Paradigmenwechsel beim Denkmalschutz

Von Dietrich Mohaupt · 02.11.2011
Bei den Denkmalschützern im hohen Norden herrscht blankes Entsetzen: Die schwarz-gelbe Koalition, so heißt es, will den Denkmalschutz aufweichen. Der Gesetzesentwurf der Regierung werde dafür sorgen, dass sich Schleswig-Holstein ins kulturpolitische Abseits begibt.
Es gehe nicht einfach nur um ein neues Gesetz, sagt Schleswig-Holsteins Landeskonservator Michael Paarmann. Da steckt viel mehr dahinter, mutmaßt der Chef des Landesamtes für Denkmalpflege:

"Das ist schon ein Paradigmenwechsel, den dieser Gesetzentwurf beinhaltet. Bisher war es so, dass das Gesetz den Schutz der Denkmale in den Vordergrund stellte und die behördlichen Strukturen so wählte und Zuständigkeiten, dass eben auch ein wirksamer Schutz umgesetzt werden konnte. Der jetzige Entwurf stärkt die Rechte der Denkmaleigentümer, es ist nicht mehr das öffentliche Interesse das Wesentliche, sondern das Interesse des Betroffenen, das geschützt wird."

Die Kritik des Landeskonservators entzündet sich in erster Linie an einem Paragraphen zur Handhabung des Gesetzes – beim Denkmalschutz sei auf die berechtigten Belange der Eigentümer Rücksicht zu nehmen, insbesondere auf deren wirtschaftliche Belange, heißt es dort. Kein Freibrief gegen den Denkmalschutz, betont Kirstin Funke von der FDP-Landtagsfraktion – dieser Passus besage lediglich:

"Verschiedene Merkmale so wie architektonische Belange, kulturhistorische Kriterien sollen geprüft werden, aber eben auch und insbesondere die wirtschaftlichen Belange. Das heißt, es ist kein Kriterium, damit Denkmalschutz in Schleswig-Holstein nicht mehr stattfindet, sondern es sollen Interessen gewahrt werden – auch der Eigentümer muss natürlich transparent seine wirtschaftlichen Belange darstellen."

Und genau das ruft auch die Kritiker aus Reihen der Opposition im Landtag auf den Plan – was, bitte schön, hat ein Paragraph in einem Denkmalschutzgesetz zu suchen, der vorrangig die wirtschaftlichen Interessen von Denkmaleigentümern schützt – fragt sich nicht nur der SPD-Abgeordnete Hans Müller. Diese Diskussion geht nach Ansicht des Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein aber in die völlig falsche Richtung. Unsachlich und einfach unsachgemäß nennt Christoph-Andreas Leicht diese Argumentation:

"Ich glaube, wichtig ist – um die Diskussion immer sachlich zu halten – dass man anerkennt, dass ein Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes oder eines Gebäudes, das unter Denkmalschutz gestellt werden soll, nicht von vornherein ein Gegner der Denkmalschutzbehörden ist, sondern auch ein Interesse daran hat, dass die Immobile, dass der Gegenstand entsprechend bewahrt wird."

Und sei das erst einmal anerkannt – dann werde auch schnell klar, dass wirtschaftliche Belange des Denkmaleigentümers selbstverständlich berücksichtigt werden müssten. Ein Beispiel:

"Wenn ich heute Vermieter eines denkmalgeschützten Hauses bin, dann muss ich natürlich heute auch verpflichtend irgendwann einmal energetisch sanieren. Ich muss das aus Klimaschutzgründen machen, ich muss also den CO2-Ausstoß minimieren und muss damit dann auch vielleicht dreiglasige Isolierglasfenster einbauen, und die passen dann mit ihren notwendigen Rahmen nicht in die Vorstellungen der Denkmalpflege."

Für viele – gerade mittelständische – Unternehmer immer wieder ein echtes Problem, betont der IHK-Präsident. Vor allem Bauten aus der Nachkriegszeit stehen dabei im Fokus – gerade um die ist der Streit am heftigsten entbrannt. Das Rathaus der Stadt Elmshorn gilt inzwischen als das Paradebeispiel für den Konflikt zwischen notwendiger Modernisierung und Denkmalschutz. Der sanierungsbedürftige Bau aus den 1960er Jahren sollte schon aufgegeben werden, weil eine denkmalgerechte Sanierung teurer als ein Neubau kalkuliert wurde. Zugegeben – das Elmshorner Rathaus ist keine Augenweide, räumt auch Landeskonservator Paarmann ein, aber:

"Ein Denkmal muss auch nicht schön sein, es muss eine Aussage beinhalten, es muss einen Zeugniswert darstellen – und dies tut das Elmshorner Rathaus allemal. Andererseits ist in der vergangenen Woche ein Gutachten vorgelegt worden, das eindeutig nachweist, dass dieses Rathaus in einem vernünftigen Kostenrahmen, der weit unter dem eines Neubaus liegt, energetisch, brandschutztechnisch und so weiter saniert werden kann."

Gerade diese Diskussion – notfalls auch strittig ausgetragen vor Gericht – die Auseinandersetzung darüber, ob denkmalwert oder nicht, ob zu hohe Kosten für Denkmalschutzauflagen entstehen oder ob diese Kosten gerechtfertigt und notwendig sind – all das sieht Paarmann durch den neuen Gesetzentwurf gefährdet, und zwar völlig ohne Not. Schließlich habe man auch nach dem alten Gesetz immer schon berechtigte Interessen der Denkmaleigentümer berücksichtigen müssen, aber:

"Wir konnten uns auseinandersetzen, wir konnten auch nicht die erstbeste Lösung gutheißen, sondern konnten – auch mal streitig ganz sicherlich – für die Interessen der Denkmale uns verwenden, damit neben der energetischen Ertüchtigung auch das Stück Baukultur sein Recht reklamieren konnte."

Und das werde wohl mit dem neuen Denkmalschutzgesetz in Schleswig-Holstein vorbei sein – auch weil dieses neue Gesetz dem Bildungsminister für alle nach 1950 errichteten Bauten so etwas wie ein Vetorecht einräumt, wenn sie unter Denkmalschutz gestellt werden sollen – einzigartig und absolut nicht nachvollziehbar, kritisiert Landeskonservator Paarmann.

"Wir in Schleswig-Holstein müssen erkennen, dass wir uns doch weitgehend dann außerhalb vereinbarter kulturpolitischer und kultureller Strategien und Verabredungen stellen und dass Schleswig-Holstein auch im Denkmalschutz die aller-, allerletzte Rolle unter den Bundesländern einnimmt."

Das neue Denkmalschutzgesetz steht morgen noch einmal im Bildungsausschuss des Landtags auf der Tagesordnung – voraussichtlich im Dezember soll es dann endgültig im Parlament mit der knappen Mehrheit der schwarz-gelben Regierungskoalition verabschiedet werden.