Parlamentswahl in Griechenland

Griechischer Kuchen aus dem Sauerland

Flaggen von Griechenland, Deutschland und der EU wehen im Wind
Die Griechen in Lüdenscheid müssten in die Heimat fliegen, um zu wählen: Von Deutschland aus wählen, das geht nicht. © dpa/picture alliance/Hannibal Hanschke
Von Elin Rosteck · 21.01.2015
In Lüdenscheid im Sauerland leben schon seit Jahrzehnten viele Griechen. Seit der Finanzkrise werden es immer mehr. Auch die Konditorin Kula Kirilidis zog dort hin. Die Wahl in ihrer Heimat am kommenden Sonntag interessiert sie nur noch am Rande.
Kundschaft in der Konditorei Roxanne in der Altstadt von Lüdenscheid. Die Chefin nimmt die Bestellung auf, in ihrer Muttersprache Griechisch. Zwei Kaffee bestellen die Männer, die es sich hinten im Café an dem kleinsten Tisch gemütlich gemacht haben. Kula Kirilidis eilt geschäftig hinter ihren kleinen Kaffee-Tresen. Sie rührt samtweiches Kaffeepulver und ein bisschen Milchpuder in ein Edelstahlkännchen. Jetzt braucht sie Leitungswasser; ihr Sohn bringt ihr aus der Küche einen ganzen Vorrat, gleich zwei große Karaffen.
"Hier in Lüdenscheid haben wir sehr, sehr gutes Wasser."
In ihrer Heimat, einem kleinen griechischen Dorf nicht weit von der Küste, war das Wasser auch sehr gut. Auch dort hatte Kula eine Konditorei mit ihrem Mann, 25 Jahre lang. Aber die Krise hat sie in die Knie gezwungen. Dort ging nichts mehr. Sie wanderten aus. Nun sind Kula Kirilidis und ihr Mann Ioannis Semertzisdis in Lüdenscheid und machen ihren original griechischen Mokka eben hier.
Die ersten Griechen kamen als Gastarbeiter nach Lüdenscheid
An den Tischen füllt es sich. Mehr Griechen kommen rein, wollen griechischen Kaffee trinken, griechische Torten essen und über die griechische Politik reden. In Lüdenscheid wohnen besonders viele Landsleute; die ersten kamen als Gastarbeiter in den 60er-Jahren. Aber auch seit der Krise kommen immer neue Einwanderer hinzu. Stilianos Spantidis zum Beispiel, der an dem Tisch ganz hinten sitzt und jetzt gerade von Kula seinen frischen Mokka serviert bekommt. Er ist 40 Jahre alt und fand in Griechenland partout keine Arbeit mehr. In Lüdenscheid schon.
"Ich bin ein Offsetdruck-Maschinen-Bediener, aber ich bin angemeldet als Druckhelfer, weil in Griechenland gibt es keine Ausbildungsschule für Drucker. Aber okay, ich bin sehr zufrieden, mein Chef ist ein super Mann."Die Wa
Er schlürft einen Schluck Mokka; hier kann er sich den wieder leisten. Dass die Lage in Griechenland besser wird, ist für ihn kaum vorstellbar. Ganz egal, welche Partei am Sonntag die Wahl gewinnt, sagt er:
"Sie sind ganz gleich, wenn sie immer etwas versprechen, aber sie machen gar nichts. Sie haben keine, wie kann ich das sagen ..."
Er zuckt die Schultern und schaut hilfesuchend zu seinem Freund herüber. Der kann richtig gut Deutsch, ist seit fast 30 Jahren schon in Lüdenscheid und übersetzt:
"Wer an die Macht kommt, der sieht nur seine eigene Tasche. Das meint er."
Am Nebentisch geht es auch hoch her. Die Syriza, die griechische Linkspartei, steht in den Umfragen ganz oben, das sind die, die über den Schuldenschnitt neu verhandeln wollen. Eine gute Idee, meinen einige hier. Aber gleich an dritter Stelle stehen die Rechten, die auch in Griechenland die "Ausländer raus" haben wollen. Schon beim Gedanken an sie wird Iannis Tatidis richtig wütend:
"Es ist verrückt, dass wir heutzutage noch über Ausländer reden können in einer globalisierten Welt. Wir sind alle Ausländer, überall, sogar wir jetzt in unsere Heimat, wenn wir dahin gehen, wir sind auch Ausländer. Es ist so."
Er möchte am liebsten mitbestimmen, wie es in Griechenland weiter geht. Aber dafür müsste er dorthin fliegen. Von Deutschland aus wählen, das geht nicht.
In ihrem Heimatdorf ist jedes Lokal geschlossen, sagt Kirilidis
Kula Kirilidis, die Chefin, interessiert das alles nur noch am Rande, sagt sie und steckt in ihrer Kuchenvitrine. Sie packt Tortenstücke in einen Karton, für einen Kunden auf der anderen Seite der Vitrine und hat hier jeden Tag gut zu tun, erzählt sie. In ihrem Heimatdorf dagegen ist so gut wie jedes Lokal zu, jedes Restaurant geschlossen.
"Ich bin hier drei Jahre, weißt Du, wieviel schlechte Sachen habe ich gehört? Und viele Menschen, von so viel Stress. Sie sind alle krank. Das ist das Schlimmste für mich: Krebs. Ja, die Menschen sind alle, alle krank."
Ihr geht es gut. Sie will in Deutschland bleiben, ist froh, dass die Konditorei so gut läuft. Gerade jetzt bedient ihr Ältester einen weiteren Kunden an der Vitrine. Zehn Stück Torte zum Mitnehmen; alles süße Köstlichkeiten nach griechischem Rezept.
"Das ist Mandel-Schokotorte, zwei Stück davon ..."
Kulas Sohn Kiriakos, 28 Jahre alt, hilft jeden Tag im Geschäft. Für ihn, den studierten Betriebswirt, war es keine Frage, mit nach Deutschland zu kommen.
"Ich wollte in der Bank nicht arbeiten, ich habe sechs Monate lang ein Praktikum in einer griechischen Bank gemacht. Ich habe gesehen, wie das geht. Ich mach so was nicht. Vielleicht lerne ich den Beruf, den mein Vater macht: Konditor. Erst mal die Sprache, das ist Pflicht."
Kulas Kunde zahlt. Sie hat ganz gut Deutsch gelernt in den drei Jahren hier, auch von ihren deutschen Gästen, viele ältere Damen, die unter der Woche für die sahnigen Torten kommen. Die Wahl? Kula Kirilidis winkt ab:
"Ich mag es hier. Ist besser, glauben Sie mir. Ich habe mein Lokal hier, alles läuft gut. Was braucht ein Mensch? Gesund und eine Arbeit. Das habe ich. Ich bleibe jetzt hier. Und es ist besser für meine Söhne, sie finden vielleicht eine andere Arbeit. Sehen wir mal. Ich hab genug von Griechenland."
Mehr zum Thema