Paul Lincke

Vater der Berliner Operette

Der deutsche Komponist und Musikverleger Paul Lincke (1866–1946) in einer Aufnahme um 1905
Der deutsche Komponist und Musikverleger Paul Lincke (1866–1946) in einer Aufnahme um 1905 © dpa / picture alliance
Von Albrecht Dümling · 07.11.2016
Sein Marschlied von der "Berliner Luft" war das musikalische Erkennungszeichen der deutschen Hauptstadt: Der Komponist Paul Lincke wurde von den Nazis umworben, von Kurt Tucholsky verspottet. Vor 150 Jahren kam Lincke zur Welt – natürlich in Berlin.
Diese Melodie kennen auch diejenigen, die den Namen des Komponisten noch nie gehört haben. Paul Lincke lag die Marschmusik im Blut. Er wurde am 7. November 1866 im Stadtzentrum von Berlin geboren, wo fast täglich Militärkapellen vorbeikamen.
"Kaum vernahm ich die schmetternde Musik, rief ich aufgeregt: 'Mutter, den Schlüssel – ich muß schnell mal runter!' In langen Sätzen stürmte ich hinunter auf die Straße, wartete, bis die Soldaten heran waren, und marschierte dann begeistert im straffen Rhythmus der Kapelle mit bis zur Wache Unter den Linden."

Der Autodidakt als Komponist von Einaktern

Um selbst Militärmusiker zu werden, ließ sich Paul Lincke in der Wittenberger Stadtpfeiferei ausbilden, durfte dann aber wegen seines schmächtigen Körpers nicht zum preußischen Militär. So wurde er Musiker in verschiedenen Berliner Theatern und schließlich Kapellmeister am Apollo-Theater in der Friedrichstraße. Ohne je Kompositionsunterricht erhalten zu haben, schrieb er bald eigene Lieder und Couplets. Aber das genügte ihm nicht, wie sein Freund, der Textdichter Richard Bars, berichtete:
"Lincke kam eines Tages zu seinem Direktor und sagte: Wir wollen doch das Programm ein bißchen auflockern; schreiben wir doch mal so kleine einaktige Operetten und setzen diese Operetten an den Schluß des Programms."

Eine elegante Erscheinung

Linckes erste Operette "Venus auf Erden" war 1897 so erfolgreich, dass er für zwei Spielzeiten an das damals berühmteste Varieté-Theater, die Pariser Folies Bergère, engagiert wurde. Als er ein Jahr später ans Apollo-Theater zurückkehrte, dirigierte er mit weißen Glacé-Handschuhen, die er aus Paris mitgebracht hatte. Das Publikum, vor allem das weibliche, lag ihm wegen seiner eleganten Erscheinung zu Füßen, wie seine Großnichte Margot Lincke-Madersbacher bestätigt:
"Er war ein sehr gut aussehender Mann. Er war ein ausgemachter Herr, auch noch im hohen Alter."
Zum Begründer der Berliner Operette wurde Lincke 1899 mit der spektakulär ausgestatteten "Frau Luna", in der einfache Berliner auf dem Mond landeten. Dieses Erfolgsstück ergänzte er später um sein ebenso erfolgreiches Lied von der Berliner Luft. Zur besseren Absicherung seines Einkommens hatte Lincke früh seinen eigenen Apollo-Verlag gegründet.
"Er ist ja auch einer der Herren, die die GEMA mit ins Leben gerufen haben, zumindest sich dafür engagiert hat, für die Aufführungsrechte, und mit Richard Strauss zusammen, mit dem er auch sehr gut Skat gespielt hat."

Trommeln für Pinke-Pinke

Doch Linckes Geschäftssinn rief auch Spott hervor. So schrieb Kurt Tucholsky 1914 im sozialdemokratischen "Vorwärts":
"Und auch die Tonkunst ist allhier
da hinten trommelt am Klavier
für viele Pinke-Pinke
Paul Lincke."
Für seine Operette "Lysistrata" komponierte Lincke 1902 das Lied "Glühwürmchen", gesungen von Damen auf großen Schaukeln. Beim Refrain erlosch die gesamte Bühnenbeleuchtung und es leuchteten nur noch die bunten Glühlampen an den Schaukelstangen.
Paul Linckes Berliner Operetten, die sich stilistisch kaum mehr weiterentwickelten, galten nach dem Ersten Weltkrieg bereits als altmodisch, erlebten aber im nationalsozialistischen Deutschland eine Renaissance. Nach der Flucht seiner jüdischen Kollegen und Konkurrenten war Lincke neben Franz Lehár der einzige prominente Operettenkomponist, der noch im Deutschen Reich geblieben war.

"Glühwürmchen-Idyll" begeistert die Amerikaner

Er wurde deshalb von den Machthabern umworben, und Lincke, froh wieder gespielt zu werden, ließ es gerne mit sich geschehen. Seine schlichte und eingängige Musik traf auf viel Beifall. 1941, zu seinem 75. Geburtstag, wurde Lincke zum Berliner Ehrenbürger ernannt und seine Operette "Frau Luna" aufwändig verfilmt.
Obwohl die Operetten des 1946 verstorbenen Komponisten heute nur noch selten gespielt werden, ist sein Lied von der Berliner Luft unvermindert populär. Regelmäßig bildet es den Abschluss der Waldbühnen-Konzerte der Berliner Philharmoniker. International noch bekannter ist das "Glühwürmchen-Idyll", das die verschiedensten Interpreten aufgriffen und neu arrangierten.
"'Glühwürmchen' gehörte zu den größten Schallplatten-Erfolgen in den USA. Natürlich auf den heutigen musikalischen Nenner gebracht. Etwas verjazzt, aber doch in seiner Harmonie so, wie es Lincke schrieb."
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