Patientenbeauftragter

Laumann fordert einheitliche Pflege-Ausbildung

Moderation: Ute Welty · 22.04.2014
Wie kann der Pflegeberuf in Deutschland attraktiver gemacht werden? Durch eine "generalistische" Ausbildung, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann. Pflegekräfte müssten sowohl im Krankenhaus als auch in der Altenpflege arbeiten können.
Ute Welty: Ja, es wird teurer, aber es soll auch besser werden. Als der Vierte im Amt hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe sich die Reformen der Pflegeversicherungen vorgenommen, die heute vor 20 Jahren im Bundestag verabschiedet worden ist. Eng mit Gröhe zusammen arbeitet Karl-Josef Laumann als der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Und er hat die Einführung der Pflegeversicherung als einen Meilenstein der Sozialgeschichte bezeichnet. Guten Morgen, Herr Laumann!
Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen!
Welty: Hat sich dieser Meilenstein der Sozialgeschichte inzwischen zum Stolperstein für den zuständigen Minister entwickelt, oder warum gab es so viele Versuche der Reform, die so wenig von Erfolg gekrönt waren?
Laumann: Ich will es mal so sagen, dass die Pflegeversicherung, die vor 20 Jahren eingeführt worden ist, natürlich die Situation von Familien, die pflegen, erheblich verbessert hat. Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals das Angebot war an unterstützenden Maßnahmen. Es gab in der Regel Sozialstationen, aber das war es auch. Und wir haben heute einen ganz bunten Strauß von Unterstützungsmaßnahmen im ambulanten Bereich, im teilstationären Bereich, im stationären Bereich.
Und diese Strukturen wären, glaube ich, ohne die Pflegeversicherung nie entstanden. Denn die Pflegeversicherung hat schlicht und ergreifend auch Geld in das System, in die Familien gegeben, die einen Pflegebedürftigen haben, womit man sich natürlich dann auch bestimmte Hilfen schlicht und ergreifend kaufen kann.
Welty: Trotzdem gab es ja quasi mit der Verabschiedung im Bundestag heute vor 20 Jahren auch Reformbedarf. Und da haben sich ja immer wieder auch Gesundheitsminister dran versucht.
Das Pflegesystem braucht dringend mehr Geld
Laumann: Es ist ja so, Reformen in der Pflegeversicherung sind natürlich immer mit Geld verbunden. Und die Koalition hat jetzt einfach entschieden, dass man den Beitrag um ein halbes Prozent erhöht, von zwei auf zweieinhalb Prozent. Das gibt für das System etwa fünf Milliarden mehr. Dieses Geld, muss man auch ganz klar sagen, ist auch dringend notwendig, weil natürlich in den vielen Jahren die Leistungen der Pflegeversicherung auch nicht mehr das wert sind, was sie vor 20 Jahren wert waren. Man konnte vor 20 Jahren mit dem Geld, was damals bezahlt wurde, etwa ein Viertel mehr Pflegeleistung kaufen als heute.
Das heißt, über diese vielen Jahre hat man die Beitragsstabilität in diesem System natürlich auch dadurch erkauft, indem man ein Stück weit die Leistungen nicht dynamisiert hat und natürlich das auch zu einem Kaufkraftverlust geführt hat. Und das muss jetzt schlicht und ergreifend nachgeholt werden. Und dann kommt dazu, dass wir einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff machen wollen, der in Wahrheit bedeutet, dass man alles das, was mit Demenz zusammenhängt, bei der Einstufung der Menschen in die verschiedenen Pflegestufen mehr berücksichtigt, als das bislang der Fall war.
Welty: Aber Herr Laumann, wir reden doch auch über den Pflegebegriff für Demenzkranke seit fünf Jahren. Seit fünf Jahren liegen diese Pläne in der Schublade und jetzt soll es noch mal bis 2017 dauern, bis diese Pläne umgesetzt werden.
Laumann: Es ist ja so, dass man jetzt erst mal sagen muss, dass wir diesen ersten Schritt zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zum 1. Januar machen, weil wir ja die Leistungen für Anleitung, für Betreuung in dieser Pflegeversicherung sehr stark ausbauen werden. Im Grunde der erste Schritt.
Welty: Noch mal, es war noch Ulla Schmidt, die mit diesen Plänen an die Öffentlichkeit ging und die auch sozusagen fix und fertig abgearbeitet worden sind.
Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff
Laumann: Ich bin nicht verantwortlich, dass Ulla Schmidt diese Reformen nicht hinbekommen hat, und ich bin auch nicht dafür verantwortlich, dass in der Zeit von Herrn Rösler und Herrn Bahr am Ende diese Dinge nicht gemacht worden sind. Wir sind jetzt in einer Großen Koalition und die Große Koalition wird diesen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff handwerklich sauber und vernünftig umsetzen. Und es geht eben nicht vor 2017. Sie müssen einfach bedenken, es gibt einen medizinischen Dienst, um nur mal dieses Beispiel zu nennen, der hat in Deutschland Tausende von Mitarbeitern. Wenn die neu einstufen sollen, nach neuen Kriterien einstufen sollen, dann müssen die Menschen darauf vorbereitet werden.
Wir müssen im Übrigen auch wissen, mit wie viel Geld wollen wir denn welche Pflegestufe im stationären Bereich und im ambulanten Bereich hinterlegen? Dazu muss man auch wissen, wer nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff bessergestellt ist als heute nach dem alten. Und deswegen ist das Ziel, das sauber zu machen und zum 1.1.2017 einzuführen, schon ein sehr ehrgeiziges. Und jeder, der in der Materie tief drin steckt, weiß: Wenn man es vernünftig machen will, braucht man diese Zeit einfach, um das vorzubereiten.
Welty: Sie haben die Ausbildung des medizinischen Dienstes angesprochen, die Ausbildung von Pflegekräften steht ebenfalls auf dem Prüfstand und soll vereinheitlicht werden. Was bedeutet das genau?
Laumann: Die Pflegekräfte werden ja heute in Deutschland, ich sage mal, immer in Kästchen ausgebildet. Das heißt, wir haben Menschen, die bilden wir für die Krankenpflege im Krankenhaus aus, wir haben Menschen, die bilden wir für die Kinderkrankenpflege aus, wir bilden andere für die Altenpflege aus. Das sind alles sehr unterschiedliche Systeme in den Ländern, die Länder haben da ja die Hoheit. Aber wenn man den Pflegeberuf richtig attraktiv machen will, gibt es viele Leute, die sagen – und ich glaube auch, dass das richtig ist –, dass wir den Pflegekräften auch einen breiteren Markt geben würden, später in ihrem Leben auch mal im Krankenhaus zu arbeiten, mal im Altenpflegebereich zu arbeiten, wenn man eine generalistische Ausbildung einführt.
"Unterschiedlichen Finanzierungssysteme in den Ländern überwinden"
Das heißt im Grunde eine gleiche Ausbildung für alle Pflegekräfte mit einer gewissen Spezialisierung, aber im Grunde eine gleiche Ausbildung. Und ich hoffe, dass man auch die unterschiedlichen Finanzierungssysteme in den Ländern überwinden kann und dass wir hier zu einem einheitlichen System kommen. Wir hatten ja vor den Ostertagen eine Bund-Länder-Konferenz der Minister, die für dieses Thema auch in den Ländern zuständig sind. Ich glaube, die Chancen, das umzusetzen, waren noch nie so hoch, wie sie jetzt sind.
Welty: Zeitgleich zu den Reformplänen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass familiäre Pflege nicht genauso vom Staat gezahlt werden muss wie professionelle Pflege. Konterkariert das nicht die Bemühungen, Pflege an sich insgesamt zu stärken?
Laumann: Nein. Man muss eins sehen, die Pflege natürlich in stationären Einrichtungen ist sehr teuer. Und deswegen hat man in der Pflegeversicherung immer einen Schwerpunkt darauf gesetzt, da etwas mehr Geld zu zahlen. Allerdings, wenn wir heute sehen, dass wir ja sehr viel Leistungen für die häusliche Pflege haben, (...) wenn Sie diese Leistungen mal dazuzählen, dann ist der Unterschied zwischen den Beträgen, die die Pflegeversicherung für die häusliche Pflege und für die stationäre Pflege zur Verfügung stellt, fast gleich groß.
Aber man muss einfach sehen, im stationären Bereich sind ja nun mal eben hohe Kosten da, weil dort auch hohe Lohnkosten bezahlt werden müssen. Und da sind die Leistungen der Pflegeversicherung im Grunde immer nur so, dass man etwa 50 Prozent von dem, was an stationärer Pflege das kostet, über die Pflegeversicherung finanziert.
Welty: 20 Jahre Pflegeversicherung, über deren Zukunft sprach ich mit Karl-Josef Laumann, dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung. Dafür herzlichen Dank!
Laumann: Wiederhören, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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