Pegida nach den Rücktritten

Den Diskurs massiv nach rechts geöffnet

Kathrin Oertel spricht bei einer Pegida-Demonstration in ein Mikrofon.
Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel soll sich von der Führungsspitze zurückgezogen haben. © dpa / Sebastian Kahnert
Von Nadine Lindner · 28.01.2015
Kathrin Oertel und vier weitere Mitglieder aus dem sogenannten Orga-Team ziehen sich zurück, die nächste Demonstration wird abgesagt – ist Pegida am Ende? Nein, meint Nadine Lindner. Noch immer stelle sich die Frage, wie wehrhaft unsere Demokratie ist.
Es war eine wahre Rücktritts-Serie, die sich heute Nachmittag abzeichnete. Nicht nur die Frontfrau Kathrin Oertel, sondern auch weitere Personen aus dem sogenannten Orga-Team von Pegida haben ihren Rückzug angekündigt. Kann man Pegida jetzt für beendet erklären? Nein. Denn bislang waren viele der Ankündigungen von Pegida das Papier nicht wert, auf dem sie standen. Das Ende von Pegida wird sich erst auf der Straße zeigen. Das Volk stimmt mit den Füßen ab, haben sie immer gesagt. Nun, dann schauen wir mal. Die Demo am kommenden Montag wurde erst einmal abgesagt.
Pegida ist auch deshalb nicht beendet, weil zu viele wichtige Fragen offen geblieben sind. Wie zum Beispiel die Frage: Wie wehrhaft ist unsere Demokratie wirklich? Wenn man das gesamte Kommunikationsverhalten anschaut – also die Reden bei den Demonstrationen, die Äußerungen der Teilnehmer, die Beiträge im Internet und auch die hasserfüllten Zuschriften von Pegida-Sympathisanten zusammennimmt, dann kommt man zu dem Gefühl, dass mit Pegida der gesellschaftliche Diskurs massiv nach rechts geöffnet werden sollte. Oder bereits geöffnet wurde.
Überrumpelte SPD, desolate CDU
Auf einmal wurden demokratiefeindliche und rassistische Äußerungen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit laut artikuliert. Die Emotionen Angst und Wut legitimieren bei den Pegida-Demonstrationen scheinbar alles, auch jede Grenzüberschreitung. Mit diesen Grenzüberschreitungen konfrontiert, hat sich die sächsische Landesregierung vollkommen orientierungslos präsentiert. Der kleine Koalitionspartner SPD sah sich durch spontane Aktionen seines Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel überrumpelt.
Ein viel desolateres Bild hat dagegen die CDU abgegeben. Es dauerte Wochen, bis die Dialogforen mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich mal ins Rollen kamen. Und dann traf sich Innenminister Markus Ulbig an diesem Montag im Geheimen mit den Pegida-Initiatoren. Dieses Treffen ist ärgerlich, denn es steht im Gegensatz zur bisherigen Linie der Landesregierung. Geschlossenheit sieht anders aus.
Balance von Verständnis und Abgrenzung
Dass es dabei nach Angaben Ulbigs noch nicht mal um politische Inhalte, sondern nur im die Sicherheitslage gegangen sei, macht es um so schlimmer. Wer CDU-Abgeordnete nach Pegida und ihren Angriffen auf die parlamentarische Demokratie fragte – die Rufe "Volksverräter" klingen noch in den Ohren – der bekam schon mal zu hören, dass Pegida ja nicht nur ein Problem der CDU sei. Viele Wähler der Linken seien ja schließlich auch dabei. Wer, wie die CDU, die Verantwortung so plump von sich weist, der scheut feige eine inhaltliche Auseinandersetzung.
Nein, die feine Balance, die es zwischen Verständnis für berechtigten Frust und Abgrenzung gegenüber rassistischen Äußerungen so dringend gebraucht hätte, hat in den vergangenen Wochen in Sachsen nicht funktioniert. Und das ist erschütternd.
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