Pilotversuch in Heidelberg

Asyl-Schnellverfahren im Test

Ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hält am 18.12.2015 in Heidelberg (Baden-Württemberg) in der Bamf-Außenstelle im Patrick-Henry-Village das Muster eines sogenannten Ankunftsnachweises für Flüchtlinge in den Händen.
Ab Februar wird der Ankunftsausweis schrittweise flächendeckend eingeführt: ein Datenreservoire, auf das Polizei und Behörden je nach Berechtigung zugreifen dürfen. © picture alliance / dpa / Uwe Anspach
Von Anke Petermann · 19.12.2015
Bis zum Entscheid eines Asylantrags können in Deutschland mehrere Jahre vergehen. Ein Schnellverfahren in Heidelberg soll einigen Asylsuchenden nun bereits innerhalb von ein bis zwei Tagen Gewissheit ermöglichen. Profitieren können davon vor allem Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive.
Gemeinsam mit Mohammed aus Syrien, nennen wir ihn so, füllt der Kurdisch-Dolmetscher Kemal Yildrim den Asylantrag aus. Mohammed ist einer von 5000 Flüchtlingen in der Heidelberger Landeserstaufnahme. In den früheren US-Kasernen liegen die Zentrale Registrierung von Baden-Württemberg und die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, direkt nebeneinander.
Die Flüchtlinge können deshalb die erste Erfassung der Daten inklusive Fingerabdruck, den Gesundheitscheck inklusive Tuberkulose-Test und die Antragsabgabe nacheinander auf kurzem Wegen erledigen. "Circa drei Monate bin ich in Deutschland", übersetzt Yildrim. Dass Mohammed nach einem Vierteljahr in Deutschland seinen Asylantrag einreichen kann, ist schon vergleichsweise zügig. Andere Neuankömmlinge bekommen derzeit Termine für 2017.
Wer wie der Kurde aus dem nordsyrischen Bürgerkriegsgebiet eine gute Bleibeperspektive hat, kann im Zuge des Heidelberger Schnellverfahrens darauf hoffen, dass sein Antrag innerhalb von ein, zwei Tagen entschieden wird.
250 Mitarbeiter sollen 1.000 Asylanträge täglich bearbeiten
"Der ist jetzt in Ordnung. Wir prüfen die Pässe, also die Personaldokumente auf Echtheit, ob die in Ordnung sind oder nicht."
Passprüfer Holger Ripplinger ist einer von demnächst 250 Mitarbeitern, die in Heidelberg ab 2016 tausend Asylanträge täglich bearbeiten sollen. Ripplinger leistet Vorarbeit für die Entscheider, von denen das BAMF immer noch zu wenige hat:
"Mit dem Gerät der Bundesdruckerei können wir eigentlich alle Pässe auf der Welt prüfen."
Zu den klaren Fällen, die innerhalb von zwei Tagen beschieden werden sollen, gehören auch Anträge aus den Westbalkan-Ländern, die zu 99 Prozent abgelehnt werden. Schnellere Klarheit ist wichtig vor allem für Kinder aus Albanien und Mazedonien, die unter dem häufigen Wechsel von Unterkünften und Schulen leiden.
Pilotversuch in Sachen "Ankunftsausweis"
Komplizierte Fälle, wie die von Somaliern, werden gesondert geprüft, vermutlich weiterhin mit teils jahrelangen Wartezeiten. Noch keine komplett frohe Botschaft aus Heidelberg also. Der Grüne Winfried Kretschmann allerdings, Ministerpräsident im Wahlkampf, und Regierungschef eines Landes, das besonders viele Flüchtlinge aufnehmen muss, kann mit Hilfe des Bundesamtes das Signal aus Baden-Württemberg senden, "dass wir auch hier ein Musterländle sind".
Geradezu ein Geschenk im Landtagswahlkampf also, dass das Bundesinnenministerium Heidelberg neben Berlin, Bielefeld und Zirndorf bei Nürnberg als Ort für den Pilotversuch in Sachen "Ankunftsausweis" für Flüchtlinge auserkoren hat.
"Der rechte Zeigefinger, bitte."
Anfangs wird es nicht rund laufen, deshalb braucht man engagierte Akteure. Der Druck des Zuzugs und der Wahlkampf erhöhen zweifelsfrei das Engagement. Notstände auch, wie der in Berlin. Ab Februar wird der Ankunftsausweis schrittweise flächendeckend eingeführt: ein Datenreservoire, auf das Polizei und Behörden je nach Berechtigung zugreifen dürfen.
Abschreckung durch Engpässe und lange Wartezeiten
Das soll unter anderem die Sicherheit erhöhen und den Kommunen die Planung erleichtern. Ein Grundproblem aber lösen der Ausweis und das Pilotverfahren nicht, gesteht BAMF-Präsident Frank-Jürgen Weise ein:
"Der ganz hohe Rückstand - wir haben ja 360.000 Menschen, die registriert sind und deren Asylverfahren noch nicht bearbeitet worden sind - der Abbau dauert weit bis in das nächste Jahr hinein. Man kann eigentlich nur fragen, warum haben wir das Ganze nicht vor einem Jahr gemacht, aber die Frage ist nicht erlaubt."
Dass Bund und Länder das Problem lange Zeit verschlafen haben, wäre eine mögliche Antwort auf die "verbotene" Frage. Dass Engpässe und lange Wartezeiten auch zur Abschreckung genutzt werden, eine andere.
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