Peinlicher Büdchenzauber

Von Jörn Florian Fuchs · 03.08.2012
Nach der "Zauberflöte" zur Eröffnung brachten die Salzburger Festspiele das nahezu unbekannte Nachfolgestück "Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen - Der Zauberflöte zweyter Theil" auf die Bühne. Man spielt ein wenig Theater im Theater und biedert sich oft dem Publikum an.
Die Idee war wirklich bestechend. Nach der "Zauberflöte" zur Eröffnung brachten die Salzburger Festspiele nun ein nahezu unbekanntes Nachfolgestück auf die Bühne. Der Text für "Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen" stammt ebenfalls von Emanuel Schikaneder, dessen 200. Todestag sich heuer jährt. Komponiert hat dieses 'Sequel' Peter von Winter, einst viel gerühmter Kapellmeister und Tonsetzer, erfolgreich unter anderem in Mannheim, Wien, München. Im Gegensatz zu Mozarts genuinem, für damalige Verhältnisse ja geradezu experimentellem (Ent-)Wurf bleibt von Winters Partitur meist im Rahmen seiner Zeit. Er zitiert und parodiert die "Zauberflöte" an etlichen Stellen.

Originell sind vor allem bei den Bläsern schöne Klangmischungen, die in Richtung Carl Maria von Weber weisen. Für die Königin der Nacht schrieb er illustre Koloraturen, die mit ihren Verschachtelungen sogar das Vorbild in den Schatten stellen, ohne freilich eine ähnliche Wirkung zu erreichen. Insgesamt klingt von Winters Musik jedoch unspektakulär, oft sprudelt sie schön dahin, dann wird alles mühsam langatmig und ruft nach Kürzungen. Da das Notenmaterial über mehrere Archive (vor allem in Wien und Berlin) verteilt war, mussten die Festspiele erstmal eine praktikable Aufführungsfassung erstellen lassen. Die vorherigen Produktionen des Stücks in München und Chemnitz basierten auf unvollständigem Material. Leider lieferte der mit dem Einrichten beauftragte Musikwissenschaftler offenbar völlig untaugliches ab, sodass Ivor Bolton in die Bresche sprang und durch mühevolle Kleinarbeit dafür sorgte, dass das Ganze überhaupt stattfinden konnte.

Bolton stand am Pult des Mozarteumorchesters, gemeinsam mit dem Salzburger Bachchor sowie dem Kinderchor der Festspiele darf man von einer weitgehend gelungenen Interpretation sprechen. Auf der Sängerseite sieht es leider ganz anders aus. Michael Schade war lange Jahre ein gefeierter Mozarttenor an der Salzach, als Tamino verwaltet er nun die Reste seiner Stimme. Seine Pamina stattet Malin Hartelius mit harten, forcierten Tönen aus. Auch Julia Novikova enttäuschte, ihre Königin der Nacht bewegt sich im Grenzbereich von angestrengter Deklamation und schrillen Koloraturen. Wenig Überzeugendes hörte man auch in den diversen kleineren Partien. Wirklich gut war das Buffo-Paar: Regula Mühlemann als Papagena und Thomas Tatzl als Papageno. Ordentlich auch Christof Fischesser als Sarastro. Anton Scharinger gefiel als alter Papageno. Alter Papageno? Tatsächlich gibt es den, natürlich auch eine alte Papagena. Und einen Haufen Papageno-Kinder. Und gleich mehrere Mohren.

Es ist das gesamte "Zauberflöten"-Personal vorhanden, sozusagen plus x. Das Damentrio der Königin verwandelt sich in Liebesgötter, ein fremder, böser König taucht auf und ist mit der Königin irgendwie liiert. Tamino und Pamina, Papageno und Papagena müssen erneut mehrere Proben bestehen, es geht um Treue, um Angstüberwindung, Ehrlichkeit und ganz am Schluss um Schwindelfreiheit. Denn Pamina schreitet durch den Wolkenhimmel, um zu ihrem Tamino zu gelangen und fürs frohe Ende zu sorgen.

Nun ist ja das Libretto der Ur-"Zauberflöte" schon reichlich chaotisch, im diesem zweiten Teil wird es leider noch labyrinthischer und abstruser. Die Figuren wirken vielschichtiger, aber undurchschaubarer. Zu retten wäre die konfuse Handlung wohl einzig durch echten Theaterzauber. Schikaneder schreibt zahllose Verwandlungen und Theatertricks vor.

Die im Operngeschäft völlig unerfahrene Regisseurin Alexandra Liedtke packt alle Figuren in hysterisch bunte Klamotten und lässt sie im Residenzhof vor Gerüstteilen mit Glühbirnen herumirren. Man spielt ein wenig Theater im Theater und biedert sich oft dem Publikum an – billiger, amateurhafter Budenzauber ist das. Dazu hört man oft schlecht und sieht eingeschränkt. Der Residenzhof ist trotz neuem Dach akustisch eine Katastrophe, das Publikum sitzt – statt wie früher auf einer Tribüne – in kaum erhöhten Reihen hintereinander auf harten Holzbänken. Ist das Dach offen, hört man Flugzeuge und Kirchenglocken, ist es zu, wird die Luft sofort unangenehm stickig.

In einem Wort: diese Produktion ist schlicht festspielunwürdig.

Salzburger Festspiele: "Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen"