Philip Kerr: "Die Hand Gottes"

Ein Philip Marlowe im Trainingsanzug

Gerangel um den Ball bei einem Fußballspiel
Mit harten Bandagen wird auch in Philip Kerrs neuem Roman gekämpft. © picture alliance / dpa / Jens Wolf
Von Thomas Jaedicke · 07.06.2016
Im Kampf um die Champions-League-Qualifizierung wird der Star eines englischen Premier-League-Klubs heimtückisch ausgeschaltet. Philip Kerrs neuer Thriller "Die Hand Gottes" besticht durch vielschichtige Charaktere und lakonische Sprache.
Wussten Sie schon, dass Horst Daxenberger, weil er unbedingt nächste Saison Champions League spielen will, für 35 Millionen Euro von Hertha BSC zu London City wechselt? Nein?! Sie könnten das auch nur wissen, wenn Sie Philip Kerrs neuen Fußballthriller "Die Hand Gottes" gelesen hätten. Denn den von einem ukrainischen Oligarchen gepäppelten englischen Premier-League-Klub und den blondmähnigen Hertha-Kapitän gibt es nur in Kerrs vielfach ausgezeichneter Fantasie.
Dass die Geschichte erst ab Seite 100 ein knallharter Krimi wird, macht überhaupt nichts. Kerr muss einen so langen Anlauf nehmen, bevor Fakten und Fiktion richtig ineinander verschraubt sind. Um London City - samt seines globalisierten Personals - in den korrupten, real existierenden Profifußballzirkus einzubauen, bedarf es einiger sinnvoller Erklärungen. Aber der Aufwand der langen Aufwärmphase lohnt sich wirklich.
Kerr versteht sein Geschäft. Bei der Komposition seines Kaders denkt der fußballkundige Schotte angenehmerweise nicht nur schwarz-weiß. Die London-City-Entourage, in hartem Wettbewerb mit Abramowitschs Chelsea und den anderen englischen Fußballgrößen stehend, setzt sich nicht nur aus schnöseligen Fußballmillionären zusammen. Kerrs Charaktere sind vielschichtig gebrochen, was neben der lakonischen Sprache und guten, schnodderigen Dialogen enorm hilft, die kompliziert verschachtelte Geschichte so gut lesbar zu machen.

Skrupellose Wettmafiosi wollen auf Nummer sicher gehen

Der Plot: Um sich für die Champions League zu qualifizieren, muss London City zwei Mal gegen Olympiakos Piräus spielen. Beim Hinspiel in Griechenland bricht Londons Starspieler Bekim Develi, ein in der Türkei geborener, russischer Jude, auf dem Feld zusammen und stirbt. Was zunächst wie ein Herzinfarkt aussieht, entpuppt sich als Mord. Skrupellose Wettmafiosi, die viel Geld auf die Griechen gesetzt haben, ziehen Develi, um auf Nummer sicher zu gehen, mit einem heimtückischen Anschlag aus dem Verkehr.
Doch bis man das endlich weiß, wird viel geschnüffelt und ermittelt. Nicht nur von der griechischen Polizei. Wie in "Der Wintertransfer" leistet auch in Philip Kerrs neuem Krimi wieder Scott Manson, inzwischen vom Co-Trainer zum Cheftrainer der Londoner aufgestiegen, die meiste detektivische Drecksarbeit. Die Lösung des Falls kommt, wie es sich für einen anständigen Krimi gehört, spät; so spät "wie ein Easyjet-Airbus aus Luton".
Doch als der Mörder aus Rücksicht auf Geschäftsinteressen davonkommt, kehrt der Moralist Manson, ein Philip Marlowe im Trainingsanzug, dem Fußballzirkus den Rücken. Zumindest bis zum Herbst. Denn Ende Oktober wird Scott Manson in "Die falsche Neun", Philip Kerrs drittem Fußballthriller, in die Manege zurückkehren.

Philip Kerr: Die Hand Gottes. Roman.
Tropen Verlag, Stuttgart 2016
397 Seiten, 14,95 Euro

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