Papua-Museum

Wie Penisrohre und Ahnenschädel nach Gelnhausen kamen

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Das private Papua-Museum der Weiglings zeigt Kulturschätze aus Papua-Neuguinea © Deutschlandradio / Michael Frantzen
Von Michael Frantzen · 31.05.2016
Seit vielen Jahren reisen die Weigleins aus Hessen nach Papua-Neuguinea und sammeln Trommeln, Totenschädel und Talismane. Zu besichtigen sind die 800 Objekte in ihrem privaten Papua-Museum in Gelnhausen. Eintritt ab 18.
"Guten Tag."
"Guten Tag der Herr. Marc, komme mal!"
Marc?! Wieso denn Marc? Wir waren doch mit Werner verabredet. Werner Weiglein, Anbieter von Extrem-Reisen und Gründer des "Papua Museums" im hessischen Gelnhausen.
(Marc:) "Der Chef ist nicht da."
Sondern Knall auf Fall nach Indonesien geflogen - zu irgendwelchen Gesprächen mit einem hohen Tier bei der indonesischen Regierung. Das ist schade, aber nicht weiter dramatisch. Weil: Marc, sein Sohn, ist auch vom Fach.
"Sie sehen ja: Es hat einen sehr exotischen Touch."
Allein schon der Museums-Eingang mit seinen filigranen, indonesischen Schnitzereien: beeindruckend.
"Es ist viel. Es sind 800 Objekte. Von groß bis ganz klein."

Für Kinder nicht geeignet

Seit Oktober hat das Privat-Museum im "Fürstlichen Palais Meerholz" auf Anfrage geöffnet. Das alte Gemäuer, in dem anno dazumal eine adlige Witwe ihren Lebensabend verbrachte: Es bietet viel Platz. Für die neuen Bewohner – die Weigleins – und die Souvenirs, die der Chef von über dreihundert Expeditionen durch die Urwälder Papuas mitgebracht hat. Eintritt nur ab 18 Jahren.
"Das zweite von links ist eine Figur, die auch einer der Gründe ist, warum dieses Museum nicht für Kinder geeignet ist. Diese Figur stellt jemand dar, der geklaut hat. Man sieht in seiner linken Hand: Da hält er etwas. Und er wird für diesen Diebstahl bestraft von, ja, wie so Geistern oder Dämonen aus der Unterwelt. Die ihm diesen Diebstahl damit bestrafen, dass sie den Penis abbeißen."
Autsch! Denkt Mann sich auch bei einem weiteren Highlight: den Penisrohren.
"Die heißen Godega. Diese dicken großen – die sind von den Dani. Und diese kleinen schmalen sind von den…näh, umgekehrt! Die dicken Großen sind von den Lani. Und die kleinen Schmalen von den Dani."
Die Dani und Lani - sowie diverse andere Stämme aus Papua-Neuguinea: Marc kennt sie seit seiner Jugend. Der sportliche Mittdreißiger mit dem Tattoo am linken Unterarm lacht. Ließ sich gar nicht vermeiden.

Der "Grünen Hölle" verfallen

"Ich war auch schon als Kind in meinen Schulferien dort. Wir waren immer an exotischen Zielen. Wir waren jetzt kaum, so dass ich sagen würde: Mallorca oder so was. War ich auch mal. Aber eigentlich sind wir immer Richtung Asien."
Urwald statt Malle: Ist das Motto bei den Weigleins, spätestens seitdem der Senior Ende der 70er über einen befreundeten Forscher die "Grüne Hölle" Papuas kennenlernte und ihr verfiel. Der einzigartigen Landschaft mit seinen tropischen Urwäldern und Gletschern.
Marc tänzelt durch das Museum, vorbei am meterlangen Ahnenboot. Wenn er drei, vier Monate nicht in Papua war, bekommt er Fernweh. Deshalb ist das mit einem normalen Job auch schwierig. Ist ja nicht so, als ob er es nicht probiert hätte - als Wirtschafts-Ingenieur. Doch das war nichts für ihn. Halt ganz der Vater – meint Marc achselzuckend. Ergo ist er ins väterliche Reise-Unternehmen eingestiegen; begleitet er seinen Vater auf den Expeditionen für Abenteuer-Urlauber.
"Fast alle Reisen, die wir in Papua machen, sind irgendwie extrem. Man ist ja immer in sehr abgelegenen Gebieten. Man hat keine Möglichkeit jemanden anzurufen. Man kann sich kein Geld besorgen. Man kann sich kein Essen besorgen. Also alles, was man für die 10, 14 Tage unterwegs braucht, muss man vorher dabei haben. Wenn was passiert – und es kann ja immer was passieren – dann hat man eben gleich ein Problem."
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Holzschnitzereien am Eingang des Papua-Museums© Deutschlandradio / Michael Frantzen
(Frau Weiglein:) "Da hab ich nicht so den Hang."
Tönt es vom anderen Ende des Museums von Frau Weiglein.
(Frau Weiglein:) "So durch den Dschungel zwei, drei Wochen. Im Zelt schlafen. Sago-Larven essen. Neeein. Das war jetzt nicht so mein Programm."
Mutter Weiglein bleibt lieber da, wo sie laut eigenem Bekunden am besten aufgehoben ist: im Hessischen. Gibt ja auch genug zu tun. Seit ein paar Jahren leitet Claudia Weiglein das "Hotel am Palais" direkt neben dem Museum. 17 Zimmer plus indonesisches Teehaus. Hier hält sie das Zepter, wenn ihre Männer mal wieder auf Achse sind. Und ihr nichts anderes übrig bleibt, als sich auf ein halbwegs stabiles Handynetz zu verlassen - und ihren siebten Sinn:
"Also ein Fall. Da hat ich zu unserer Sekretärin gesagt: Ich hab heute ein ganze blödes Gefühl. Irgendwas stimmt mit dieser Gruppe nicht. Dann ging es auch einem Mitglied nicht wirklich gut. Der hatte einen Diabetes-Schock. Er wusste aber gar nicht, dass er Diabetiker ist. Der musste dann ins Krankenhaus."
Der Reise-Teilnehmer kam glimpflich davon. Das lässt sich nicht von allen behaupten.

Bis in die 1970er-Jahre gab es noch Kannibalismus

(Marc:) "Die Köpfe muss ich ihnen zeigen."
Die Toten-Köpfe.
"Das hier sind die Ahnenschädel. Er hier ist abgegriffen. Der Schädel ist richtig Bronze. Durch die vielen Berührungen. Und hat auch hier mit Lehm ein Gesicht nachmodelliert. Die Männer schlafen auf diesen Schädeln, um im Traum mit ihren verstorbenen Ahnen zu sprechen. Sie reiben die Hand über den Schädel. Als Glücksbringer."
Neben den Glücksbringern gibt es noch Schädel von Kopfjagd-Opfern. Marc stürmt los – in den ersten Stock, bis er vor vier, fünf ziemlich lädierten Köpfen Halt macht. Bis in die 70er-Jahre gab es auf Papua noch Fälle von Kannibalismus. Aber das, betont der Mann von der hessischen Papua-Connection, sei längst vorbei und müsse im kulturellen Kontext gesehen werden.
Das Museum als Freakshow: bloß nicht. Verständnis für die Kulturen Ozeaniens wecken – die über hundert Stämme: Darum geht es ihm. Schließlich sind die abwechslungsreicher als gedacht – auch musikalisch.
"Gut. Jetzt die Trommeln noch. Das wird ja immer von mehreren Männern gespielt. Und diese Gesänge. Und dann sitzt man abends in diesem Männerhaus, am Feuer und den vier, fünf Asma, die diese Trommel spielen und dazu singen: Dann kann man sich vorstellen, wie die damals wirklich auf die Kopfjagd gegangen sind."
Sinniert Marc, der in all den Jahren nicht nur die eine oder andere Schramme aus Papua davongetragen hat, sondern auch einen Spitznamen: Boja Kali.
"Das heißt: Krokodil am Fluss. Nicht das große Meereskrokodil, sondern das kleine Fluss-Krokodil."
Über den Fluss kommt Marc immer angereist – in Papua. Wie ein Krokodil halt. Bald ist es wieder soweit. Boja Kali kann es kaum erwarten.
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