Persönliche Pleite eines Finanzjongleurs

27.04.2009
In "Erinnerungen an meinen Porsche" geht es nicht um hohes Tempo auf der Autobahn, sondern um den Absturz eines Sex- und Finanzmachos. Bodo Kirchhoffs neuer "Schundroman" spielt mit der Wirtschafts- und Finanzkrise, bleibt aber letztendlich ohne Drive.
Was soll man von einem Mann halten, der sein Geschlechtsteil unaufhörlich als "Porsche" bezeichnet? Handelt es sich um einen Kabarettisten, der den Phallokratismus mit schenkelklatschender Komik aufs Korn nimmt? Offenbar nicht, denn Daniel Deserno, der knapp 40-jährige Ich-Erzähler von Bodo Kirchhoffs neuem "Schundroman", spricht in grenzwertiger Selbstverliebtheit 200 Seiten lang über seinen "Porsche" und den Totalschaden, den das prächtige Gefährt erlitten hat, nachdem es zuvor auf zahlreichen Teststrecken ausgefahren und in etwa 200 "Garagen" eingeparkt wurde.

Dieser Porschefimmel wirkt auf Dauer albern, zugleich will die Deserno-Figur aber Eindruck machen als einer dieser abgebrühten, zynischen Ich-Erzähler, wie sie seit "American Psycho" häufig geworden sind. Auch Deserno ist ein Geldmensch, ein Banker, eine Heuschrecke im Maßanzug, ein diabolischer Entwickler jener Finanzprodukte, die die Welt ruiniert haben, indem sie Schulden zu Wertanlagen umdefinierten. Er ist die wandelnde Finanzkrise, der verhasste Typ dieser Tage, er ist der Mann, der an allem schuld ist und sich in der Rollenprosa Bodo Kirchhoffs nun um Kopf und Kragen reden darf.

Deserno hat ein doppeltes Desaster erlitten. Dass seine Bank am Abgrund steht, dürfte dabei eher zu verschmerzen sein, da er als Kenner der Verhältnisse sein Geld in Sicherheit zu bringen wusste. Richtig schlimm dagegen, dass der "Porsche" kaputt ist, ohne jedwede Hoffnung auf Abwrackprämie. Und das alles, weil Deserno sich als konsequenter Hedonist dem Kinderwunsch seiner Freundin mit den Worten "Nee, Selma, nee!" verweigerte. Ungeschickterweise geschah das im Verlauf eines weihnachtlichen Sado-Maso-Rendezvous in Handschellen, sodass er sich nicht wehren konnte, als Selma überreagierte und ihm einen edlen Korkenzieher in die Harnröhre bohrte, den sie dann zu gewaltsam wieder herausriss. Seitdem sitzt der Mann im Rollstuhl, unter lauter depressiven Promi-Patienten der Kurklinik "Waldhaus".

Und beginnt zu schreiben: Erinnerungen an die Tage der ungebremsten Sex- und Geldvermehrung wechseln mit Sanatoriums-Szenen. Auch dabei ist Kirchhoff der durchgedrehten Gegenwart hart auf den Fersen. Aktuelles Medienfutter wird hineingewurstet: Heidenreich, Christiansen, Zumwinkel, Walser und die nonnenhafte Verfasserin eines gewissen "Hämorrhoidenbestsellers" haben kaum verdeckte Auftritte. Sichtlich agiert Kirchhoff seine Wut über den prominenzversessenen Literaturbetrieb aus.

Aber mehr als ein bisschen Satire gibt das nicht her. Und so entwickelt der "Schundroman" handlungsmäßig erstaunlich wenig Drive; er kriecht gewissermaßen auf der Standspur. Das liegt auch daran, dass das Spiel mit der Realität unentschieden bleibt. Der Geldhai mit dem Porsche in der Hose, seine pittoreske 68er-Hippie-Mutter mit Jimi-Hendrix-Klingelton, die burleske Parallelführung von Entmannung und Finanzcrash, überhaupt die übersexualisierte Atmosphäre des Romans auf den Spuren von Charlotte Roche – all diese grellen Effekte wirken wie überzeichnete Parodie und sollen zugleich doch treffende Darstellung der Verhältnisse sein. Das kommt sich gegenseitig ins Gehege, sodass die Parodie nicht wirklich zündet und die Analyse klischeehaft wirkt. Sie entspricht dem abscheulichen Bild vom Banker, wie es seit Beginn der Finanzkrise von allen Medien gezeichnet wird und bisweilen schon zur Pogromstimmung gegen einen (offenbar ganz zu Recht verrufenen) Berufsstand geführt hat.

Unentschieden wirkt auch der Stil: Die Sprechblasen eines skrupellosen Karrieristen vertragen sich nicht wirklich mit dem elaborierten Kirchhoff-Sound, auf den der Verfasser des "Schundromans" dann doch nicht verzichten will, so wenig wie auf die hochliterarischen Bezüge ("Zauberberg", Goethe), mit denen der Promi-Trash augenzwinkernd abgefedert wird. Kurz: Dieser Schundroman funktioniert nicht wirklich. Vielleicht ist die Realität der späten Nuller-Jahre selbst schon so schundig, dass ihr nur noch mit unangemessenem Ernst beizukommen ist.

Rezensiert von Wolfgang Schneider

Bodo Kirchhoff: Erinnerungen an meinen Porsche
Roman
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009
240 Seiten, 18,50 Euro