Parabel auf den Menschheitstraum der Unsterblichkeit

Von Mirko Schwanitz · 20.09.2011
In dem mehrfach prämierten Science-Fiction-Film "Transfer" geht es nicht um Weltraumschlachten oder Aliens. Es geht um unsere Vorstellungen darüber, in welcher Welt wir in Zukunft leben wollen. Und es geht um die vielleicht "letzte Ressource" - den menschlichen Körper.
"Was denken Sie, Herr Goldbeck? Please take of her dress!"

Ein älteres Ehepaar sitzt in einer Klinik und begutachtet den Körper einer jungen schwarzen Frau. Sie selbst kann das Ehepaar nicht sehen. Es sitzt hinter einer verspiegelten Scheibe.

"Ist sie nicht makellos, Frau Goldbeck?"

Das Ehepaar Goldbeck will sich einen Körper mieten, als Wirt für die Seele von Frau Goldbeck, die schwer krank ist. Doch noch hat Frau Goldbeck Skrupel.

"Wo kommt sie her? Ach ja, das dürfen Sie ja nicht sagen."

"Mit "Transfer" hat sich nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder ein deutscher Regisseur an einen Science Fiction-Film gewagt. Entstanden ist keiner der aus Hollywood so bekannten Body-Switching-Filme. Vielmehr entwirft Damir Lukacevic darin in einer bestechenden Bildersprache eine Parabel auf den Menschheitstraum von einem immer längeren Leben."

"Da ist dieser Apollain, der aus Afrika kommt, der aus Liebe zu seiner Familie seinen Körper hergibt. Und da ist der Hermann, der einfach weiter mit seiner Frau leben möchte, die todkrank ist. Und deswegen machen sie diesen Deal: Der eine verkauft seinen Körper, der andere verkauft seine Seele. Und daraus entspinnt sich die ganze Geschichte."

"Die Schwarzen sind im Vorteil. Unsere Erde wird immer heißer. Wir sind anfällig. Sie sind resistent."

Beklemmend und verstörend ist die Szenerie. Alles wirkt, als wäre es in der Gegenwart aufgenommen oder an jener Grenze, hinter der die Zukunft beginnt. Egal, ob in den aseptischen Fluren von Pharmakonzernen und den heimeligen Stuben vermögender Ehepaare am Starnberger See. Doch Lukacevic verfällt nicht ins Schema: Böse Reiche kaufen sich naive Arme. Die Goldbecks, brillant gespielt von Hans Michel Rehberg und Ingrid Andree, sind einfach ein in Liebe gealtertes Paar, das gern noch ein paar Monate miteinander verbracht hätte.

"Er wirkt so selbstbewusst. Weiß er, was ihn erwartet? Sicher, er hat die gleichen Unterlagen gelesen wie sie. Er weiß, was er tut."

Die Goldbecks können sich ihren Traum erfüllen, dank des medizinisch-technischen Fortschritts, der Medikamentenforschung und eben dank jener Menschen aus Entwicklungsländern, die ihre Körper für 20 Stunden am Tag vermieten. Mit dem Geld, das sie auf diese Weise verdienen, unterstützen sie ihre Familien in der Ferne. Nur für vier Stunden und nur in der Nacht ist es ihnen laut Vertrag mit Dr. Menzel, der Chefin der "Transfer"-Firma Menzana, erlaubt, in ihre eigenen Körper zurückzukehren.

"Beide haben die somatischen und psychosomatischen Tests erfolgreich durchlaufen. Affekt und Gefühlswelt ausgezeichnet. Regenerationsfähigkeit? Ausgezeichnet. Blutwerte, Libido – ausgezeichnet."

Jeannette Hain gibt hier eine Madame Frost, dass die Temperaturen im Kino gleich um einige Grad fallen.

"Also, es war so, als ich "Transfer" gelesen habe, dass es mich sehr berührt und sehr beschäftigt hat, weil es so nachvollziehbar war. Es ist nicht so ne Form von Science Fiction, wo irgendwelche Außerirdischen kommen, es ist so fein gesponnen. Also, ich hab immer wieder vergessen, dass das jetzt in der Zukunft spielt, das es noch gar nicht existiert. Es ist hier, es ist jetzt, es ist die außerirdische Seele im sehr irdischen Menschen. Und das habe ich in der Form noch gar nicht erlebt. Es tun sich unglaublich Türen auf, und plötzlich steht man da, und es kommen ganz viele Gedanken auf einen zu, mit denen man sich auseinandersetzen muss."

Ein Film, der Diskussionen auslöst: Ist es vertretbar, alle Möglichkeiten zu nutzen, über die der Mensch verfügt? Müssen Ethik und Moral neu definiert werden? Leben wir bereits in dieser Welt, die wir innerlich ablehnen?

"Das erste ist, dass Science Fictions sich genau mit dem beschäftigen, wovor wir uns fürchten. Und bei dieser Geschichte, dass diese zwei Leute, zwei Seelen in einem Körper leben, das fand ich faszinierend und verstörend zugleich. Dass es ne Metapher ist für die Welt, wie wir sie heute erleben, dass viele Leute einfach ihren Körper, ihre Kraft hergeben für andere, die davon profitieren können. Ohne irgendwas dafür zu tun, einfach nur weil sie die Macht und weil sie das Geld haben."