzwelly steckt die Neugier auf andere Menschen. Auch ich gehe als Journalistin auf Menschen zu, die ich nicht kenne, weil ich neugierig bin, besonders auf jene, die eine mir fremde Sprache sprechen und aus einem für mich fremden Land kommen. Da ist es nicht wichtig, dass ich manchmal seltsame Bräuche und Gewohnheiten nicht verstehe.
Wenn ich zum Beispiel eine Araberin mit einem Kopftuch sehe, frage ich mich, wie es möglich ist, dass Frauen akzeptieren, derart von Männern dominiert zu werden. Und gerade deswegen möchte ich sie achten, weil sie von mir erwartet, dass ich ihre Art, sich zu kleiden, als ganz persönlichen, kulturellen Ausdruck respektiere. Ich toleriere, dass sie anders ist, deshalb muss sie mir nicht fremd bleiben.
Die Deutschen haben sich auf die polnische Andersartigkeit eingelassen
Integration ist nicht einfach – das weiß ich. Ich lebe und arbeite schon lange in Slubice. Bis vor kurzem war "Integration" ein Fremdwort im deutsch-polnischen Wörterbuch der Sitten und Gebräuche. Es ist schon etwas dran an dem, was ein Frankfurter Bekannter beobachtet hat. Das beiderseitige Verhältnis habe sich zu ändern begonnen, als die Polen selbstbewusster wurden, als sie merkten, sie seien auch etwas wert. Seither begegneten sie den Deutschen auf Augenhöhe.
Und die Deutschen? Ich denke, dass sie sich auf die polnische Andersartigkeit eingelassen haben. Es war Albert Einstein, der einmal gesagt hat, er habe keine besondere Begabung, sondern sei nur leidenschaftlich neugierig. Diese Neugier ist es, die verständlich macht, was zunächst so fremd erscheint. Nur solche Neugier verändert das Grenzgebiet.
Daran haben die "Sensiblen der Stadt" aus dem Kalender "Miastoczuli 2015" einen wichtigen Anteil. Dorota Rutka überquert für ihr Projekt "Building Bridges" nicht nur die Oder. Sie fährt seit vielen Jahren mit deutschen und polnischen Schülern nach Israel, um mit Juden und Arabern zu reden.
In den Gesprächen zeigt sich, dass wohl alle Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, die gleichen Sehnsüchte haben. Energie aber schöpft ein jeder für sich nur aus seinen kulturellen Wurzeln, aus dem Anderssein. Das löst unter jenen Angst aus, die zu wenig voneinander wissen. Es ist die Neugier, die gegen die Angst vor dem Fremden hilft.
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska", der größten regionalen Tageszeitung Polens an der deutsch-polnischen Grenze. Lebt und arbeitet in Slubice, von wo aus sie seit 20 Jahren über den Alltag im Grenzgebiet berichtet. Hat 1996 gemeinsam mit Dietrich Schröder (Märkische Oderzeitung) den "Wächter-Preis der deutschen Tagespresse" verliehen bekommen: für eine Artikelreihe über Regelverstöße bei der Grenzpolizei. Ist 2014 nominiert für den deutsch-polnischen Journalistenpreis "Tadeusz-Mazowiecki".
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska"
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska"© privat
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