Pianistin Beatrix Becker

Inspiration und Befreiung in Buenos Aires

Die Pianistin Beatrix Becker im Aufnahmestudio
Mit dem neuen Album "Phoenix" sei sie bei einem Klang angekommen, mit dem sie weiterarbeiten will, so die Pianistin Beatrix Becker. © Ule Mägdefrau
Von Camilla Hildebrandt · 24.02.2016
Nach dem Scheitern wieder aufstehen: Dafür stehe der Titel ihres dritten Soloalbums "Phoenix", sagt Beatrix Becker. Warum sie ausgerechnet in Buenos Aires beschlossen hat, keine Tangomusikerin mehr zu sein, hat die Pianistin unserer Autorin Camilla Hildebrandt erzählt.
"Es gab zwei Seite. So eine ganz Brave, die immer das gespielt hat, was sie spielen sollte und so eine, die nach was gesucht hat. Das ist sowieso bei mit der rote Faden, ich bin eine Suchende.
Ich hab schon als Fünfjährige auf der Schaukel gesessen und das ganze Leben, das ich um mich herum wahrgenommen habe, versungen. Ich hab über alles Lieder gemacht, Kassetten aufgenommen. Und die Musik, die ich dann später auf dem Klavier gelernt habe und auf der Klarinette, die war gut, aber nicht, was ich gesucht habe."
Beatrix Becker, in Berlin geboren, lernt als Kind Blockflöte, sie singt im Kinderchor – und ist damit unglücklich. Bis eines Tages ihr Großvater beschließt, sein Klavier von Frankfurt nach Berlin zu bringen. Als sie ihre Mutter am Piano spielen hört - damals war sie acht - war selbstverständlich, dass sie dort auch hingehörte:
"Ich wollte Rotkäppchen werden oder Pianistin, das war für mich als Kind völlig klar. Und meine Eltern mussten mich immer vom Klavier wegholen. Also das ging nicht so: jetzt üb doch mal. Sondern: Das Essen ist fertig, jetzt komm doch endlich."
Ohne Plan in die Tangowelt gerutscht
Sie studiert Klarinette und Klavier und gründet die Band "Bassa", Becker spielt Klarinette. Ein Quintett, das vom Tango beeinflusst ist. Zwei erfolgreiche Alben entstehen, die Band reist von einem Konzert zum anderen. Irgendwie sind wir in die Tangowelt immer mehr hineingerutscht, sagt Beatrix, obwohl das nicht geplant war.
Der Tango sei schon in ihrer Jugend eine Art Schlüsselmusik gewesen, wo sie sich wiedergefunden habe. Ähnlich wie im Klezmer und Flamenco, Rhythmen, die in ihre Kompositionen für "Bassa" miteinfließen. Zum Beispiel in dem Lied "La Petite Pricesse" von dem Album "Berlin Tango":
"Ich bin eine Sehnsüchtige und eine Suchende, ja, ich mag es wenn es sich reibt, wenn es fehlt, wenn es nicht da ist, das sind die großen Momente."
Tango ist Sehnsucht. Ein sich Sehen nach etwas Anderem, nicht unbedingt Definierbarem, nach großen Gefühlen vielleicht. Als Beatrix 2011 "Bassa" verlässt, reist sie nach Buenos Aires, in die Geburtsstadt des "traurigen Gedanken, den man tanzen kann", wie Enrique Santos Discépolo einst den Tango beschrieben hat. Sie studiert einen Monat Komposition. Dort entsteht die Idee für ein Solo-Projekt und:
"Buenos Aires hat für mich den Tango insofern verändert, als dass ich danach beschlossen habe, dass ich keine Tangomusikerin bin. Ich hab festgestellt, das ist etwas anderes, was wir hier machen. Und ich hab da auch beschlossen, dass ich mich nicht weiter spezialisieren möchte, dass ich mir die Freiheit nehmen möchte, als Komponistin, alles was mich berührt, zu nehmen und zu bearbeiten.
Es gibt eine wilde Mischung an Orten, die ich besucht habe, das fing in Buenos Aires an, das ging weiter nach Israel. Habe dort 14 Tage bei einem Klezmer Festival mitgemacht, hatte einen Meisterkurs bei Giora Feidmann. Da hat sich das ganze Suchen als Jugendliche plötzlich geklärt, plötzlich war ich umgeben von Menschen, die auch alle so anders und suchend waren. Das hat mir sehr viel Mut gemacht. Und lustigerweise hab ich dann die Klarinette zur Seite gelegt, ich hab vorher nur für das Komponieren Klavier gespielt."
Ein Klang als Kuchenteig
Aber erst jetzt mit "Phoenix", dem aktuellen Album, sagt Beatrix Becker, sei sie bei dem Klang angekommen, bei dem Kuchenteig, wie sie es nennt, mit dem sie weiterarbeiten möchte. Eigen-Kompositionen nur für Piano und Stücke für Klavier mit drei Celli und Violine. Klezmer, Flamenco und Klassik-Einflüsse lassen sich heraushören, Anleihen von großen Kollegen, ähnlich wie Zitate in Kinofilmen. Und interessant sei, sagt Becker, dass der Tango, seitdem sie ihn nicht mehr explizit spiele, ganz von alleine zu ihr gekommen sei.
Ich wollte mit dieser CD alle Seiten von mir herauskitzeln, die normalerweise nicht unbedingt offen liegen, sagt Beatrix Becker. Eine große Herausforderung, für sie und die Zuhörer. Denn meist erwarte man doch das, was man kenne, meint die Musikerin. Aber genau das ist Phoenix: Risiko, Scheitern und wieder aufstehen und weitergehen.

Ab Anfang März ist die Berliner Pianistin auf Tournee durch Deutschland, England und die Schweiz. Mehr Infos auf der Homepage von Beatrix Becker.

Mehr zum Thema