Pogrom von Lichtenhagen

Sind Rostocker Randalierer die Pegida-Fans von heute?

Tabor (Jakob Bieber), Robbie (Joel Basmann), Sandro (David Schütter) und Goldhahn (Paul Gäbler) treffen auf die Polizei in einer Szene des Kinofilms "Wir sind jung. Wir sind stark.".
Der Film "Wir sind jung, wir sind stark" erzählt vom Pogrom von Rostock-Lichtenhagen. © Yoshi Heimrath /Zorro / dpa
Ulrich Herbert im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 22.01.2015
"Wir sind jung. Wir sind stark" zeigt verstörende Bilder von den Angriffen auf ein Asylbewerberheim in Rostock 1992. Heute wird auf Deutschlands Straßen wieder gegen Ausländer gehetzt. Gibt es Parallelen zu damals? Ein Gespräch mit dem Historiker Ulrich Herbert.
Ein brennendes Asylbewerberheim, Menschen in Todesangst, draußen vor dem Haus eine grölende, anfeuernde Menge: Diese Bilder aus Rostock-Lichtenhagen gingen 1992 um die Welt und zeigten hässliche Bilder vom wiedervereinigten Deutschland. Es folgten bald ebenso schreckliche Bilder von brennenden Wohnhäusern türkischer Mitbürger in Städten wie Solingen oder Mölln.
Wie konnte es zur Eskalation der Ereignisse in Rostock kommen, die der gerade angelaufene Kinofilm "Wir sind jung. Wir sind stark" von Regisseur Burhan Qurbani thematisiert?
Der Film fange die Ereignisse zwar gut ein, doch sei "Lichtenhagen nur Teil einer größeren Bewegung" gewesen, der Anschläge vorausgegangen seien und der etliche weitere gefolgt seien, sagt der Freiburger Historiker Ulrich Herbert im Deutschlandradio Kultur. Etliche Ausländer seien "auf diese Weise zu Tode gekommen - ein regelrechtes Pogrom". Der Film zeige deshalb nur einen Teil der Geschichte.
"Die Behörden wollten den Unmut in der Bevölkerung nutzen"
Mitschuld trügen auch die ostdeutschen Behörden, die damals auf engem Raum zu viele Menschen mitten in einem Wohngebiet untergebracht hätten. Sie wollten damit "ostentativ unhaltbare Verhältnisse" schaffen: "Die Behörden wollten den Unmut in der Bevölkerung auch nutzen, um den übergeordneten Behörden zu zeigen: 'Wir können keine Ausländer aufnehmen':" Dadurch sei es zur Eskalation der Ereignisse gekommen.
Es gebe seit damals eine nie abreißende Diskussion über Zuwanderung und Asyl. Allerdings berichte speziell die Boulevardpresse heute anderes über das Thema als Anfang der 90er-Jahre. Insbesondere die "Bild"-Zeitung habe ihren "Scharfmacher"-Kurs aufgegeben.
Sind die damaligen Randalierer die Pegida-Anhänger von heute? Das könne man nicht pauschal sagen, so Herbert. Aber:
"Wir sehen, dass in Ostdeutschland insbesondere ein Großteil der Bevölkerung diese Entwicklung, diese jahrzehntelange Auseinandersetzung über die Ausländerfrage gar nicht mitgemacht hat und im Grund auf der Position der frühen 90er-Jahre ist - nämlich, dass Deutschland in diesem Ausmaß keine Flüchtlinge aufnehmen sollte."
Das Problem bestehe darin, dass der Volkszorn der Pegida-Bewegung gerade jüngeren, radikalen und gewaltbereiten Jugendlichen das Gefühl gebe, im Recht zu sein und breite Unterstützung zu finden, wenn sie Brandsätze würfen oder andere Gewalttaten begingen.
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