Perfekter Klang im Kirchenraum

Von Adolf Stock · 19.10.2013
Dank vieler Spender können in der Pauluskirche im Berliner Bezirk Zehlendorf nach millionenschweren Investitionen zwei Orgeln gleichzeitig eingeweiht werden. Unter den Förderern gehören auch Altbischof Wolfgang Huber sowie der CDU-Politiker Rudolf Seiters und der SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier.
"Das ist eine schöne Kirche, sie ist großzügig. Ich sage immer, sie hat so menschliche Maße."

Kantor Cornelius Häußermann sitzt auf einer schmalen Bank auf der Orgelempore der Pauluskirche in Berlin Zehlendorf. Das neogotische Gotteshaus ist einer der letzten Bauten von Hubert Stier, der Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Norddeutschland ein bedeutender Baumeister war.

"Sie ist nicht übergroß, dass man sich selber nur noch als kleiner Mensch wahrnimmt, noch ist sie nicht klein und intim, wie ein Wohnzimmer, sondern sie hat schöne Maße und dabei ein sehr schöne Musikakustik."

Rowan West: "Die Pfeifen, die vorne im Prospekt stehen, die klingen schon. Die Akustik ist sehr lebendig und resonant und auch intim gleichzeitig. Also man kann hier sehr viel machen, man braucht auch nicht eine große Anstrengung zu machen bei dem Klangbild, dass da was Schönes zustande kommt, das ist eine fast kammermusikalische Form."

Orgelbauer Rowan West ist sichtlich zufrieden. Er hat mit der Intonation der Orgel begonnen. Eine Arbeit die mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird, bis alles gut und richtig klingt. Rowan West kommt eigentlich aus Australien. Er hat am anglikanischen Dom in Sydney Orgelmusik studiert, später kam er nach Deutschland, um Orgelrestaurator und Orgelbauer zu werden.

Anfang März 2013 ist die Pauluskirche eine Baustelle. Auf der großen Empore geht es lebhaft zu. Die Orgelbauer der Berliner Traditionsfirma Karl Schuke haben eine Werkbank aufgestellt. Auf der Empore lässt sich die Baustelle gut überblicken. Kantor Cornelius Häußermann schaut rüber zu den Orgelbauern. Er ist eigentlich eher der bescheide Typ, aber dann ist er doch hörbar stolz, wenn er von den beiden neuen Orgeln erzählt. Ein spektakuläres Projekt, dass es so kein zweites Mal in Deutschland gibt.

Cornelius Häußermann: "Hier auf der Hauptempore stand seit 1969 eine große Orgel der Firma Walker. Die damalige Gemeindeleitung und der damalige Organist haben entschieden, die große Rosette einfach zuzubauen, und davor die Orgel zu stellen. Diese Orgel war nicht mehr sanierungswürdig und sanierungsfähig, und wir haben dann entschieden einen Orgelbauverein zu gründen, um in der Pauluskirche mit ihrer schönen Akustik eine schöne neue Orgel zu konzipieren."

2005 war die Orgel in so einem schlechten Zustand, dass sie abgebaut werden musste. Sie wurde in den Nordkaukasus verkauft. Die Gemeinde brauchte eine neue Orgel. Ein Orgelverein wurde gegründet und man suchte den Rat bei Musikprofessoren der Berliner Universität der Künste und bei Sachverständigen der Landeskirche. Danach war klar, dass es keine neue "dreimanualige Universalorgel" geben würde. Stattdessen wurden zwei kleinere Orgeln geplant.

Cornelius Häußermann: "Das Konzept war überzeugend, dass wir hier zwei Orgeln bauen können mit verschiedenen Klangprofilen. Eben eine barocke Orgel, mit barocken Klangprofil und eine französisch-symphonische, mit diesem Profil, das hat viele Menschen überzeugt, dass sich nicht nur eine Gemeinde, einfach eine neue Orgel baut, sondern dass das Hand und Fuß hat und das weit über die Gemeinde und den Bezirk für Berlin einfach interessant ist, auch für die Hochschule interessant ist, hier Musik zu machen und das hier immer schöne Orgelmusik stattfinden kann."

In der Pauluskirche riecht es nach frischem Holz. Bretter liegen auf dem Boden oder lehnen an den neogotischen Säulen.

Simon Waier:"Jetzt müssen wir bloß noch die Traktur einbauen, das heißt die Verbindung zwischen Taste und Ton, wenn dieses fertig ist, dann kann die Intonation beginnen, also die klangliche Gestaltung der Orgel."

Orgelbauer Simon Waier steht vor dem neuen Orgelprospekt mit den knapp 40 Registern. Die Pfeifen sind schon montiert.

"Sie ist ja angelehnt an Cavallié-Coll, den großen berühmten Orgelbauer aus dem vorletzten Jahrhundert. Und da wollen wir klanglich auch genau das erreichen, was der Cavallié-Coll damals gemacht hat mit seinen Instrumenten. Ja und das ist dann schon eine besondere Klangvielfalt, Farbe, da müssen wir uns orientieren."

Für die Firma Schuke ist das ein Abenteuer. In der Pauluskirche baut sie ihre erste Orgel im französisch symphonischen Stil. Die Sonne scheint durch das große runde Fenster, das vor dem Umbau durch die alte Orgel verstellt worden war. Jetzt stehen 220 große und kleine Orgelpfeifen um die sorgsam restaurierte Rosette, die wieder in alter Schönheit mit ihrem leuchtenden Farbspiel zu sehen ist.

Die kleinere Orgel steht auf der Seitenempore. Kantor Häußermann sagt, sie hätte auch zu Bachs Zeiten gebaut werden können.

"Eine Barockorgel aus der Werkstatt von Rowen West in Altenahr. Sie hat ein klangliches Konzept, eben um die Barockmusik darzustellen, 22 Register, steht auf der ursprünglichen Seitenempore von 1905, dort wo die Sauer-Orgel damals stand, eine Orgel, die bis Mendelssohn eigentlich alles spielen können sollte, …"

Anfang August 2013 sitzt Rowan West vor seinem neuen Instrument.

"Sie ist keine genaue Kopie von irgendeiner historischen Orgel, sondern wir haben mit den alten Techniken und den alten Maßen von den Pfeifen zum Beispiel weitergearbeitet, und das Äußere ist entstanden aus Stilelementen aus einer Bandbreite von ca. drei- bis vierhundert Jahren, das heißt von der Gotik bis zur Barockzeit gab es architektonische Elemente, die immer wieder kehren in dem Orgelprospekt oder Orgelgehäuse. Aus diesen großen Fundus haben wir eine architektonische Einheit selbst entworfen."

Sauber verarbeitetes Holz - Nägel und Plastik sucht man bei der neuen Orgel vergebens. Sie ist ein Unikat und ein handwerkliches Meisterstück.

Rowan West: "Wir benutzen auch die alten Techniken, die in der Barockzeit verwendet wurden, zum Beispiel bei Metallgießen, Pfeifenmetallgießen, auch die Holzarbeiten, die wir heute ausführen sind aus Massivhölzern, die dann nur mit Hobeln geschlichtet werden und nicht mehr mit Schleifpapier bearbeitet werden, wie es in der Barockzeit war, damals gab es kein Schleifpapier. Die Verbindungen, die wir verwenden sind Schwalben-schwanz-Verbindungen, Steckverbindungen mit Dübel, das hat mit modernen, industriellen Methoden nix zu tun."

Dann beginnt Rowan West auf der neuen Barockorgel schon einmal zu spielen.

Cornelius Häusermann und die Orgelbauer freuen sich auf den morgigen Sonntag, wenn die beiden Orgeln eingeweiht werden. Und sicher werden viele Förderer und Freunde des Orgelvereins kommen. Altbischof Wolfgang Huber, Rudolf Seiters, Frank-Walter Steinmeier und viele berühmte und nicht so berühmte Leute haben sich für die zwei neuen Orgel eingesetzt. In Zusammenarbeit mit der Berliner Bach Gesellschaft wird es demnächst viele Konzerte geben. Die Orgeln sollen auch den Musikstudenten der UdK, der Universität der Künste, zur Verfügung stehen.