Peter Wohlleben: "Das Seelenleben der Tiere"

Tiere sind auch nur Menschen

Hund und Katze kuscheln auf dem Sofa.
Hund und Katze kuscheln auf dem Sofa: Wie fühlen die Tiere sich dabei? © picture-alliance/ dpa / Rafael Herlich
Von Johannes Kaiser · 01.07.2016
Tiere sind keine instinktgetriebenen Wesen - sie besitzen eine Gefühlswelt, wie Peter Wohlleben in seinem Buch "Das Seelenleben der Tiere" belegt. Seine Grundthese: Menschen und Tiere teilen dasselbe genetische Erbe - folglich sei das Gefühlsleben auch in der Tierwelt anzutreffen.
Jeder Hunde-, jeder Katzenbesitzer weiß es: Sein Liebling hat seine Launen und kennt zahlreiche Möglichkeiten, Zufriedenheit, Zuneigung oder Ärger auszudrücken. Haustiere sind keine allein instinktgetriebenen, genetisch vorprogrammierten Maschinen. Sie besitzen durchaus eine Gefühlswelt. "Erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt", heißt dementsprechend auch im Untertitel zu Peter Wohllebens neuem Buch "Das Seelenleben der Tiere".
Dabei ist diese Erkenntnis nicht neu, wie auch die vielen im Buch zitierten Studien der Verhaltensforschung zeigen. Und ständig werden neue Fähigkeiten entdeckt. Peter Wohlleben erzählt in gewohnt lockerer Art und weiß genau, wie man komplizierte Sachverhalte so aufdröselt, dass jeder sie verstehen kann. Zudem bringt er als aufmerksamer Beobachter stets seine eigenen Erlebnisse mit ein. Immerhin er hat nicht nur einen ganzen Wald voller Tiere vor der Haustür, sondern hütet mit seiner Familie auch noch Hunde, Katzen, Kaninchen, Ziegen und Pferden.

Mensch und Tier teilen genetisches Erbe

Wohllebens Grundthese, die sich durch das ganze Buch zieht, lautet: Menschen und Tiere teilen dasselbe genetische Erbe. Die Evolution hat sich nicht die Mühe gemacht, alles neu zu erfinden. Folglich ist das Gefühlsleben, das Menschen lange Zeit nur sich selbst zugebilligt haben, auch in der Tierwelt anzutreffen.
So weiß man durch einen Test mit Spiegeln inzwischen, dass sich nicht nur Schimpansen, sondern auch Raben und Schweine in der Spiegelung wieder erkennen. Sie sind also zur Selbstwahrnehmung fähig. Kleinkinder schaffen das übrigens erst in einem Alter von 18 Monaten. Schweine können darüber hinaus sogar auch noch räumlich denken. In einem Test wurde hinter einer Absperrung Futter versteckt, das Futter konnten sie nur über einen Spiegel sehen. Bereits nach wenigen Sekunden verstanden die meisten Schweine, dass sie hinter die Absperrung gelangen mussten, um an die Leckerbissen zu kommen. Überhaupt das Schwein: Der Autor singt ein Loblied auf die wilde wie die häusliche Variante. Es ist nicht nur intelligent, sondern auch reinlich und es empfindet Schmerz. Umso brutaler ist die Massentierhaltung. Peter Wohlleben plädiert für eine artgerechte Haltung, ohne jedoch Fleischverzicht zu fordern.

Tiere werden nicht vermenschlicht

Es ist immer wieder verblüffend, welche durchaus bewussten Verhaltensformen Tiere besitzen. Kohlmeisen warnen sich üblicherweise mit einem Warnruf gegenseitig vor Gefahren. Manche Kohlmeise stößt ihn allerdings auch aus, um in Ruhe eine Leckerei alleine zu verspeisen, während sie alle anderen in Sicherheit gebracht haben. Krähen können in die Zukunft sehen und Pferde können sich schämen. Der Autor zeigt aber auch, wie egoistisch, brutal und bösartig Tiere sein können. Dabei vermenschlicht er sie nie.
Manche Beispiele kennt man bereits aus Naturfilmen und anderen Büchern. Das schmälert das Vergnügen an Peter Wohllebens Buch kaum. Er buchstabiert das ganze Alphabet vermeintlich typisch menschlicher Gefühle durch, um zu zeigen, dass die eben auch in der Tierwelt vorkommen. Ein Buch, das immer wieder Staunen lässt!

Peter Wohlleben: Das Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt
Ludwig Verlag, München 2016
239 Seiten, 19,99 Euro