Personalberaterin: Frauenquote ist zu kurz gedacht

Ulrike Wieduwilt im Gespräch mit André Hatting · 17.10.2011
Nach Ansicht der Personalberaterin Ulrike Wieduwilt muss in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Dax-Konzerne noch ein deutliches Umdenken in Bezug auf Frauen in Führungspositionen stattfinden.
André Hatting: Heute kommt es zum Showdown: Die Bundesregierung empfängt die Chefs der 30 DAX-Unternehmen und die sollen mal erklären, wie sie in Zukunft mehr Frauen auf die Kommandobrücke holen. Ursula von der Leyen hat die Faxen nämlich dicke, Lippenbekenntnisse haben wir genug gehört, findet die Bundesarbeitsministerin. Sie will mit einem Gesetz dafür sorgen, dass bis 2018 jede dritte Führungskraft weiblich ist. Am Telefon begrüße ich jetzt Ulrike Wieduwilt, sie ist seit acht Jahren Partner von Russell Reynolds Associates, das ist eine der größten Personalberatungen der Welt und spezialisiert auf Führungskräfte. Guten Morgen, Frau Wieduwilt!

Ulrike Wieduwilt: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Frau Wieduwilt, wie viel Frauen haben Sie in diesem Jahr in Spitzenpositionen gebracht?

Wieduwilt: Dieses Jahr schaue ich mehr Aufsichtsräte an, dann sind es zwei Positionen gewesen, schaue ich mehr den Vorstand an, dann sind es zwei, drei (Anm. d. Red: schwer verständlich) Positionen gewesen.

Hatting: Und wie viele im Vergleich dazu sind Männer?

Wieduwilt: Im Vergleich dazu können Sie ungefähr bei uns mit einer Quote rechnen von 80 zu 20 Prozent. Grundsätzlich ist aber sehr unterschiedlich, in welche Branchen Sie reingehen. Also, sprechen Sie von den DAX-30-Unternehmen, oder sprechen wir insgesamt von internationalen Unternehmen, die zum Beispiel einen großen Teil ihres Umsatzes auch in Deutschland tätigen. Also nehmen Sie Beispiele wie Coca-Cola, wie Danone, wie Karlsberg … Hier ist die Offenheit sehr viel größer und hier haben wir häufig auch Frauen drin, an der Spitze.

Hatting: Warum tun sich die DAX-30-Unternehmen in Deutschland so schwer, warum ist es einfacher bei einem Unternehmen wie Coca-Cola, das Sie gerade genannt haben?

Wieduwilt: Ich denke, zum einen ist es, in den internationalen Unternehmen wird es schon sehr lange gelebt und man hat sehr früh damit angefangen, ohne das per Quote zu regulieren, sondern sich einfach immer auf den Besten zu konzentrieren. Dort haben wir heute Marketingabteilungen, wo 70 bis 80 Prozent Frauen sind, was ganz interessant ist. Wenn Sie die großen DAX-30-Unternehmen anschauen, dann ist natürlich sehr viel noch Industrieanteil. So, und in der Industrie ist es von jeher immer sehr schwierig gewesen für Frauen, wirklich Fuß zu fassen, a) aufgrund der Ausbildungsberufe, b) aber aufgrund der Einstellung auch, weil hier einfach Vorstände sind, die es nicht gewohnt sind, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Also, auch die zweite und dritte Ebene ist häufig noch nicht so sehr von Frauen besetzt, gehen Sie jetzt in die Schwerindustrie oder Automobil.

Hatting: Könnte, wenn eben ein Aspekt, wie Sie gerade ausgeführt haben, die Haltung in vielen Firmen ist in Deutschland, könnte dann eine Frauenquote daran etwas ändern? Denn dann wären die Unternehmen ja gezwungen, das zu ändern?

Wieduwilt: Also, ich denke, grundsätzlich eine Frauenquote morgen per Gesetz – da sind sich auch viele Frauen gar nicht einig in der Einstellung dazu – wäre immer nur eine feste Vorgabe, die einfach zu kurz gedacht ist. Sondern wir müssen ja entscheiden, dass es eigentlich der Beste ist, der in der Position ist. Nichtsdestotrotz haben wir eine Verpflichtung oder, wir im Aufsichtsrat, eine Vorgabe, wo wir sagen, wer jetzt von draußen kommt, da müssen eben 30 Prozent Frauen rekrutiert werden, dann ist das auf jeden Fall umsetzbar. Und diese Frauen sind auch vorhanden. Gehe ich in die Vorstände rein, denke ich, muss sich die Einstellung ganz stark ändern. Es gibt hier einen ganz interessanten Gedankengang: Schauen Sie sich die Väter an, die in den Vorständen sind und Töchter haben, die haben heute schon eine ganz andere Einstellung dazu.

Hatting: Es gibt ein Land, das seit 2006 sehr erfolgreich praktiziert, das ist Norwegen. 40 Prozent gilt da für Aufsichtsräte und es funktioniert. Warum soll das in Deutschland mit so einer rigiden Vorgabe Ihrer Meinung nach nicht so einfach funktionieren?

Wieduwilt: Weil ich nach wie vor denke, man soll sich dafür entscheiden – und dafür stehen wir alle –, dass wir nicht gegen Leistung diskriminieren, alsodass ich nicht gezwungen werde, dass gesagt wird, es muss eine Frau sein, sondern dass ich immer sage – und da können wir sehr stark von der Personalberatung dran arbeiten –, aus unseren Vorschlägen sollten von sechs Vorschlägen auch möglichst die Hälfte Frauen sein. So, und dann sollte man sich dafür entscheiden, wer der Beste ist von den Fähigkeiten und Kenntnissen, und den in diese Position reinbringen. Nichtsdestotrotz, wir werden einen großen Wechsel haben 2013 und 2017 dann wieder in den Aufsichtsräten, hier halte ich es auf jeden Fall für denkbar und auch für realisierbar, dass Frauen hereingenommen werden.

Hatting: Das Gegenargument der Industrie lautet ja, wir würden ja gerne mehr Frauen in Führungspositionen haben, aber woher nehmen, es gibt zu wenig mit entsprechender Qualifikation.

Wieduwilt: Dieses Argument halten wir und ich im Besonderen grundsätzlich für nicht richtig. Ich finde heute, es gibt hervorragend ausgebildete Frauen, die heute schon viel Verantwortung tragen und die über exzellente Fähigkeiten auch verfügen. Natürlich ist das branchenspezifisch unterschiedlich, ob Sie Konsumgüter haben oder ob Sie meinetwegen Automobilzulieferer haben. Nichtsdestotrotz, die Frauen sind da, die sind auch bereit und man muss nur etwas breiter gucken. Was natürlich häufig die Unternehmen machen, sie sagen, eine qualifizierte Frau ist nur dann qualifiziert, wenn sie schon mal ein Unternehmen von fünf Milliarden geführt hat. Das ist ein Ausschlussprinzip, das haben natürlich viele Frauen nicht. Sie können aber zum Beispiel im juristischen Bereich sehr gut sein, an der Universität sehr gut sein, und da ist Norwegen, insgesamt Skandinavien, für uns ein tolles Beispiel.

Hatting: Sie haben ja jetzt, Frau Wieduwilt, gesagt, so eine generelle Frauenquote, die lehnen Sie ab. Was halten Sie denn von dem Vorschlag der Familienministerin Kristina Schröder, die hat gesagt, es solle ein Gesetz geben, aber das soll die Unternehmen nur dazu verpflichten, dass sie eigene, individuelle Frauenquoten festlegen?

Wieduwilt: Also, grundsätzlich, wofür wir sprechen, sind sogenannte Wachstumsquoten, das können wir uns sehr gut vorstellen. Dass, wenn ich ein Unternehmen habe, was heute nun noch gar keine Frau im Vorstand hat und sich eine Wachstumsquote auferlegt oder eine Wachstumsquote auch bekommt von 15 Prozent in einer realistischen Zeit von Jahren, dann können wir uns das gut vorstellen. Andere Unternehmen, die heute schon bei 30 Prozent sind oder 20, 25 Prozent, da sehen wir das für nicht so schwierig an. Aber Wachstumsquoten, glaube ich, geben mehr die Entwicklung der Unternehmen wieder.

Hatting: Unmittelbar vor dem heutigen Treffen haben die DAX-Unternehmen der Bundesrepublik noch mal so eine Art Friedensangebot gemacht, das lautet Selbstverpflichtung. Halten Sie das für glaubwürdig oder glauben Sie, das funktioniert nicht?

Wieduwilt: Also, hier würde ich sagen, auch wieder auf die Politik zurückgreifend, die Politik muss auf jeden Fall den Druck erhöht lassen. Dann sehe ich auch, dass das funktionieren kann, auch mit der Selbstverpflichtung, denn einzelne Unternehmen sind da schon recht weit. Vielleicht eine grundsätzliche Äußerung dazu noch: Die DAX-Unternehmen sollten sich auch umschauen nach Old Economy und New Economy, also, gehe ich in die neuen Branchen rein, alles das, was online ist, dann habe ich doch heute schon 50 Prozent Frauen, und das bis in die Spitze hoch. Also, es geht grundsätzlich darum, sich neu aufzustellen und auch den Gegebenheiten gerecht zu werden.

Hatting: Ulrike Wieduwilt war das, Partnerin der Personalberatung Russell Reynolds Associates. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wieduwilt!

Wieduwilt: Herzlichen Dank, Herr Hatting!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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