Petite Noir

Musik aus dem Kongo trifft auf New Wave

Der Künstler Petit Noir
Der Künstler Petite Noir © Travys Owen
Von Carsten Beyer · 09.09.2015
Yannick Ilunga alias Petite Noir erfindet für seinen Sound kurzerhand das dazugehörige Genre selbst: Noirwave. Ilunga ist in Kapstadt aufwachsend und hat halb kongolesische, halb angolanische Wurzeln. Diese Einflüsse mischt er mit westlicher Popmusik.
Genres sind für die meisten Musiker ein Gräuel. Dass das mühsam produzierte Erstlingswerk von Kritikern in irgendeine Schublade gesteckt wird, im CD- Geschäft auf einmal in einer alphabetisch geordneten Sektion verschwindet, davor haben vor allem junge Musiker Angst, die sich noch keinen eigenen Namen machen konnten. Petite Noir allerdings – oder Yannick Ilunga, so heißt der Mann mit bürgerlichem Namen – geht mit dem Problem ganz offensiv um: Er hat sich einfach selbst ein Genre ausgedacht – und sieht sich damit gleich als Speerspitze einer neuen Bewegung
"Noirwave – das ist eine Bewegung aus Afrika, die aber nicht rassenspezifisch ist. Jeder kann Noirwave machen. Für mich steht dieser Begriff für eine neue Ästhetik, für eine neue Kraft, für ein ganz neues Selbstbewusstein des afrikanischen Kontinents. Die Welt kennt vor allem das Bild eines armen unterernährten Babys mit Fliegen in den Augen. Noir Wave zeigt, dass es da sehr viel mehr zu entdecken gibt."
"La Vie est Belle – das Leben ist schön" – den Titel seines Debutalbums hat Petite Noir von einem kongolesischen Film aus den 80er-Jahren übernommen. Sein Vater hatte ihm oft von diesem Film erzählt – später wurde daraus eine Erinnerung an seine alte Heimat – und eine Art Lebensmotto:
"In dem Film geht es um einen Musiker, der aus einem kleinen Dorf in die Stadt kommt und da eine große Karriere machen will. Mir hat vor allem der Titel gefallen – La Vie est Belle – das passt zu mir. Ich sehe auch gern die positiven Seiten im Leben, das Gute inmitten einer verrückten Welt:"
Obwohl er erst Mitte 20 ist, hat Petite Noir schon einiges erlebt: Sein Vater war Minister in der kongolesischen Regierung, musste dann aber in den Wirren des Bürgerkriegs fliehen. Seine Mutter, eine Angolanerin, hat ihn in Südafrika aufgezogen, in einem sehr christlichen Umfeld – inklusive Bibelschule und Gospelchor. Später dann kam Petite Noir nach London, lernte Leute wie Mos Def und Solange kennen, und begann, an seiner eigenen Musik zu feilen – einer Mischung aus Elektronik, Pop und afrikanischen Sounds.
"Als ich jung war, habe ich viel Punk gehört"
"Ich habe das früher überhaupt nicht verstanden, was es für mich bedeutet, Kongolese zu sein. In Südafrika, wo ich aufgewachsen bin, gab es eine Menge Fremdenfeindlichkeit, da hat man sowas besser nicht an die große Glocke gehängt. Erst in den letzten vier, fünf Jahren habe ich gemerkt, wie schön es ist, eine spirituelle Heimat zu haben. Wenn ich jetzt Musik aus dem Kongo höre, macht mich das frei und ich merke, wer ich eigentlich bin."
"Down" heißt dieses Stück. Es ist die erste Single aus "La Vie est Belle" und es spiegelt ganz gut die Philosophie von Petite Noir wieder: "We're not going down" singt er hier immer wieder – eine optimistische Botschaft über einem futuristisch klingenden Soundtrack. Egal ob Unterernährung; Krankheiten, Überbevölkerung oder Rassismus – die Menschheit wird ihre Probleme in den Griff kriegen, wenn sie es nur schafft, ihre eigene Gier zu besiegen, davon ist der Sänger überzeugt.
"Viele Leute sagen, Afrika ist arm, der Kontinent kommt nicht vom Fleck und so weiter, aber das ist nicht fair. Du kannst nicht eine Gesellschaft, die es seit Tausenden von Jahren gibt, mit Maßstäben messen, die gar nicht die ihren sind. Als wir im Kongo waren für den Videodreh von 'Down', da habe ich auch viele kleine Dörfer besucht. Die Leute dort sind arm, aber sie sind glücklich . Niemand beschwert sich. Wenn es das Geld nicht gäbe, wenn es nie erfunden worden wäre, dann könnten sie dort in Frieden leben, dann könnten wahrscheinlich alle Menschen in Frieden leben."
So afrikanisch seine Denkweise ist, so westlich ist die musikalische Prägung von Petite Noir. Besonders überraschend sind dabei die Verweise auf ein Genre, dass man bei einem jungen Musiker aus Afrika nun wirklich nicht erwartet hätte - der New Wave der 80er-Jahre: Bands wie New Order, Tears for Fears oder die frühen Depeche Mode klingen an vielen Stellen durch – und das, obwohl Petite Noir Stein und Bein schwört, bis vor ein paar Jahren noch nicht mal deren Namen gekannt zu haben.
"Als ich jung war, habe ich viel Punk gehört, und Heavy Metal. Das hat mir gefallen, deswegen habe ich damals überhaupt erst angefangen, Gitarre zu spielen und Musik zu machen. Später kamen dann auch elektronische Musik und Rap dazu – aber die ganzen New Wave Bands aus den 80ern, New Order oder Depeche Mode, die kannte ich überhaupt nicht. Trotzdem: die Ähnlichkeiten sind da – heute kann ich das natürlich auch hören."
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