Rechtspartei

"Die AfD wird sich nicht so bald selbst zerlegen"

Landesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) Baden-Württemberg in Karlsruhe am 17.1.2015
Quo Vadis? Die AfD tagt am Wochenende in Bremen. Auf dem Foto: Der Landesparteitag in Baden-Württemberg in der vorvergangenen Woche. © dpa / picture alliance / Uli Deck
David Bebnowski im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 30.01.2015
Die AfD tagt in Bremen. Droht ihr das gleiche Schicksal wie den Piraten, die sich selbst marginalisieren? Nein, meint der Parteienforscher David Bebnowski. Die AfD habe Strukturen geschaffen, die ihr Überleben sichern. Auch wenn es ihr, anders als in Frankreich der Front National, nicht gelungen sei, die "einfachen Leute" zu erreichen.
Der Parteienforscher David Bebnowski sieht die AfD eher als deutsche Variante des Front National und weniger als "neue FDP". Vor dem Hintergrund des Parteitages der AfD in Bremen sagte der Göttinger Sozialwissenschaftler am Freitag im Deutschlandradio Kultur, anders als anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa sei es der AfD jedoch nicht gelungen, "auch die einfachen Leute", die Arbeiterschicht, zu erreichen.
Dennoch werde sich die AfD, anders als die Piraten-Partei, nicht so bald selbst zerlegen oder von selbst erledigen. Denn bei den Piraten gebe es "die extreme Form der Direkt- und Basidemokratie – das überfordert jeden Menschen, wenn man sich den ganzen Tag damit auseinandersetzen muss, was letzten Endes gemacht werden muss, wenn man den ganzen Tag, 24 Stunden, immer irgendwelche Entscheidungen treffen muss."
Die AfD dagegen habe von Anfang an "Strukturen und Verbindlichkeiten eingeführt", die offenbar funktionierten – "natürlich ist das ein Punkt, der erstmal für ein längeres Überleben spricht". Zudem hätten es die übrigen bürgerlichen Parteien bislang versäumt, sich zu fragen, welche Angebote sie eigentlich machen müssten, um Wählerkreise zurück zu gewinnen, die zur AfD abgewandert seien.
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Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Kann die AfD sich langfristig etablieren? Diese Frage stellt sich vielleicht noch mal mehr in einer Woche, in der das Phänomen Pegida am Höhepunkt seines Erfolges zusammenzufallen scheint. Und die Frage stellt sich ja auch in Erinnerung an eine andere Partei, die kometenhaft aufstieg und ebenso schnell versank: die Piraten-Partei. Die Alternative für Deutschland trifft sich ab heute zum Parteitag, und da wird sie so oder so Weichen stellen. So oder so? Fragen wir den AfD-Experten und Göttinger Parteienforscher David Bebnowski. Einen schönen guten Morgen!
David Bebnowski: Guten Morgen!
Frenzel: So oder so – die Partei streitet ja kräftig um die Richtung. Bevor wir auf diese Richtung schauen, erst mal auf die Grundfrage: Schafft sie sich mit diesem Streit auch gleich wieder ab?
Bebnowski: Das kann man nicht sagen. Und das ist halt einfach schwer, das sozusagen vorauszusehen. Was man in jedem Fall sieht, ist, dass die Partei hier schon beginnt zu leiden, sagen wir es mal so, und dass es so ist, dass es natürlich auch so sein kann, dass diese Richtungsfrage, über die wir ja gleich noch reden werden und sozusagen auch über was dahinter steht, die Partei fordert und vielleicht auch überfordern könnte. Dass sie sich jetzt unmittelbar abschaffen wird, darüber – ich glaube, das kann man allerdings erst einmal ausschließen.
Der Strömungskampf gehört zur Geschichte der AfD
Frenzel: Es gibt zwei starke Strömungen. Es gibt die Originalidee, sag ich jetzt mal, die wirtschaftsliberale, die eurokritische Linie des Gründers Lucke. Es gibt so etwas wie eine national-konservative, populistische Ausrichtung, Alexander Gauland steht dafür, auch die Kovorsitzende Frauke Petry. Die Frage ist, muss die Partei sich da eigentlich entscheiden, oder kann man nicht zweigleisig fahren?
Bebnowski: Ja, das ist genau richtig, wie Sie es am Ende sozusagen jetzt andeuten. Ich glaube, dass dieser Strömungskampf oder diese beiden Linien, die Sie dort beschreiben, dass das natürlich von Anfang an mit zur AfD gehört hat. Und es gab eben dieses, sagen wir mal, Gelegenheitsfenster, über den Euro sozusagen ein Feld zu besetzen und erst einmal viele, viele Standpunkte auch dahinter verschwinden zu lassen. Aber wenn man sozusagen die Parteiwerdung, die Parteientwicklung betrachtet, dann ist es von Anfang an so gewesen, dass natürlich diese nationalkonservative Strömung auch sehr stark war, dass die über Leute wie Beatrix von Storch und andere einfach in der Partei sehr, sehr stark war. Alexander gehört ja auch, genau wie Konrad Adam, der auch einen ähnlichen Standpunkt vertritt und jetzt ja neulich aus dem Präsidium ausgeschieden ist oder aus dem Sprecherrat, gehört einfach auch zu diesem nationalkonservativen Spektrum.
Das Interessante an der ganzen Sache ist einfach, dass es gelungen ist sozusagen mit dieser wirtschaftsliberalen Ansprache, die der Lucke vielleicht symbolisiert am allerdeutlichsten, genau diese Dinge alle mitzuziehen. Und das ist das Spezifikum eben der AfD, dass es diese Melange aus diesen beiden Sachen ist, die eben gerade auch letzten Endes den besonderen Populismus der Partei ausmacht. Und nein, sie muss sich da nicht entscheiden, sollte sich, wenn sie auf ihren Erfolg guckt, eigentlich nicht dafür entscheiden –
Frenzel: Ich meine, die Frage ist ja, was braucht der deutsche Wählermarkt? Brauchen wir eher eine Ersatz-FDP oder eher einen deutschen Front National?
Bebnowski: Ja, wenn wir das mal so ganz, ganz kühl überlegen, dann ist es vermutlich eher so, aus dem Kalkül der AfD – ich möchte nicht falsch verstanden werden –, dass es dann wahrscheinlich eher so ist, dass man natürlich eher in Richtung eines Front National gehen müsste, um einen langfristigen Erfolg zu haben. Das ist so die Idee dahinter, wenn man zumindest aufs europäische Ausland guckt. Dort ist es so, dass die Parteien, ja, die eben sich gerade langfristig rechtspopulistisch festigen und, ja, konsolidieren konnten, alle es geschafft haben, irgendwann sozusagen die in Anführungsstrichen "kleinen Leute", die Arbeiterklasse hätte man vielleicht früher gesagt, anzusprechen und dort eben gerade Wahlerfolge zu feiern. Und das ist genau das, was der AfD bislang noch nicht so wunderbar gelingt.
Die Piraten haben sich durch ihre Direkt- und Basisdemokratie zerrieben
Frenzel: Wenn man sich diesen Parteitag anguckt, die Szenerie: Da sind zwei Hallen gemietet, weil sich so viele Mitglieder angemeldet haben, dass man sie nicht in eine bekommt. Jedes Mitglied kann da hinkommen nach Anmeldung. Das erinnert alles sehr an die Piraten, ich hab sie ja anfangs erwähnt. Was kann denn, was macht denn die AfD anders, dass sie nicht dieses Schicksal erleidet. Oder droht es ihr womöglich auch, in diesem basisdemokratischen Chaos unterzugehen?
Bebnowski: Ja, das ist eine ganz spannende Frage, die man natürlich so prognostisch auch schwer beantworten kann, ob das sozusagen das Chaos ist, was dann letzten Endes zum Zusammenbruch führen wird. Es ist allerdings schon so, dass das natürlich genau der Unterschied eigentlich ist, den die AfD von Anfang an zu den Piraten auch aufgewiesen hat. Es gibt, und das ist das, was man bei den Piraten gesehen hat, diese extreme Form der Direkt- und Basisdemokratie, das überfordert jeden Menschen. Also, wenn man den ganzen Tag sich damit auseinandersetzen muss, was sozusagen letzten Endes gemacht wird, man den ganzen Tag, 24 Stunden, irgendwelche Entscheidungen treffen muss, dann ist das natürlich was, was man in einer gewissen Übergangszeit machen kann, aber nicht sein Leben lang. Und wenn man dort keine Strukturen einführt und einzieht, wird es sehr, sehr, sehr schwierig, so etwas auf Dauer zu stellen. Und das hat die AfD eigentlich von Anfang an anders gemacht und das ist ihr bislang immer gelungen. Also sie hat zumindest Strukturen und Verbindlichkeiten eingeführt, und das ist im Endeffekt das, was sie von den Piraten unterscheidet und wo ich auch sagen würde, natürlich ist das ein Punkt, der erst mal für ein längeres Überleben spricht.
Frenzel: Sehen Sie denn die Chance – und auch diese Frage hat mit der Frage der Überlebensdauer der AfD zu tun –, sehen Sie die Chance, dass es der Union gelingt, diesen Wählerkreis, über den wir da gerade gesprochen haben, wieder zurückzugewinnen?
Was haben die anderen Parteien anzubieten?
Bebnowski: Es ist zumindest schwierig. Man darf das, und das ist auch keine, muss man vielleicht an der Stelle noch mal sagen, es ist – wenn wir über Leute reden, die von der Politik enttäuscht sind, dann ist das nicht unbedingt eine irrationale Position, sich sozusagen einer neuen Kraft natürlich zuzuwenden, die eben gerade natürlich viele Sachen anders verspricht als die etablierten Parteien, die man seit Jahren eben dort sieht, die natürlich für viele Probleme verantwortlich sind, auch zu recht verantwortlich gemacht werden. Und insofern ist es so, dass man auf jeden Fall sich überlegen müsste, was ist sozusagen eigentlich der Punkt, an dem man zu diesen Leuten wieder zurückkommen könnte. Welche Angebote könnte man eigentlich machen. Die müssen ja nicht rechtspopulistisch sein, das ist ja der Punkt, um den es eigentlich geht, dass man das irgendwie versuchen müsste, anders zu besetzen. Und das ist das, was in der politischen Landschaft von allen Strömungen bislang im Umgang mit der AfD eigentlich vernachlässigt wird.
Frenzel: Das sagt David Bebnowski, Parteienforscher an der Universität Göttingen, der übrigens ein Buch veröffentlichen wird im Februar: "Die Alternative für Deutschland. Aufstieg und gesellschaftliche Repräsentanz einer rechten populistischen Partei". Herr Bebnowski, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Bebnowski: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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