Pegida

Ströbele will reden

Anhänger der Pegida-Bewegung in Dresden
Anhänger der Pegida-Bewegung in Dresden © imago / epd
Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 29.02.2016
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hat sich für eine Auseinandersetzung mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung ausgesprochen. Vergleiche zwischen Pegida und der ehemaligen Apo findet das grüne Urgestein allerdings falsch.
Im Deutschlandradio Kultur sagte Ströbele, er sei dagegen, nicht mit den Anhängern von Pegida zu reden. Bei Pegida gebe es einen harten Kern von Rassisten und Rechtsradikalen, der sehr stark das öffentliche Bild der Bewegung bestimme. Es gebe aber auch sehr viele, die dort hingingen, "weil sie sehen, die offizielle Politik wird mit dem Problem nicht mehr fertig". Die Grünen kämen "gar nicht drum herum", mit diesen Leuten zu sprechen, sagte Ströbele. Vergleiche von Pegida mit der früheren Außerparlamentarischen Opposition aus den 60er- und 70er-Jahren wies Ströbele zurück. Er sehe hier keine Parallelen, betonte der Grünen-Politiker.

Das Gespräch im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: APO, das war einmal, die Außerparlamentarische Opposition! Inzwischen sitzt die Opposition zwar im Parlament, ist also IPO, innerparlamentarische Opposition, und einer, der das eine wie das andere kennt, das ist Hans-Christian Ströbele, inzwischen mehrfach direkt gewählter Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne aus dem Berliner Bezirk Kreuzberg.
Man kennt ihn aus dem NSU-Untersuchungsausschuss, dem Kontrollgremium der Geheimdienste, er hat für Edward Snowden gekämpft und zahllose Male mit Nein gegen deutsche Kriegseinsätze gestimmt. Inzwischen sitzt er und seine Partei also seit vielen Jahren im Bundestag. Leicht ist es indessen gerade nicht als Opposition einer sehr großen Großen Koalition! Als ich vor der Sendung mit Hans-Christian Ströbele gesprochen habe, musste also die erste Frage lauten, warum von all den erregten Debatten um die Flüchtlinge so wenig im Parlament zu hören ist? Woran liegt das?

Merkel findet Opposition vor allem im eigenen Lager

Hans-Christian Ströbele: Na ja, das hängt natürlich unter anderem damit zusammen, dass in der Koalition, muss man sagen, also in der Regierung die Kanzlerin eine Position bezogen hat im September vergangenen Jahres, die grundsätzlich von mir und von den Grünen geteilt wird. Das heißt, wir sollen die Flüchtlinge aufnehmen, wir sollen ihnen hier eine Integrationsmöglichkeit geben. Und die Debatten, die jetzt laufen, die laufen dann im Wesentlichen auch gegen die eigene Opposition, die die Kanzlerin im Bundestag hat, aus ihren eigenen Reihen. Aus der Union, vor allen Dingen natürlich aus der CSU.
von Billerbeck: Das heißt, die Opposition im Bundestag ist nicht mehr die Opposition, sondern die Opposition ist jetzt Horst Seehofer?
Ströbele: Nein, ganz so nicht. Natürlich haben wir in vielen Einzelfragen heftige Kritik auch an der Politik, wie sie die Bundesregierung betreibt. Nämlich dass sie in ganz wesentlichen Punkten keine richtigen Konsequenzen aus der Grundentscheidung der Kanzlerin vom September vergangenen Jahres zieht.
von Billerbeck: Die da wären?
Ströbele: Na ja, sie macht ununterbrochen Vorschläge und versucht, die umzusetzen, wo sie von Anfang an weiß, dass das gar nicht geht. Lange Zeit wurde etwa darauf beharrt, die Außengrenzen müssen gesichert werden: Keiner macht’s!
von Billerbeck: Aber mehr Personal wurde sowohl von den Grünen als auch von der Regierung verlangt, um die Flüchtlinge unterzubringen, um sie zu versorgen. Einige wie Cem Özdemir, die halten genau wie die CDU oder Teile der CDU die Kapazitäten bei der Aufnahme von Flüchtlingen für erreicht und sind damit ja auch nah an der von vielen in der CDU geforderten Obergrenze. Da ist es doch dann sehr schwierig, zwischen grün und schwarz zu unterscheiden?

Flüchtlinge: Eine Obergrenze kann nicht funktionieren

Ströbele: Das ist so nicht richtig. Also, wir sagen ja, wir wollen keine Obergrenze, weil das auch nicht funktioniert. Also, selbst wenn morgen die Bundesregierung oder das Parlament das mit Mehrheit für richtig halten würde und sagen, wir wollen jetzt eine Obergrenze beispielsweise dieses Jahr, ich weiß es nicht, 800.000 oder 500.000, was machen wir dann, wenn 600.000 kommen, werden die dann sofort an die Grenze nach Syrien oder in den Irak zurückgebracht? Auch dafür haben alle die, die das vorschlagen, eigentlich kein richtiges Rezept. Also, wir haben da andere Vorschläge.
von Billerbeck: Nun haben Sie schon erwähnt, dass Sie es als innerparlamentarische Opposition ja nicht leicht haben gegenüber dieser Großen Koalition, dieser Übermacht.
Nun war es ja schon mal so, dass eine Große Koalition den Boden für eine APO, eine außerparlamentarische Opposition gelegt hat, in den 60er-Jahren war das. Sie erinnern sich bestimmt noch.
Jetzt gehen die Menschen wieder auf die Straße, nur mit Pegida. Und es kommt immer mal wieder vor, dass da der Vergleich gezogen wird zwischen zwei Bewegungen, die sich vom System – um es mal so platt zu sagen – entfernt haben, Pegida sei so eine Art konservative APO. Sehen Sie da irgendwie Parallelen?

Pegida ist keine konservative APO

Ströbele: Nein, sehe ich überhaupt nicht. Natürlich gibt es immer, wenn es um Demonstrationen und außerparlamentarische Opposition geht, vom äußeren Bild her Ähnlichkeiten.
von Billerbeck: Es richtet sich gegen die Regierungspolitik.
Ströbele: Ja, da sind Menschen auf der Straße, die gegen die Regierungspolitik demonstrieren, stehend oder auch in einem Demonstrationszug und Plakate hochhalten. Aber schon vom äußeren Bild her gibt es ganz gravierende Unterschiede. Damals war die Jugend auf der Straße, die APO bestand ganz wesentlich aus Studenten, aus Schülern, aus jungen Menschen, also auch Lehrlingen und jungen Arbeitern. Damals hat man sich gegen Rassismus gewandt, heute werden faktisch rassistische Parolen gebrüllt.
von Billerbeck: Ich will das überhaupt nicht verteidigen, trotzdem ist es ja ein Fakt, dass sich viele dieser Menschen – auch wenn es jetzt nicht im Wesentlichen Studenten sind und nicht junge – von der Politik nicht mehr ernst genommen fühlen, und zwar weit darüber hinaus, über dieses bequeme "Die da oben, wir da unten"-Lamentieren. Haben nicht auch die Grünen versäumt, die Auseinandersetzung mit Pegida und der AfD zu führen?
Ströbele: Na, die führen wir ja schon. Das ist ja unterschiedlich. Und Sie wissen, dass beispielsweise in Wahlkämpfen hin und wieder auch Grüne oder auch SPDler, also welche, die zwar in den Ländern, in denen sie Regierungen stellen, eine Diskussion, eine öffentliche vermieden haben oder wollten nicht hingehen, wenn die AfD dabei ist … Wobei die AfD noch immer ein bisschen was anderes ist.
Aber natürlich reden wir – da kommen wir gar nicht drum herum, ich bin auch dagegen, dass man das nicht tut – natürlich mit Leuten, die beispielsweise zu einer Pegida-Kundgebung jetzt hingehen oder davon zurückkommen oder während sie da sind oder sich sonst irgendwie zu erkennen geben. Weil, man muss ja sehen: Da gibt es einen harten Kern – und die bestimmen sehr stark das Bild – von Rassisten, Rechtsradikalen, aber es gibt natürlich sehr viele, die dort hingehen, weil sie irgendwie sehen, die offizielle Politik wird mit dem Problem nicht mehr fertig.
von Billerbeck: Könnten Sie das dann besser, als Grüne?

Die Große Koalition hat das Zuhören nicht nötig

Ströbele: Wir versuchen das und wir machen auch immer wieder Vorschläge dazu. Leider, das stößt auf Grenzen, das nutzt wenig. Weil, die einigen sich in Hinterzimmern der Koalition auf bestimmte Konzepte, das ist ja meistens so ein Gefeilsche, hin und her, dauert lange und dann kommt was dabei heraus, was die Probleme nicht bewältigt.
von Billerbeck: Ist doch sehr bitter für Sie im Bundestag?
Ströbele: Sehr bitter!
von Billerbeck: Man arbeitet, man tut und es passiert eigentlich nichts, nichts kann man umsetzen!
Ströbele: Das stimmt, ja, das ist der große Fehler einer so großen oder gar übergroßen Koalition, wie wir sie haben. Darunter leiden wir, gar keine Frage. Wenn Sie mal die Sicherheitspolitik, die Geheimdienste oder so sehen, da bringen wir alles Mögliche durch Untersuchungsausschüsse ans Tageslicht, aber die Konsequenzen, die gezogen werden, sind meistens nur die, dass man die bisherige falsche Praxis jetzt in neue Gesetze gießt und legitimiert. Also, das ist schon zum Verzweifeln, wenn man in so einem Ausschuss dann gegen eine 80- oder über 80-prozentige Mehrheit anargumentieren muss und manchmal den Eindruck hat, die hören überhaupt nicht mehr zu, weil sie es nicht nötig haben.
von Billerbeck: Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne war das. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Ströbele: Ja, auf Wiedersehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema