Pannen, Patzer, peinliche Momente

27.01.2009
Anlässlich des 20. Todestages des vielfach preisgekrönten österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard publiziert der Suhrkamp Verlag satirische Texte aus dem Nachlass. So "abstoßend und ekelerregend" Bernhard die Preis-Auslober findet, so sehr verachtet er sich selbst für seine Geldgier. Äußerst amüsant sind seine Berichte darüber, was er jeweils mit den Preisgeldern angestellt hat.
Thomas Bernhard (1931–1989) hat in seinem Leben 14 Literaturpreise erhalten und darüber hinaus einige Preise und Auszeichnungen abgelehnt. Über neun der ihm zwischen 1964 und 1976 verliehenen literarischen Preise hat er satirische Texte geschrieben, die wohl um 1980 entstanden sein dürften, die er aber erst im Frühjahr 1989, leicht überarbeitet, beim Suhrkamp Verlag herausbringen wollte. Sein Tod hat das verhindert. So publiziert der Verlag nun zu Bernhards 20. Todestag am 12. Februar 1989 «Meine Preise» in neun Kapiteln (und ergänzt durch drei so genannte Dankreden des Autors) als Erstausgabe aus dem Nachlass.

Einige dieser Verleihungsfeiern endeten in saftigen Eklats, etwa die Grillparzerpreis-Feier 1972 und die Feier zur Verleihung des Österreichischen Staatspreises 1968. Bernhard-Lesern sind diese Skandale nicht unvertraut, denn etwa in «Wittgensteins Neffe» hat sich Bernhard schon einmal voller Häme über den «ganzen durchtriebenen Unsinn» und die «echt österreichische Perfidie» solcher Literaturpreis-Verleihungen ausgelassen und namentlich die Grillparzerpreis-Groteske in allen peinlichen und lächerlichen Details ausgebreitet. Insofern handelt es sich bei «Meine Preise» zum Teil um ein Recycling.

So sind Tenor und Dramaturgie dieser neun Prosa-Kapitel nicht überraschend. Thomas Bernhard gießt seine ganze Bosheit und seinen Hohn über die seit je von ihm verachteten Politiker, namentlich Kulturpolitiker, und prangert den Literaturbetrieb in seiner ganzen Scheinheiligkeit, Ignoranz, Eitelkeit, Wichtigtuerei und Liebedienerei an. Aber während er genüsslich alle Pannen und Patzer und peinlichen Momente solcher Dichterfeiern ausbreitet, nimmt er sich selbst von seinen Verurteilungs- und Vermaledeiungstiraden nicht aus. So «abstoßend und ekelerregend» er die Preis-Auslober findet, so sehr verachtet er sich auch selbst für seine Geldgier, die ihn doch immer wieder veranlasst, sich auf diese Preis-Prozeduren einzulassen: «Ich bin geldgierig, ich bin charakterlos, ich bin selbst ein Schwein.»

All dies bleibt im Erwartbaren, ist charakteristische hass- und selbsthass-erfüllte groteske Bernhard-Suada, in allem Übertreibungs-Furor. Äußerst amüsant (und so noch nicht bekannt) sind Bernhards Berichte darüber, was er jeweils mit den Preisgeldern angestellt hat. Er hat zumeist verrückte, überstürzte und waghalsig unbedachte Spontankäufe dafür getätigt – einen weißlackierten, rotgepolsterten englischen Triumph Herald, obwohl er dafür keinen Führerschein besaß; einen verrotteten Bauernhof in Ohlsdorf, für dessen Renovierung das Preisgeld bei weitem nicht ausreichte.

So tritt uns in «Meine Preise» Thomas Bernhard noch einmal entgegen, wie er leibte und lebte: der Spötter, der Störenfried, der Kulturnestbeschmutzer, der Staatsfeind und Staatsdichter, verkrallt in seine hassgeliebte Heimat, deren Verhöhnung und Beschimpfung sein Lebenselixier gewesen ist.

Rezensiert von Sigrid Löffler


Thomas Bernhard: "Meine Preise. Eine Bilanz"
Suhrkamp, Frankfurt/Main 2009. 140 S., 15,80 €