Philosophie

Denker ohne Grenzen

Nikolaus von Kues (1401-1464), Zeichnung von Klaus Kordel (Trier)
Nikolaus von Kues (1401-1464), Zeichnung von Klaus Kordel (Trier) © Klaus Kordel, dpa
Von Anna Gann · 11.08.2014
Während der Wende zum 16. Jahrhundert stellte der Philosoph Nikolaus von Kues unumstößlich geltende Denkweisen infrage - und suchte nach einem Weg zum Frieden zwischen Moslems und Christen. Vor 550 Jahren starb er.
Der Philosoph Nikolaus von Kues war einer der bedeutendsten Denker an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. In seinem Werk "Idiota de sapientia" - zu Deutsch: "Der Laie über die Weisheit" - lässt er einen einfachen ungebildeten Menschen auf dem Marktplatz zu einem wohlhabenden, gut situierten Redner sagen:
"Du lässt dich von den Ansichten der Tradition führen, wie ein Pferd, das zwar frei geboren, aber mit einem Halfter an eine Krippe gebunden ist, wo es nichts anderes frisst, als was ihm dargeboten wird."
Völliges Umwerfen traditioneller Denkweisen
Cusanus zog als unumstößlich geltende Überzeugungen in Zweifel und stellte Autoritäten infrage, zum Beispiel die Gelehrten als Verwalter des Wissens und der Wahrheit. Ihnen stellte er die einfachen Leute mit ihren alltäglichen Erfahrungen gegenüber.
"Die Weisheit ruft auf den Plätzen und in den Gassen."
Seine Gedanken über die Begrenztheit des Wissens brachten ihn auch dazu, das herrschende Weltbild auf den Kopf zu stellen. In seinem Hauptwerk "De docta ignorantia" - Von der belehrten Unwissenheit - stellte er fest:
"Die Erde kann nicht Weltzentrum sein. Sie kann also auch nicht ohne jede Bewegung sein."
Cusanus als sich allseits umsorgender Bischhof
Nikolaus Cusanus wurde im Jahr 1401 in Kues an der Mosel als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren, das genaue Datum ist unbekannt. Er studierte Kirchenrecht und beschäftigte sich mit Theologie, Philosophie, Mathematik und Astronomie. Mit seiner Reformschrift "De concordantia catholica" - deutsch: Über die allumfassende Eintracht - erregte er Aufsehen auf dem Konzil von Basel. Diese Kirchenversammlung stritt seit 1432 über die Frage, ob der Papst oder das Konzil die oberste Entscheidungsgewalt habe.
Cusanus wandelte sich vom Konzilsanhänger zum bedeutendsten Kämpfer für das Papsttum. Als päpstlicher Legat erreichte er bei Gesprächen in Konstantinopel eine Verständigung der getrennten Kirchen des Westens und des Ostens. Er half, die Kirche im Deutschen Reich unter ihrem Oberhaupt zu einen. 1448 wurde er Kardinal, zwei Jahre später Bischof von Brixen in Südtirol und damit Reichsfürst.
Anders als die meisten seiner Bischofskollegen widmete Cusanus sich selbst der Seelsorge, predigte und reiste sogar zur Kirchweihe in entlegene Bergdörfer. Mit Strenge wachte er über die Einhaltung kirchlicher Vorschriften. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Herzog Sigmund von Tirol floh er aus dem Bistum und begab sich später nach Rom. Dort empörte ihn der Lebensstil im Herzen der Kirche. Seinem Freund Papst Pius II. gegenüber klagte er:
"Nichts gefällt mir, was hier an der Kurie getrieben wird; alles ist verdorben, keiner tut seine Pflicht. Alle fördern Ehrgeiz und Habsucht!"
Ungewöhnliche Auseinandersetzung mit dem Islam
Der große Gelehrte hat eine umfangreiche Bibliothek mit wertvollen Handschriften hinterlassen. Sie wird im Cusanus-Stift seiner Geburtsstadt verwahrt. In seinem Nachlass befand sich auch ein arabischer Koran. Denn Cusanus hat sich intensiv mit dem Islam beschäftigt, was für einen Theologen seiner Zeit höchst unüblich war.
"Ich habe mich nach Kräften um ein Verständnis des Gesetzbuches der Araber bemüht."
So hob er in seinem Werk "Cribratio Alkorani" - zu Deutsch: Sichtung des Koran - hervor. Als 1453 die Türken Konstantinopel erobert hatten - ein Schock für das abendländische Christentum - dachte er in seiner Schrift "De pace fidei" über die Frage nach, wie Friede zwischen den Religionen gestiftet werden kann. An einen spanischen Theologen schrieb er:
"Ich halte es für besser miteinander zu sprechen, als gegeneinander Krieg zu führen."
Einstellung, dass das Christentum die allein gültige Wahrheit ist
Nikolaus von Kues starb am 11. August 1464 auf einer Reise im umbrischen Todi. Einen interreligiösen Dialog hatte er nicht im Sinn. Die allein gültige Wahrheit lag für ihn im christlichen Glauben. Doch er gestand Anhängern anderer Religionen zu, dass sie redlich nach der Wahrheit suchten. Eine Einstellung, die heute im Gespräch zwischen den Religionen selbstverständlich ist. Zur Zeit des Cusanus bedeutete sie jedoch ein Denken über Grenzen hinweg, die andere für unumstößlich hielten.
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