Patenschaften

30 Euro im Monat für das Mädchen in Burundi

Mädchen mit Haarschmuck im Flüchtlingslager an der Kirche St. Sauveur in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, aufgenommen am 29.11.2015.
Mädchen in Afrika: Jedes Jahr ein Brief an den Paten in der Ersten Welt © dpa
Von Adolf Stock · 28.11.2016
Die Angebote für Patenschaften sind inzwischen unüberschaubar: Grabmäler, Bäume, Tiere - oder ganz klassisch: das Kind in der Dritten Welt. Welche dieser Patenschaften tatsächlich Sinn machen, hat Adolf Stock herausgefunden.
"Ein Kärtchen ausfüllen und eine Patenschaft für ein Projekt in Afrika übernehmen, würde ich tendenziell immer für den falschen Weg halten."
"Jetzt habe ich seit vielen Jahren immer ein Patenkind, und das ist einfach nur das Gefühl, man macht die Welt irgendwo ein kleines bisschen besser."
"In dieser reinen Form, in der das verwendet wird, um Mittel für Hilfsorganisationen zu rekurrieren, ist das tatsächlich Konfetti."
Patenschaften haben Konjunktur. Geht es dabei um uneigennützige Hilfe, oder sind Patenschaften nur ein Geschäftsmodell, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen?
"Mei, wo ich jetzt das erste Mal so richtig Geld verdiene, da könnte ich doch auch ein bisschen was abgeben."
"Es war dritte, vierte Klasse, dass wir da eine Patenbrigade hatten. Das war ein Kuhstall, ein Kuhmastbetrieb."
"Natürlich muss man auf politischer Ebene was machen, aber ich möchte mich da auch nicht bremsen lassen."
"Nur zu sagen: Ich bin dein Pate, bringt nichts. Du musst schon irgendwo dich bücken."

Es geht um eine "Seelenbürgschaft"

"Das ist eine Seelenbürgschaft, die die Leute eingehen, dass man spirituell für etwas Verantwortung übernimmt, das für sich selber noch nicht Verantwortung tragen kann."
Janosch Schobin ist Soziologe. Er sitzt in einem Seminarraum der Kasseler Universität und denkt über Sinn und Unsinn von Patenschaften nach. Vielleicht hilft ja ein Blick in die Geschichte, denn historisch sind Patenschaften Teil der christlich-abendländischen Tradition.
"Das sind sehr starke Beziehungen mit sehr starken Pflichten."
Ein Pate war ursprünglich ein spiritueller Bürge, der dabei half, den Nachwuchs in die christliche Gemeinschaft einzuführen. Schon der Name "Pate" weist darauf hin. Die lateinischen Worte "patrinus" oder "pater spiritualis" bedeuten in deutscher Übersetzung ja nichts Anderes als "Gevatter", "Mitvater" oder "geistlicher Vater".
"Soweit ich mich damit befasst habe, ist es so, dass in den christlichen Kirchen die Paten aus der eigenen Glaubensgemeinschaft stammen sollten, also Katholiken hatte Katholiken als Paten und Protestanten Protestanten. Und dieses System gerät natürlich irgendwann in Schwierigkeiten, in dem Maße, in dem Protestanten und Katholiken anfangen zu heiraten, das heißt, Patenschaft war da nicht mehr auf den rein konfessionellen Zirkel beschränkt. Das würde ich so als erste Auflösungsstufe dieser klassischen Patenschaften beschreiben."
Christlich familiäre Seelenbürgschaften sind nicht immer nur positiv. Es gibt auch eine dunkle Seite. Filme wie "Der Pate" erzählen davon. Doch eine uneigennützige, christlich grundierte Einstellung zu Patenschaften überwiegt bis heute. Vor allem wenn es um bedürftige Kinder geht.
Etwa ein Prozent der Deutschen haben eine Kinderpatenschaft. Allein die vier großen Patenschaftsorganisationen "Plan", "World Vision", "SOS-Kinderdörfer" und die "Kindernothilfe" zählen eine halbe Million Fördermitglieder. Wer will, kann zwischen Jungen und Mädchen aus verschiedenen Kontinenten und Ländern wählen. Mit ein paar Euro ist man dabei. Solche Patenschaften lassen sich auch zu Weihnachten, zum Geburtstag, zur Hochzeit, zur Geburt oder Taufe verschenken.
Annette Spohn und Tanja Pankok leben in Berlin-Kreuzberg Tür an Tür und teilen ein Stück gemeinsamen Garten. Beide berufstätigen Mütter haben Kinderpatenschaften übernommen.
"Und zwar habe ich einen festen Job und dachte: Mei, wo ich jetzt das erste Mal so richtig Geld verdiene, da könnte ich doch auch ein bisschen was abgeben, sodass irgendein Mädchen auf dieser Welt eine Schulausbildung kriegt, die es vielleicht sonst nicht bekommen würde. So ist das entstanden, und jetzt habe ich seit vielen Jahren immer ein Patenkind, und das ist einfach nur das Gefühl, man macht die Welt irgendwo ein kleines bisschen besser."

"Unser kleines Mädchen lebt in Burundi"

"Unser kleines afrikanisches Mädchen, die lebt in Burundi, die ist 2008 geboren, hat so gut wie keine Haare, was uns alle sehr amüsiert. Wir können der schreiben, sie schreibt uns zurück. Für mich ist es irgendwie ein innerliches Muss, die Kinder in den ärmsten Gegenden dieser Welt in irgendeiner Form zu unterstützen."
Zirka 30 Euro im Monat kostet eine Patenschaft mit persönlichem Kontakt zum Patenkind. Hinzu kommen Informationen über die Familie, ihren Wohnort und die allgemeine Situation in dem jeweiligen Land.
"Man kriegt von denen einmal im Jahr obligatorisch Post, da ist dann ein aktuelles Foto des Kindes dabei und ein bisschen Text, und man sieht auch sehr wohl an diesen Briefen, über die Jahre, dass die besser werden, und das finde ich toll. Ich kenne auch Fälle, die haben sehr engen Kontakt und schicken immer mal Pakete. Da gibt es von der Organisation dann auch Vorschläge, was man da hinschicken kann, weil es ja zum einen darum geht, etwas Sinnvolles zu schicken, und zum anderen aber, den Sozialneid nicht ins Unendliche zu treiben, wenn dann das eine Kind aus dem Dorf Riesenpakete bekommt. Das finde ich auch ganz hilfreich, weil man dann einfach weiß, was man machen kann, wenn man mehr machen möchte, als nur monatlich die Summe x zu spenden. Das finde ich eigentlich eine ganz angenehme Vorstellung."
Das "Plan-Kinderhilfswerk" hat eine lange Tradition. 1937 wurde es von dem britischen Journalisten John Langdon-Davies und einem Flüchtlingshelfer gegründet. Damals sollte spanischen Kindern aus dem Bürgerkrieg geholfen werden. Heute betreut "Plan" weltweit mehr als 1,4 Millionen Patenschaften. Gut 300.000 davon in Deutschland, wo 2014 rund 100 Millionen Euro auf das Spendenkonto kamen. 2002 musste sich "Plan" noch mit 38 Millionen Euro begnügen.
Eine Erfolgsgeschichte, dabei wird für Patenschaften umfassend geworben. Auf der entsprechenden Seite blickt Ex-Moderator Ulrich Wickert ernst und bedeutungsvoll. Er wirbt diesmal nicht für Energiesparen beim Eigenheim, sondern für eine Patenschaft.
Im März 2016 wurde für Thit aus Kambodscha auf der Homepage von "Plan" ein Pate gesucht. Ein Klick weiter lässt sich ein anderes Kind aus einem anderen Land auswählen.
Janosch Schobin sieht solche Patenschaften eher kritisch, schon aus Erfahrung, weil seine Eltern Entwicklungshelfer waren und er selbst lange Jahre in Chile und Ecuador gelebt hat.
"Es ist etwas anders, wenn ich sagen würde, ich fahr nach Afrika und dann lebe ich da, und dann bestellen wir zusammen ein Kartoffelfeld, und ich bin der Pate. Ich würde sagen, in dieser reinen Form, in der das verwendet wird, um Hilfsorganisationen zu rekrutieren, ist das tatsächlich, wie soll man sagen, Konfetti."
Schon am Anfang des letzten Jahrhunderts lösten sich Patenschaften von dem ursprünglich religiösen Kontext. Das hat Folgen: Heute trifft man an jeder Ecke auf unzählige Angebote für ganz unterschiedliche Patenschaften.
"Das lässt sich natürlich auf alles Mögliche ausweiten, also Baumpatenschaften zum Beispiel, oder Patenschaften für Leute, die nicht für sich sorgen können in Afrika, oder für Projekte und so weiter. Das heißt, dieses Modell, dass man aus einer Überzeugung heraus etwas übernimmt, lässt sich ganz aus dem zwischenmenschlichen Bereich abstrahieren."

Wetterpaten kaufen sich ein Tiefdruckgebiet

Ein paar Beispiele: Wetterpaten können den Namen für ein Hoch- oder Tiefdruckgebiet käuflich erwerben, Firmen übernehmen eine Pflegepatenschaft für Bushaltestellen, und in Berlin kann man die Patenschaft für ein Stück Pflaster vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche übernehmen.
Im Alten Land bei Hamburg werden Paten für Apfelbäume gesucht. Sie geben das Geld, und der Bauer übernimmt die Pflege. Die Paten müssen sich um nichts kümmern, aber sie dürfen ihre Bäume besuchen und die Früchte im Herbst selbst ernten.
Über Facebook werden sie das Jahr über informiert, wie es ihren Bäumen geht. Drei Apfelsorten stehen zur Auswahl: Elstar, Red Topaz und Red Jonaprince. Die Patenschaft dauert ein Jahr und kann danach erneuert werden. Es gibt verschiedene Leistungspakete: Standard, Premium oder Happy Family. Welchen Sinn hat solch eine Patenschaft?
"Ich kenne das mit Bienenvölkern. Das sind tatsächlich Abonnement-Modelle. Das heißt, man übernimmt eine Patenschaft für einen Bienenstock, dafür kriegt man dann einen Nachlass über den Honig. Der Imker hat eine gewisse Finanzierungssicherheit, weil er vorab so eine Kapitalspritze bekommt. Das ist ähnlich, als wenn mir die Deutsche Bahn eine BahnCard 50 verkauft."
Das sind kommerzielle Geschäftsmodelle, die es mittlerweile überall gibt. Es ist eine geschickte Art, auf Kundenfang zu gehen, aber keine seriöse Patenschaft im klassischen Sinn.
"Wenn es so darauf hinausläuft, dass ich ein Kärtchen ausfülle und irgendwo in Bayern ein Wald gepflanzt wird, dann würde ich sagen, dann ist das Quatsch."
Nicht weit von Schobins Seminar in der Kasseler Königsstraße hatte 1982 der Aktionskünstler Joseph Beuys, mit Beginn der documenta 7, ein alternatives Konzept für Baumpatenschaften entworfen. Er ließ von Kasseler Bürgern und Gleichgesinnten mehrere tausend Bäume pflanzen.
Doch zunächst wurden 7000 Basaltstelen vor das Fridericianum, denn zentralen Ausstellungsort der documenta, gekippt. In den darauffolgenden Jahren fand jede einzelne Stele einen Platz im Stadtgebiet, und neben jeder Stele wurde eine Eiche gepflanzt, bis der Steinhaufen verschwunden war. Beuys hatte damals ein klares Ziel.
"Ich wollte ganz nach draußen gehen und einen symbolischen Beginn machen für ein Unternehmen, das Leben der Menschheit zu regenerieren innerhalb des Körpers der menschlichen Gesellschaft, und um eine positive Zukunft in diesem Zusammenhang vorzubereiten."

7000 Eichen: In Kassel ist man stolz auf Beuys

Die Aktion "7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" hat in Kassel das Bewusstsein der Bürger für ihre Stadt und für ihr Lebensumfeld tiefgreifend verändert. Heute ist man stolz auf Beuys und die vielen Bäume, und selbst im fernen New York hat die Aktion Nachahmer gefunden.
Berlin im März 2016. Im Märkischen Museums sitzt der Aktionskünstler und Baumpate Ben Wagin auf einem Podium und diskutiert. Die Schirmmütze ist sein Erkennungszeichen, so wie einst der Hut von Joseph Beuys. Er ist sechsundachtzig Jahre alt. Das merkt man ihm nicht an, er ist hellwach und steckt voller Elan. Ben Wagin hat großen Respekt vor einer ernst gemeinten Patenschaft, weil sie für ihn der Ausdruck einer Haltung ist.
"Wenn ich jetzt die Patenschaft für einen Baum übernehme, dann ist es ja damit nicht getan, dass ich da mal einen Tausender lockermache. Wer kümmert sich danach darum? Das Gartenbauamt oder wer?"
Gute Frage. Auch Janosch Schobin versucht, eine Haltung zu Baumpaten zu finden.
"Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Leute selber den Baum pflanzen und den Baum selber gießen, und dass der Baum auch in der Nähe des Wohnumfelds steht und so weiter. Dass es also eine Praxis ist, in der jemand direkt in seiner Nah-Welt Verantwortung für seine Umwelt übernimmt. Die Patenschaft ist dann etwas, was dem Ganzen einen symbolischen Wert gibt, und da würde ich dann wiederum sagen, das ist eine total positive Sache."
Das Prinzip, individuelle Patenschaften in ein gemeinschaftliches Projekt einzubinden, kann durchaus gelingen, wie ein einfaches Beispiel aus einem ganz anderen Umfeld zeigt. Der alte Friedhof im nordhessischen Bad Arolsen sucht für architektonisch und kulturgeschichtlich wertvolle Gräber Patenschaften.
Allgemein üblich ist, dass einzelne Paten sich um ein vernachlässigtes Grab kümmern, das kann im Einzelfall ziemlich teuer werden. In Bad Arolsen geht man einen anderen Weg, sagt Edith Hütting, Vorsitzende des Vereins der Freunde des Alten Friedhofs, die über den historischen Friedhof führt.
"Da war erst die Idee – so wie in vielen Städten – einer Grabmalpatenschaft, aber unsere Arolser Bürger, die sind nicht so betucht, und wenn wir dann denen sagen würden, Ihr Grabstein kostet sechs- oder achttausend Euro zum Restaurieren, dann würden die ganz schnell die Finger wieder davonlassen. Und so zahlen die Bürger 2000 Euro in einen besonderen Fond der Stadt, der wird aufgefüllt solange, bis dann wieder Gelder für Restaurierung frei sind, und mit diesem Beitrag haben sie das Anrecht, sich einen historischen Grabstein auszusuchen, und an diesem Stein bestattet zu werden."
Ortswechsel: In Königs Wusterhausen bei Berlin sind auch Apfelbäume zu mieten. Kommerz spielt hier keine Rolle. Gudrun Kalbus war früher Lehrerin an einer Polytechnischen Oberschule im Vogtland und ist nun Vorsitzende des "Baumpaten-Vereins". Sie will "eine Brücke zwischen Mensch und Baum schlagen". Als Baumpaten kommen Einzelpersonen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Familien, Schulen, Kindergärten, Unternehmen, Vereine, Kirchen oder auch Einheiten der Bundeswehr in Frage. So steht auf der Webseite "baumpaten.de".
"Im Waldkindergarten etwa sammeln sich die Kleinen unter ‚ihrem‘ Baum und singen ihm was vor."
Gudrun Kalbus geht es um Natur- und Umweltschutz, aber vielleicht ist ihr Konzept auch noch ein später Reflex auf eine alte DDR-Tradition: "Vom Ich zum Wir" sollte sich die Gesellschaft entwickeln. Das Individuum stand nicht im Mittelpunkt, sondern ein gesamtgesellschaftliches Ziel.

DDR: Jede Schulklasse ihre Brigade

Da passten Patenschaften perfekt ins Konzept. Jeder Schulklasse wurde einer Brigade aus einem Betrieb vor Ort oder aus der näheren Umgebung als Pate zugeordnet. Constanze Knedlik und Matthias Zins erinnern sich an ihre Schulzeit in der DDR.
"Es war dritte, vierte Klasse, dass wir da eine Patenbrigade hatten. Das war eine sogenannte IRA, also ein Kuhstall, ein Kuhmastbetrieb. Ereignisse waren so ferienmäßig, dass wir hingehen konnten und das angucken, zu den Tieren Kontakt hatten, und dass die einfach da waren für uns. Und dann gab es Kaffee und Kuchen, gerade zu Weihnachten, der Weinachsmann kam, kleine Geschenke gab es für die Klasse, ein Spiel, oder ich weiß nicht, vielleicht Bastelsachen, so in der Richtung. Also Verpflichtungen meines Wissens nicht, aber wie gesagt, dritte, vierte Klasse, da hat man vielleicht andere Erinnerungen – Lachen."
"Wir hatten eine Patenbrigade, die Pullover strickte in einer Fabrik."
"Aber man konnte zum Beispiel auch Glück haben und man hatte eine Patenbrigade, die irgendwas herstellte, was für Kinder leidlich interessant war, oder eben sogar wie in diesem Kinderlied, dass man eine Patenbrigade hätte, die in einer Bonbonfabrik arbeitete."
Patenschaften im Dienst der Politik. Die DDR ist längst Vergangenheit, aber Politiker und Prominente kennen nach wie vor den propagandistischen Wert von Patenschaften. Matthias Platzeck, Manfred Stolpe und Jörg Schönborn sind in Königs Wusterhausen Baumpaten. Im Saarland haben Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, der ehemalige Botschafter aus Kirgisien und die Schlagersängerin Nicole Patenschäften für Wölfe übernommen, die in einem Gehege in Merzig gehalten werden. Dabei geht es nicht nur um die Tiere, es soll auch ein Ort von "herausragender touristischer Bedeutung" unterstützt werden.
Überhaupt stehen Tierpatenschaften hoch im Kurs: Tierschutzvereine, Tierheime und Zoologische Gärten buhlen um Paten und die damit verbundenen Spendengelder. Im Tierpark Berlin kostet die Patenschaft für eine Vogelspinne im Jahr 100 Euro, ein Flamingo oder ein Hängebauchschwein sind für 200 Euro zu haben. Über die "Wilhelma", den Stuttgarter Zoo, war am 21. Oktober 2016 in der Lokalpresse zu lesen, dass die grüne Landtagsabgeordnete Edith Sitzmann Patin für ein Kleinkamel wurde. Das sichert mehr öffentliche Resonanz als eine komplizierte Etat-Debatte im Landtag.
Einen ausgestopften Kakapo oder Eulenpapagei hältBundesbildungsministerin Annette Schavan am Freitag (13.07.2007) imMuseum für Naturkunde in Berlin in den Händen. Schavan übernimmtanlässlich der Wiedereröffnung des Museums die Patenschaft für den
Patenschaft: Die ehemalige Bundesbildungsministerin Schavan übernahm Verantwortung für einen ausgestopften Eulenpapagei© picture-alliance/ dpa / Stephanie Pilick
Man könnte Sitzmanns Wahl als Ausdruck einer neuen Bescheidenheit werten, verglichen mit den deutlich "teureren" Tieren, derer sich ihr Vorgänger annahm. Erst war es ein Bonobo-Affenbaby namens "Lubao" (Listenwert: 4000 Euro), dann ein Nashorn-Junges (5000 Euro), "Savita", schließlich "Lumara", ein Okapi-Kalb (2500 Euro). Stets fand Nils Schmid nette Worte für die Wilhelma im Allgemeinen und die Tiere im Besonderen: Ein "echter Sonnenschein" sei etwa das kleine Panzernashorn, das sich "sogar streicheln ließ".
Constanze Knedlik kann über das Verhältnis von Patenschaften und Politik noch eine andere Geschichte erzählen, die sie in den Medien verfolgen konnte. Im Freistaat Thüringen haben im April 2016 Ministerpräsident Bodo Ramelow, Diethard Kamm. Regionalbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, und zwei Ärzte des Jenaer Klinikums die Ehrenpatenschaft für die Vierlinge Olivia, Amelia, Xhesika und Frederic übernommen.
"Es war eine Familie aus Albanien, die dann praktisch nach Jena kam, weil hier die gesundheitlichen Bedingungen besser sind. Und die Familie war hier am Klinikum in Jena in Betreuung, wurde dort aufgenommen, bis sie wirklich geboren worden sind. Und dann wurde halt die Familie so über das ganze Jahr begleitet, also die Kinder wurden jetzt getauft, und der thüringische Ministerpräsident hat eben die Patenschaft übernommen. So als, wie sagt man, Ombudsmann, oder wie sagt man dazu? Und jetzt ging es darum, dass die abgeschoben werden sollten, weil sie ja kein Aufenthaltsrecht haben und dann entsprechend war das groß in der Zeitung. Und er kümmert sich drum und setzt sich für sie ein, dass sie hierbleiben dürfen und eine bessere Zukunft haben, und das war ein großes Medienthema."
"Wie herzlos ist das denn?"
… titelte die Bildzeitung am 23. April 2016.

Politische Patenschaften mit symbolischer Funktion

Politische Patenschaften haben vor allem eine symbolische Funktion. Bis heute übernimmt der Bundespräsident die Patenschaft für jedes siebte Kind einer Familie. Das war schon in früheren Zeiten so, auch der deutsche Kaiser und Adolf Hitler haben Patenschaften übernommen. Bei Reichspräsident Paul von Hindenburg wurden nur Söhne als Patenkinder akzeptiert und Waisenkinder, die ihre Eltern im Krieg verloren hatten.
Jenseits der Politik sollen familiär geprägte Patenschaften in Zeiten existenzieller Not Sicherheit bieten. Das ist der eigentliche Sinn familiärer Patenschaften. Bei Schicksalsschlägen, etwa wenn die Eltern zu Tode kommen, kümmerten sich die Paten um die Finanzen und das seelische Wohl des Kindes.
"Was dazu führt, dass Patenschaften häufig auch so eine Art Patronage-Charakter gehabt haben. Das heißt, denjenigen, den man sich als Paten auswählte, war jemand aus dem erweiterten Verwandtschaftskreis, der eine relativ starke ökonomische Position hatte, und dann im Zweifelsfall auch hätte für ein weiteres Kind sorgen können."
Heute spielt dieser ökonomische Aspekt keine zentrale Rolle mehr, denn der Staat hat viele Fürsorgefunktionen übernommen.
"Spätestens dann in den 70er Jahren ist es so, dass man Freunde wählte, zu denen man eine enge emotionale Bildung hatte, und die als Paten für die Kinder wählte, dann individualisiert sich das Patenwesen zu der Frage, welche Bindung zu wem möchte ich eigentlich bekräftigen."
Der emotionale Aspekt tritt in den Vordergrund. Patenschaften gründen nunmehr auf Freundschaft: so war es auch bei Janosch Schobin, wo eine Schulfreundin der Mutter Patentante wurde.
"Wozu das führt, ist gewissermaßen, dass die Beziehung zu dieser Freundin nochmal durch die Beziehung zu mir verstärkt wird, und noch mal eine andere Tiefe dadurch kriegt. Und das ist auch der Sinn, den so eine Beziehung hat, wenn man den Paten gewählt hat. Es ist eine ganz andere Sinngebung als die, jemanden zu wählen, damit im Zweifelsfall, wenn meine Mutter abtritt, ich dann dort Kost und Logis bekomme."
Wenn eine Patenschaft gelingt, kann sich zwischen Patenkind und Paten eine stabile emotionale Verbindung entwickeln.
"Man hat da etwas über eine bestimmte Haltung zum Leben gelernt, auch über Umgangsformen. Sie hat auch immer gefragt, was ich denn nun will und wohin es gehen soll. Und ich glaube, das ist etwas, was so ein Pate tut, was Eltern sicher nicht können. Wenn man so will, noch einmal eine zweite Orientierung im Leben, jenseits des Elternhauses, zu schaffen. Und das ist natürlich total sinnvoll."
Und dann erzählt Janosch Schobin noch von einem ganz anderen Patenschaftssystem, das er in Südamerika beobachten konnte.
"Das Compadrazgo ist interessanterweise keine Form der Patenschaft, die man als so eine Form der Patronage-Patenschaft rekonstruieren würde, ‚Compadres‘ und ‚Comadres‘ sind reziproke Patenschaften, das heißt gegenseitige Patenschaften. Die Kinder werden wechselseitig in Patenschaften gegeben, und die Eltern werden wechselseitig ‚Comadres‘ und ‚Compadres‘ und das ist eine sehr starke Familienbindung, die dann auch in der Regel über das gesamte Leben der Kinder hält, und häufig werden auch die Kinder dann wieder ‚Compadres‘, das heißt, das setzt sich dann in den Generationen fort."

Wechselseitige Patenschaften mit starken Pflichten

Diese wechselseitigen Patenschaften beruhen auf starken Pflichten und einem engen persönlichen Kontakt. Die Patenfamilien verbringen viel Zeit miteinander. Es ist eine Patenschaft auf Augenhöhe, die eine sehr privilegierte Beziehung begründet.
Die positiven Aspekte einer Patenschaft motivieren viele Menschen auch hierzulande, völlig fremden Kindern zu helfen. Eine Hilfe, die auch dringend geboten ist.
Noch in den 1980er Jahren wurde über Sinn und Zweck von Kinderpatenschaften erbittet gestritten. Ein Argument der Kritiker: Erfolgreiche Armutsbekämpfung lasse sich nicht individualisieren. Die Konzentration auf einzelne bedürftige Kinder lenke von den prekären Verhältnissen ab, die Kinderarmut überhaupt erst verursachen. Die Politik müsse sich ändern: Klimaschutz, Landreformen und ein gerechter Welthandel, der den Entwicklungsländern die Chance auf eigenständiges Wirtschaften lässt.
"Da weiß ich auch nicht, ob ich jetzt ideologisch selber total verbrämt bin. Es ist einfach nur, dass es in der Welt meiner Eltern praktisch immer wieder zu Desastern gekommen ist."
"Eine der Geschichten, da hat der Deutsche Entwicklungsdienst ein Projekt in Ecuador finanziert, in dem an Mütter Milchpulver verteilt wurde. In den Tropen, damit die diese Kinder nicht mehr stillen müssen und besser arbeiten gehen können. Emanzipation der Frau war das Ziel der ganzen Sache. Mein Vater hat das irgendwie gerade noch abwenden können, dass dieses Projekt tatsächlich durchgeführt wird. Die Konsequenz wäre ein massives Kindersterben gewesen. Die kochen natürlich das Wasser nicht richtig ab und nicht lange genug. Und wenn man die ganzen Komplexitäten nicht auf dem Schirm hat, die damit zusammenhängen, dann hat man hinterher einfach Murks."
Die großen Patenschaftsorganisationen haben längst dazugelernt. Zweckgebundene Spenden kommen nicht mehr nur einzelnen Kindern zugute, sondern der ganzen Familie, dem Dorf oder Lebensumfeld. So sieht es auch Kinderpatin Tanja Pankok.
"Als Kinderärztin weiß ich, dass nicht in Europa, sondern ganz wo anders die meisten Kinder leben, und wir uns keine Gedanken über die medizinische Versorgung, Trinkwasser, Schule und so weiter großartig machen müssen. Und ich finde, jedes Kind hat ein Recht auf ein glückliches Leben, und wenn ich irgendwie dazu beitragen kann, dann freut mich das."
Allerdings wollen sich die Kinderpaten Tanja Pankok und Annette Spohn von einer Fundamentalkritik nicht unter Druck setzen lassen.
"Natürlich muss man auf politischer Ebene was machen. Aber ich möchte mich da auch nicht bremsen lassen. Das hat für mich was mit humanitärer Hilfe zu tun. Genauso wie mit den Flüchtlingen: Wenn ich immer warten würde, dass in der Politik sich was verändert, dann hätte ich in den letzten fünf Monaten kein Flüchtlingskind untersuchen dürfen, behandeln dürfen oder impfen dürfen, wenn wir auf unsere grünen Scheine immer gewartet hätten. Das sehe ich überhaupt nicht ein. Ich bin Ärztin und ich tue das, und ich mache das aus voller Überzeugung und weiß natürlich, dass es anders laufen müsste und besser laufen könnte …"
"Sicherlich wäre es schöner, man würde auch noch die Ursachen bekämpfen, aber bis irgendwie in dieser Welt was an Ursachen bekämpft ist oder die Lebenssituation von Kindern besser geworden ist, sind sie ja schon mal alle groß."
Es gibt in Deutschland sehr viel Hilfsbereitschaft. Eine Tatsache, über die öffentlich wenig gesprochen wird.

Ben Wagin hat 50.000 Bäume gepflanzt

Baumpate Ben Wagin hat in den vergangenen 50 Jahren in ganz Europa über 50.000 Bäume gepflanzt. Auch im bayrischen Vilshofen.
"Dachte ich, okay, wenn die was von mir wollen, die wollten da erstmal 800 Ginkgobäume. Ich sagte: Gut, machen wir die Null weg, 80 reicht auch. Gut, es waren dann mehr. Und diese Bäume, die dort gepflanzt wurden, haben all die in die Erde gebracht, die dort in dem Ort leben."
Im September 1989 kamen 1.500 Bürger aus der DDR über Ungarn in die kleine Stadt. Ein Parkplatz wurde zum Flüchtlingslager. 60 Zelte, viele Telefonzellen und 40 Dixi-Klos. Die Turnhalle wurde für Familien mit Kindern geöffnet. Die Vilshofener haben alles getan, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen.
"Vilshofen, das ist ein kleiner Ort, 16.000 Einwohner, meist ein bisschen sehr stark in einer Richtung geprägt, aber die haben es geschafft, 89, in einer Nacht Fremde aufzunehmen. Und das war schon das eine positive Signal. Und das hat mich natürlich ermutigt, da habe ich dann folgendes gemacht, ich habe den Bürgermeister gefragt, ja wo gibt es hier eine Ziegelei? Ich sage, los bring mir zwei Paletten frische Ziegelsteine. So, die haben ihren Namen reingeschrieben, diese Bäume haben für alle Zeiten ihre Patenschaft. Weißt Du, so einfach geht das."
Bleibt die allgemeine Frage: Was zeichnet eine gute Patenschaft aus? Ist sie ein sinnvolles Modell für das gesellschaftliche Miteinander?
"Die Patenschaft kann man ja ausdehnen auf den Respekt, was alles mit Leben zu tun hat. Und diesen erweiterten Begriff, den habe ich ja sehr früh wahrnehmen können. Na gut, ich bin dafür da, du kannst mit mir rechnen. Mit anderen Worten, wir sind zuverlässige Freunde."
Für Ben Wagin ist die Sache klar, Eine Patenschaft hat mit sozialer Verantwortung zu tun.
"Nur zu sagen: Ich bin dein Pate, bringt nichts. Du musst schon irgendwo dich bücken."
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