Pierre Bost: "Bankrott"

Ein Erfolgreicher auf Abwegen

Die Silhouette eines Mannes.
Mit erstaunlicher Zeitlosigkeit erzählt Pierre Bost in "Bankrott" den Abstieg eines erfolgreichen Mannes. © imago / wolterfoto
Von Carolin Fischer · 02.09.2015
Ein impulsiver Geschäftsmann erlebt eine Midlife-Crisis mit schwerwiegenden Folgen. Bereits im Jahr 1928 erschien "Bankrott" von Pierre Bost: Ein Roman mit faszinierender historischer Dimension und zugleich erstaunlicher Zeitlosigkeit, der zum 40. Todestag des Autors ins Deutsche übersetzt wurde.
Als Autor hatte der 1901 geborene Pierre Bost mehrere Leben: In den 20er- und 30er-Jahren veröffentlichte er zahlreiche Romane, was ihn nicht davon abhielt, sich ab 1940 auf das Schreiben von Drehbüchern zu verlegen. Die beiden letzten für Bertrand Taverniers "Der Uhrmacher von St. Paul" und "Der Richter und der Mörder" waren die vielleicht erfolgreichsten. 1984 verfilmte Tavernier schließlich Bosts letztes Prosastück aus dem Jahre 1945, "Ein Sonntag auf dem Lande".
Obwohl dies dem Autor posthum erneut zu Anerkennung verhalf, zumal der Film mit der Goldenen Palme für die beste Regie und drei Césars ausgezeichnet wurde, geriet der Schriftsteller Bost weitgehend in Vergessenheit, bis der franko-kanadische Literaturwissenschaftler François Ouellet verschiedene seiner Werke neu edierte, zuletzt den Roman "Bankrott", der jetzt, zum 40. Todestag des Autors, in der Übersetzung von Rainer Moritz im Dörlemann Verlag erscheint.
Distanziert und ironisch
Wie in "Ein Sonntag auf dem Lande" (Dörlemann 2013) steht eine männlich Hauptfigur im Mittelpunkt der Handlung, der impulsive Geschäftsmann Brugnon, dessen Vornamen wir nicht erfahren. Beschrieben mit einer analytischen Distanz und einer anfänglichen leisen Ironie, die nach und nach einer milden Empathie weicht, können wir miterleben, was man heute als Midlifecrisis bezeichnen würde. Von frühester Jugend an daran gewöhnt, dass Arbeit das "Gerüst" des Lebens "aller Menschen" ist, kommt ihm gar nichts anderes in den Sinn als von früh bis spät zu arbeiten. Selbst das abendliche Amüsement in verschiedenen Pariser Etablissements scheint mehr der Vermeidung des Nichtstuns zu dienen, als ein wirkliches Vergnügen zu sein.
Die Beziehung zu seiner "Geliebten", Simone, ist durch tiefe gegenseitige Liebe geprägt, der allerdings die körperliche Dimension fehlt. Halb aufgefressen von der Arbeit, verliebt sich der Zuckerhändler jenseits der Lebensmitte haltlos in eine seiner Stenotypistinnen, die sich ihm entzieht. Brugnon bricht daraufhin zusammen, genau als sein Unternehmen in eine Krise taumelt, und er widersetzt sich allen Rettungsplänen, sodass es zum finanziellen wie menschlichen Bankrott kommt.
Prägnante Charakterschilderungen
Die besonderen Stärken dieses Buches liegen auf zwei Ebenen. Zum einen sind es die knappen, aber ganz prägnanten Charakterschilderungen, besonders wenn es um das zwischenmenschliche Miteinander geht. Ebenso behutsam wie präzise schildert Bost das schwierige Gleichgewicht zwischen persönlichen Frustrationen und dem ausgeprägten Wunsch, den anderen möglichst glücklich zu machen oder wenigstens einige angenehme gemeinsame Stunden zu verbringen.
Zum anderen zeigt dieser 1928 erschienene Roman den Beginn der "Modernen Zeiten": die Geschäftsleute "eilen ständig zu einem dringenden Treffen, telefonieren am Stück, essen mittags ein Sandwich, um so zu zeigen, dass sie in Eile sind." Die Frauen hingegen stehen am Beginn der Emanzipation, womit ein Mann wie Brugnon nicht umzugehen weiß. All dies verleiht dem Roman eine faszinierende historische Dimension und zugleich eine erstaunliche Zeitlosigkeit.

Pierre Bost: Bankrott
Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Rainer Moritz
Dörlemann Verlag, Zürich 2015
255 Seiten, 19,90 Euro

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