Patent für die Gasmaske

Symbol des Ersten Weltkrieges

Aktivisten laufen durch die Straße. Einer trägt eine Gasmaske.
Krieg, Bergbau, Arbeitsschutz, Demonstrationen: Gasmasken haben immer Konjunktur. © Sergey Dolzhenko, dpa / picture-alliance
Von Andrea Westhoff · 13.10.2014
Heute wird sie vor allem im zivilen Bereich, bei der Feuerwehr, im Bergbau oder Katastrophenschutz eingesetzt, doch entwickelt wurde die Gasmaske zum Schutz vor chemischen Kampfstoffen des Ersten Weltkriegs. Vor 100 Jahren wurde sie erfunden.
"Die französischen Soldaten beobachteten über die Brustwehr ihrer Gräben hinweg diese merkwürdige Wolke, (...) da sah man plötzlich, wie sie die Arme in die Luft warfen, die Hände um den Hals legten und sich dann am Boden wälzten, eine Beute des grausamen Erstickens. Viele erhoben sich nicht wieder, während ihre Kameraden, dem teuflischen Vorgehen gegenüber ohnmächtig, kopflos nach rückwärts flohen (...) um diesem scheußlich stinkenden Nebel zu entgehen."
Der englische Schriftsteller Arthur Conan Doyle war Augenzeuge des deutschen Angriffs bei Ypern in Flandern am 22. April 1915. Der Tag gilt als Beginn des "Gaskrieges". Bei "günstigem Wind", wie es hieß, wurden 150 Tonnen des lungenschädigenden Chlorgases "abgeblasen", das der deutsche Chemiker Fritz Haber maßgeblich mitentwickelt hatte.
Die angreifenden Soldaten konnten sich anfangs selbst nur durch feuchte Mullkissen oder Tücher schützen, die sie sich auf Mund und Nase drückten. Doch das änderte sich bald. In ihrem 1982 veröffentlichten "Kriegstagebuch eines Mädchens" schreibt die zwölfjährige Elfriede Kuhr:
"24. Mai 1915: Die Soldaten tragen jetzt bei den Kämpfen sogenannte Gasmasken, das sind rüsselförmige, hässliche, graugrüne Masken mit großen Glasfenstern für die Augen und Sauerstoffzufuhr für die Atmung. Wenn an der Front Giftalarm gegeben wird, reißen die Soldaten die Masken sofort vom Gürtel und stülpen sie über das Gesicht."
Kein eindeutiger Erfinder
Wer die Atemschutzmaske erfunden hat, ist nicht ganz eindeutig: Manche schreiben sie dem kanadischen Arzt Cluny MacPherson zu, der selbst als Soldat im Ersten Weltkrieg kämpfte, bekannter aber ist der US-Amerikaner Garrett Augustus Morgan damit geworden. "Der schwarze Edison", wie er genannt wurde, war ein sehr umtriebiger Autodidakt, dem die Welt auch ein Haarglättungsmittel sowie die automatische Ampel verdankt. Seine Gasmaske war eine Gummihaube mit Sichtfenster und zwei langen Schläuchen: Der zum Einatmen enthielt einen Filter, durch den anderen strömte die verbrauchte Luft nach draußen. Um ihre Wirksamkeit unter Beweis zu stellen, lud Morgan im Herbst 1914 die interessierte Öffentlichkeit in seiner Heimatstadt Cleveland zu einer Vorführung ein. Er setzte sich selbst mit der Maske 20 Minuten lang in ein Zelt voller giftiger Dämpfe aus Schwefel, verbranntem Teer und Formaldehyd – und sie funktionierte. Daraufhin erhielt er am 13. Oktober 1914 das Patent für "Sicherheitshauben zur Verwendung in rauchhaltiger Luft".
"Vertraue Deiner Maske."
... hieß es in dem "Merkblatt zum Gaskampf" von 1917, das jeder Offizier, Unteroffizier und Mann der vorderen Linie im Besitz haben musste.
"Wenn Du Gaswolken siehst, riechst oder Gasalarm hörst, und wenn Du Granaten mit schwachem Knall oder Entwicklung eines weißen, länger am Boden haltenden Rauches in Deiner Nähe beobachtest, so lege sofort Deine Maske an und benachrichtige Deine Kameraden rasch, denn das Gas ist schnell da."
Geöltes Ziegenleder, Filter aus Aktivkohle
Zunächst gab es Masken nach dem Morganschen Vorbild aus gummiertem Stoff mit einem abschraubbaren Einschichtenfilter aus Aktivkohle, der vor allem gegen Chlor schützte. Dann aber wurden besser tragbare Materialien wie geöltes Ziegenleder verwendet und vor allem neue mehrschichtige Filtersysteme entwickelt. Denn bald setzten alle Kriegsparteien die "schmutzigen" chemischen Kampfstoffe ein, neben Chlor auch Phosgen und Senfgas. Doch trotz der Masken wurden im Ersten Weltkrieg 80.000 bis 100.000 Soldaten durch Giftgas getötet und über eine Million verletzt. In seinem Buch "Der große Krieg" schreibt der Historiker Herfried Münkler:
"Der von den Maskierten ausgehende Schrecken und das in sie eingeschriebene Entsetzen hat die Gasmaske zum wohl wichtigsten Symbol des Ersten Weltkriegs werden lassen",
... eindrücklich festgehalten in Bildern und Grafiken, zum Beispiel von Otto Dix; oder von George Grosz, der mit seiner Zeichnung "Christus mit der Gasmaske" gegen den Krieg protestierte. Sie zeigt den maskierten Jesus am Kreuz mit Soldatenstiefeln und der Inschrift:
"Maul halten und weiterdienen"
Offiziell sind chemische Waffen zwar längst weltweit geächtet, aber sie werden weiter entwickelt und produziert – und auch eingesetzt. So ist die Gasmaske bis heute Symbol für die Kriegsschrecken und die Kriegsangst schlechthin. Nach den Anschlägen vom
11. September 2001 etwa erschienen die Zeitungen mit Schlagzeilen wie:
"Angst vor Terror: Deutsche decken sich mit Gasmasken ein" – "Schutzkleidung und Gasmasken ausverkauft."