Pflanzenspion in der Luft

Von Peter Kaiser · 10.03.2010
Quadrocopter sind kleine Spione in der Luft, entwickelt für die Geheimdienste und das Militär. Doch die präzisen Bilder, die die Drohnen aus geringer Höhe schießen, lassen sich auch anders verwenden, etwa für die Landwirtschaft, wenn es darum geht, genaue Daten für die Düngung der Felder zu erhalten.
Immer wieder treibt Ruprecht Herbst den etwa 20 Zentimeter großen Quadrocopter zur Maximalleistung. Denn die Zeit drängt, sagt der Professor vom Institut für Pflanzenbauwissenschaft an der Berliner Humboldt Universität. Bald ist Aussaat- und Düngezeit, und da soll das Flugobjekt erste Testflüge über Ackerflächen absolvieren.

"Wir haben unterschiedliche Pflanzenwachstumsdynamiken, die wir beobachten können, gerade wenn wir von oben gucken. Im Gegensatz dazu sind die Felder bisher immer einheitlich bewirtschaftet worden. Und jetzt haben wir auf einmal die Chance, sehr scharfe Bilder von der Oberfläche zu erhalten. Wo wir Standortunterschiede erkennen können, Pflanzenwachstumsunterschiede erkennen können."

Bislang werden Felder einheitlich gedüngt. Mit dem Resultat, dass überdüngt wird und Böden und Gewässer belastet werden. Der Quadrocopter könnte hier helfen, den exakten Düngebedarf zu ermitteln. Verena Hafner vom Institut für Informatik an der Humboldt Universität leitet die Forschergruppe für kognitive Robotik. Sie hat die Navigation der Quadrocopter entwickelt.

"Also ein Quadrocopter ist ein Flugobjekt mit vier Rotoren, das den Vorteil hat, dass es stabil in der Luft stehen kann. Also im Gegensatz zu einem Flugzeug kann es über einem bestimmten Punkt hovern und die fliegen bis zu 80 km/h schnell und bis zu 200 Meter hoch."

Quadrocopter sehen aus wie zwei Hanteln zum Kreuz gelegt. An jedem Ende ist ein Rotor. Mittig im etwa 20 mal 20 Zentimeter großen Apparat befindet sich die Systemsteuerung plus Akku, der für rund 30 Flugminuten Strom liefert.

"Das Besondere ist, dass das Gerät ja jetzt nicht mehr nur ferngesteuert werden soll. Man kann nicht erwarten, dass jeder Landwirt da professionelles Pilotentraining macht. Das geht nicht. Und das Neue ist, dieses Fluggerät autonom steuern zu können, und so in dieser Form gibt es das noch nicht."

Bislang, sagt die Juniorprofessorin, wurden ähnliche Drohnen immer funkferngesteuert. Selbstständige Starts, Überflüge und Landungen, wie jetzt beim Quadrocopter geplant, waren Utopie. Und sie sind es auch noch, denn vollkommen autonom kann der Quadrocopter noch nicht arbeiten.

"Natürlich reicht es nicht, wenn man nur die Eckkoordinaten des Feldes eingibt und das dann automatisch abfliegen lässt. Erstens muss man immer mit Hindernissen rechnen, mit spontan auftauchenden Hindernissen, dann sind die Windbedingungen unterschiedlich, das Gerät muss stabil in der Luft stehen können."

Ist die Flugstrecke mit GPS-Daten vorab programmiert, steigt der rund 1 Kilogramm schwere Quadrocopter selbstständig in die Luft und beginnt seinen Flug über die Ackerfläche. Sensoren erkennen Hindernisse, vor denen der Apparat stoppt oder die er umfliegt. Während des Fluges schießen zwei Kameras etwa 200 Bilder, die im Laptop des Bauern sofort mit einer speziellen Software bearbeitet werden.

Ruprecht Herbst: "Diese Bilder müssen radiometrisch korrigiert werden, das heißt, atmosphärische Störungen und irgendwelche falschen Neigungswinkel der Kamerastellungen müssen herausgerechnet werden. Dann muss ein Bildhelligkeitsabgleich gemacht werden. Und wenn wir dann dieses Bild haben, muss jeder Punkt auf diesem Bild eine genaue Koordinate haben, damit wir es auf der Erdoberfläche zuordnen können."

Die Software erledigt diese Bildbearbeitungen in Sekundenschnelle. Mit den Daten aus den Luftbildern kann nun der Bauer sein Feld optimal versorgen.

"Weil wir nämlich aus den Informationen im sichtbaren Bereich Informationen über den Chlorophyllgehalt der Pflanze erhalten. Und im nahen Infrarotbereich haben wir die Möglichkeit, Biomasse abzuschätzen. Und das sind für uns beides Informationen, die ganz entscheidend sind, um die optimale Stickstoffmenge, die teilflächenspezifisch ausgebracht werden soll, zu kalkulieren."

Je nach den Standorten kann er die Pflanzen bedarfsgerecht düngen. Dieser exakte Einsatz spart Pflanzenschutzmittel, zugleich gelangt deutlich weniger Stickstoff in den Boden oder ins Wasser. Auch als Kostenfaktor ist das für den Bauern ein wichtiges Plus.

"Als ich gehe schon davon aus, dass wir 20 Prozent Düngemittel einsparen können am Ende."

In den nächsten Monaten sollen in Brandenburg und Thüringen Quadrocopter erste Testflüge über Felder absolvieren. Die geschätzten Kosten für ein Serienmodell liegen bei rund 2500 Euro. Ein Preis, der sich schnell durch die Ersparnis an Düngemittel amortisieren wird. Nach Aussagen der Entwickler haben die Bauern großes Interesse an dem "neuen Arbeitstier über Feld und Hof."
Mehr zum Thema