Podiumsdiskussion

Wohin entwickelt sich Israel?

Zu sehen ist die israelische Nationalfahne, die durch einen schwarz-rot-goldenen Farbverlauf überlagert wird
Religion als Brückenbauer für den Dialog, darauf setzt der Rabbiner Ben-Chorin von der jüdischen Gemeinde zu Berlin. © Deutschlandradio
Von Verena Kemna · 17.02.2015
Zwischen Israel und Deutschland gibt es gerade bei der jüngeren Generation einen Trend der Entfremdung - und das nach 50 Jahren diplomatischen Beziehungen. Dialog soll diese Kluft schließen, wie bei einer Podiumsdiskussion in Berlin.
Viele jüdische Gemeinden in Deutschland sind in diesen Tagen beunruhigt. Bei den Anschlägen auf ein Kulturcafé und eine Synagoge in Kopenhagen sind am Wochenende zwei Menschen getötet und fünf verletzt worden. Auch die Bilder von hunderten geschändeten Grabsteinen auf einem jüdischen Friedhof im Elsass gehen dem Rabbiner Tovia Ben-Chorin von der jüdischen Gemeinde zu Berlin nicht aus dem Kopf. Und doch, von dem Aufruf des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hält der Rabbiner nichts. Netanjahu hat die europäischen Juden vor dem Hintergrund der Terroranschläge bereits mehrmals aufgerufen, doch nach Israel zu emigrieren.
"Ich glaube die Herausforderung ist nicht in die Angst zu gehen. Also ich glaube, wir müssen uns gegenseitig mehr unterstützen und die Leute zu dem jüdischen, christlichen und islamischen Dialog ermutigen und vielleicht hat die Kirche hier eine besondere Rolle zu spielen, diese Brücke noch stärker aufzubauen weil wir beide, Christen und Juden, haben schon eine lange Erfahrung, das sollen wir vor Augen haben."
Religion als Brückenbauer für den Dialog
Religion als Brückenbauer für den Dialog, darauf setzt der Rabbiner Ben-Chorin von der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Auch nach 50 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland stellt eine Studie der Bertelsmann Stiftung fest, dass es gerade bei der jüngeren Generation in beiden Ländern einen Trend zur Entfremdung gibt. Dabei ist die Haltung der Deutschen zur israelischen Regierung deutlich ablehnender als die Haltung jüdischer Israelis gegenüber Deutschland. Ob sich Israel zu einem religiösen Staat entwickelt oder auf einen Kulturkampf zwischen Religionsfreiheit und Ultraorthodoxie zu steuert ? Fragen wie diese wurden bei der deutsch-israelischen Podiumsdiskussion von Deutschlandradio und Bertelsmann Stiftung diskutiert. Für den Rabbiner Tovia Ben-Chorin geht es vor allem um Fragen wie diese:
"Was ist eine jüdische Demokratie, das ist die neue Herausforderung."
Erste Anzeichen sprechen für eine Trennung von Staat und Religion. In der israelischen Regierung haben ultraorthodoxe Parteien derzeit keine Stimme. Per Gesetz können nun auch ultraorthodoxe Juden zum Wehrdienst eingezogen werden. Rainer Kampling vom Seminar für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin.
In Deutschland Zahl der Kirchenaustritte ein Thema
"Also ich denke, man müsste sicherlich auch mal sehen, wie die Orthodoxie, à la longue, sich vorstellt, in einem demokratischen Gesellschaftssystem mitzuwirken, insbesondere in Israel."
Während in Israel die Zahl der orthodoxen Juden zunimmt, ist in Deutschland eher die Zahl der Kirchenaustritte ein Thema. Dennoch sieht Ellen Überschär, die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, die Kirche in Deutschland als einen Garant für Stabilität.
"In jedem Ort gibt es Kirchengemeinden und das sind Möglichkeiten auch über Ängste zu reden. Das sind solche Orte an denen ein Austausch stattfindet. Deshalb wandern die Ängste in Ostdeutschland auch eher auf die Straße, die Islamophobie wandert auf die Straße, während sie in anderen Regionen stärker auch in dieser religiösen Gemeinden verhandelt und besprochen wird. Deshalb glaube ich, dass trotz dieser Säkularisierung und des Atheismus, dass die Kirchen in diesem Land die Funktion der Stabilisierung der Gesellschaft haben."
Micha Brumlik vom Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg möchte nicht religiöse Unkenntnis und mangelndes Geschichtsbewusstsein in einem Satz nennen. Das deutsch-israelische Verhältnis bleibt durch den Holocaust beeinträchtigt. Einer Bertelsmann-Studie zufolge sind drei Viertel der Israelis dagegen, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. In Deutschland fordern dies fast sechzig Prozent der Befragten.
Hören Sie einen Mitschnitt der Podiumsdiskussion:
50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen
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